Was mit zurückgeschickten Produkten passiert
Berichten zufolge vernichtet Amazon zurückgesandte Waren. Wie andere Unternehmen mit Retouren umgehen
München Wieder steht Amazon in der Kritik. Diesmal geht es um den Umgang mit zurückgeschickter Ware. Für Kunden sind Retouren praktisch. Kleidung wird in mehreren Größen bestellt und was nicht passt, geht zurück an den Händler. Doch bei Amazon landen viele der zurückgeschickten Produkte im Müll. Das ergaben Recherchen der ZDF-Sendung Frontal 21 und der Zeitschrift Wirtschaftswoche. Interne Produktlisten, Fotos und Aussagen von Mitarbeitern sollen belegen, dass das Unternehmen „in großem Umfang Güter aller Art in den deutschen Logistiklagern entsorgt“.
Umweltschützer halten diese Praxis für untragbar. „Es ist eine riesige Umweltsauerei“, sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace. Der Fall zeige, dass riesige Mengen an Produkten und Ressourcen vom Online-Handel nicht mehr wertgeschätzt werden. Das betreffe nicht nur Amazon. Die Zahl der Retouren steige im gesamten Online-Handel. Laut der Expertin liege der Anteil bei Textilien derzeit bei fast 50 Prozent, bei Schuhen sogar bei 80 Prozent. Im Bereich Elektronik würden 18 Prozent aller bestellten Artikel zurückgeschickt. „Von den Retouren landen 30 Prozent im Müll“, so Wohlgemuth.
Andere Versandhäuser bestreiten, zurückgeschickte Ware zu vernichten. Bei Zalando, einem der größten Online-Händler für Mode in Deutschland, gehören Retouren zum Geschäftsmodell. Nach Angaben von Sprecherin Linda Hübner gehen 50 Prozent der bestellten Ware an das Unternehmen zurück. Der größte Teil der Ware werde in einwandfreiem Zustand zurückgeschickt und über den Online-Shop weiterverkauft. Anders dagegen Retouren, die Mängel aufweisen. „Wenn der Knopf an einer Bluse fehlt, landet sie nicht mehr im normalen Verkauf, sondern in einem unserer Outlets“, sagt Hübner.
Das Versandhaus Otto versucht nach eigenen Angaben, die Zahl der Rücksendungen zu verringern. Zurückgeschickte Produkte würden in Retourenbetrieben geprüft. „Die ganz große Mehrheit der Waren kann sofort wieder zum Verkauf gestellt werden“, so Sprecher Martin Frommhold. Ein kleiner Teil wird vorher bearbeitet. So müssen beispielsweise Fingerspuren von Fernsehbildschirmen entfernt werden. „Ware, die nicht mehr in einen neu- wertigen Zustand versetzt werden kann, wird über spezialisierte Betriebe weiterverwertet“, so Frommhold. Textilien werden demnach als Second-Hand-Ware vertrieben. Elektronische Geräte landen bei Spezialbetrieben, die die Geräte reparieren oder entsorgen.
Der Modehändler H&M teilt auf Anfrage mit, seine zurückgesandten Artikel in einem Distributionszentrum zu prüfen. Erfüllt ein Artikel die Qualitätsstandards, werde er für weitere Online-Bestellungen zur Verfügung gestellt. „Ware, die verschmutzt ist, Geruch aufweist oder beschädigt wurde, wird aussortiert“, heißt es schriftlich. Nicht mehr verwendbare Ware werde recycelt. Klamotten, die noch getragen werden können, gehen nach Angaben des Unternehmens an gemeinnützige Organisationen. Allerdings geriet die schwedische Modekette erst im vergangenen Jahr in die Kritik, weil sie tonnenweise unverkaufte Kleidung verbrennen ließ.
Für Viola Wohlgemuth von Greenpeace ist klar: Die Praktiken bei Amazon sind kein Einzelfall. Gerade im Bereich Textilien würden erhebliche Mengen an Artikeln vernichtet. Die Fast-Fashion-Industrie fördere diese Mentalität, denn es werde mehr Kleidung produziert, als in den Handel gelangt. „Die Produkte sind so wenig wert, dass es billiger ist, sie zu zerstören, als weiter zu verwerten“, so Wohlgemuth.
Sie fordert eine klare gesetzliche Regelung. „Wir brauchen ein Vernichtungsverbot von gebrauchter und neuwertiger Ware“, sagt sie. Deutschland preise sich als Recycling-Weltmeister, aber andere Länder seien einen Schritt voraus. So ist es dem Einzelhandel in Frankreich seit 2015 verboten, Lebensmittel wegzuschmeißen. Nun werde diskutiert, das Verbot auf Textilien auszuweiten. Auch Deutschland müsse dringend handeln.