Wie sich die Stadtwerke für die Zukunft aufstellen
Drei Jahre nach dem Bürgerentscheid gegen die Energie-Fusion skizziert das städtische Unternehmen, wie es allein bestehen will, obwohl es günstigere Stromanbieter gibt. Der Energieversorger hat keine andere Wahl, als zu wachsen
Die Stadtwerke wollen künftig versuchen, auch außerhalb Augsburgs vermehrt Strom zu verkaufen. Man wolle im Privat- und Geschäftskundenbereich zulegen und künftig auf Internetplattformen verstärkt auftreten, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Alfred Müllner. Wachstum auch außerhalb der Stadt ist eine von mehreren Ideen, mit denen sich die Stadtwerke fit für die Zukunft machen wollen.
Fast auf den Tag drei Jahre ist es jetzt her, dass die Augsburger sich in einem Bürgerentscheid gegen die Fusion der Stadtwerke-Energiesparte mit Erdgas Schwaben entschieden. Zuvor hatte es monatelange erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Politikern des Regierungsbündnisses und den Fusionsgegnern gegeben. Am Ende wollten 73 Prozent der abstimmenden Bürger, dass die Stadtwerke zu 100 Prozent in städtischer Hand bleiben. Bei einer Fusion hätte der bundesweite Stadtwerke-Verbund Thüga mitbestimmt, wie der Augsburger Grundversorger zu agieren hat.
Seit drei Jahren sind die Stadtwerke auf einem Umstrukturierungskurs, rund 100 Stellen werden bis 2020 sozialverträglich abgebaut. Denn ein Argument der Fusionsbefürworter, allen voran Oberbürger- meister Kurt Gribl (CSU), war, dass die Stadtwerke allein für die Herausforderungen des Energiemarktes der Zukunft nicht gut gerüstet seien und von Innovationen aus dem Verbund besser profitieren könnten.
„Die Stadtwerke sind kein Sanierungsfall“, sagt Geschäftsführer Müllner, der nach der Fusionspleite fürs Energiegeschäft geholt wurde, aus heutiger Sicht. In einer wachsenden Stadt habe auch das Unternehmen die Möglichkeit zu wachsen. Das große Einzelprojekt, mit dem alle Probleme gelöst wären, gebe es nicht. „Wir müssen an allen Strippen ziehen. Wir müssen wachsen und gleichzeitig effizienter werden.“
Ein Problem ist, dass im liberalisierten Strommarkt Erlöse wegen der Deregulierung sinken und die Stadtwerke immer stärker im Wettbewerb stehen, auch weil sie teurer sind als andere Anbieter – ein klassisches Problem kommunaler Stadtwerke in ihrem Heimatmarkt.
„Wir werden nie der billigste Anbieter sein können“, sagt Müllner. Das hänge unter anderem damit zu- sammen, dass andere Anbieter bei ihrem Stromeinkauf stärker spekulieren können. Als Grundversorger könne man das nicht. Rein über den Preis werde man Privatkunden nicht halten und gewinnen können.
Seit Jahren setzen die Stadtwerke darauf, ihre Produkte zu emotionalisieren. „Hier leben heißt hier Kunde sein“und ähnliche Slogans sollen den Bezug zur Heimat betonen. Müllner verweist darauf, dass die Stadtwerke in den kommenden Jahren 80 bis 90 Millionen Euro jährlich investieren, von Fernwärme- und Wasserleitungen bis hin zum Bahnhofstunnel und neuen Tramlinien. „Von einer Top-Infrastruktur hat die ganze Stadt etwas.“
Doch ob das reicht, um Kunden zu halten, die bei einem Anbieterwechsel je nach Stromverbrauch pro Jahr 100 Euro und mehr sparen könnten? Müllner sagt, dass die Kundenabwanderung bei weitem nicht mehr so stark sei wie unmittelbar nach der Strommarktliberalisierung. „Die Leute wechseln nicht, weil sie sonst alle paar Jahre wechseln müssten, wenn sie einen günstigen Preis haben wollen.“Den Verbrauchern sei inzwischen klar, dass Wechselangebote anderer Anbieter oft zeitlich beschränkt seien.
Allerdings schließen auch die Stadtwerke nicht aus, mit Boni zu arbeiten, um auswärts Kunden zu gewinnen. Was den reinen Strompreis betrifft, werde man Angebote auf den Markt bringen, die mit den online abschließbaren Verträgen im Augsburger Gebiet preislich vergleichbar sind. Der Endpreis für Verbraucher wird aber variieren – das hängt damit zusammen, dass die im Endpreis enthaltenen Netzgebühren, die die Netzbetreiber für die Nutzung ihrer Leitungen verlangen, regional unterschiedlich sind.
Ein weiteres Thema werde sein, verloren gegangene Kunden zurückzuholen. „Wir können zum Beispiel das Gewerbe hier direkt ansprechen. Ein auswärtiger Anbieter kann das gar nicht leisten, weil er nicht vor Ort ist“, so Müllner. Die Stadtwerke müssten auch zusehen, zusätzliche Angebote auf den Markt zu bringen: Künftig wolle man auch gemeinsame Angebote aus der Verkehrsund Energiesparte an die Verbraucher machen.
Für Geschäftskunden werde es darum gehen, mehr Dienstleistungen zu erbringen: So werden die Stadtwerke für Firmen künftig auch als Vermittler auftreten, um den günstigsten Stromanbieter herauszufinden. Es werde auch darum gehen, Kunden Komplettlösungen zum Thema Energie und Heizung anzubieten. Auch für Schulen und städtische Gebäude machen die Stadtwerke die Energieberatung.
Und dann sind da auch noch Themen wie Elektromobilität oder innovative Speicherformen wie die Umwandlung von überschüssigem Strom in Gas, wie es in einem Mehrfamilienhaus der Wohnbaugruppe in Haunstetten erprobt wird. Das wird es nötig machen, mittelfristig wieder neue Stellen zu schaffen. Bis 2022 werde man mehr Personal eingestellt haben, als man aufgrund der Restrukturierung gestrichen habe, so Müllners Prognose. „Allerdings werden diese Mitarbeiter in ganz anderen Bereichen arbeiten.“
Insgesamt sind die Umsatzerlöse bei den Stadtwerken in den vergangenen Jahren im Trend gestiegen. Angesichts der geplanten Investitionen ist das auch nötig. In seiner Wirtschaftsplanung hat das Unternehmen bis zum Jahr 2025 eine steigende Verschuldung festgeschrieben. Zum Ende des vergangenen Jahres lagen die Verbindlichkeiten gegenüber Banken bei 391 Millionen Euro. Der Schuldendeckel liegt bei 50 Prozent der Bilanzsumme, der auch künftig einhaltbar sei, so Müllner.
Die Stadtwerke setzen auf Emotionen
Es geht auch darum, Kunden zurückzuholen