Die Liebe überlebt den Anschlag
Auch wenn die körperlichen und seelischen Wunden längst nicht verheilt sind, blicken zwei Opfer des Würzburger Axt-Attentats vor zwei Jahren hoffnungsvoll in ihre Zukunft
Würzburg Ihre Liebe siegt über den Terror. So scheint es im Fall des chinesischen Paares zu sein, das vor zwei Jahren die lebensgefährlichen Axt-Hiebe des Attentäters in Würzburg überlebt hat. Ihr Schmerz ist noch da, ihr Trauma im Alltag noch gegenwärtig. Doch ihre Lebensfreude lassen sich die beiden Hongkonger nicht nehmen. Mit einem riesigen Blumenstrauß hat der 33-jährige Edmund jetzt um die Hand seiner 29-jährigen Freundin Tungtung angehalten, die mit ihm durch die vermutlich schwerste Zeit seines Lebens gegangen ist.
Fünf Menschen hatte der minderjährige afghanische Flüchtling bei dem Attentat am 18. Juli 2016 in einem Regionalzug bei Würzburg mit einer Axt schwer verletzt – darunter vier Touristen aus Hongkong und eine Frau aus Heidingsfeld. Der chinesische IT-Ingenieur und sein künftiger Schwiegervater schwebten nach der Attacke in Lebensgefahr. Während der ältere Mann nach zwei Wochen das Bewusstsein wiedererlangte, lag Edmund fast zwei Monate lang im künstlichen Koma. Wochenlang rangen die Neurochirurgen im Würzburger Uniklinikum um sein Leben. Er überlebte mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen. Sie beeinträchtigen ihn bis heute. Trotzdem arbeitet er wieder in Vollzeit bei seiner alten Firma. Die Verantwortlichen hatten ihm seine Stelle während des Krankenhausaufenthaltes in Deutschland freigehalten. „Keine Selbstverständlichkeit in China“, sagt HansPeter Trolldenier, stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft. Er und andere Vereinsmitglieder kümmerten sich in den Monaten nach dem Anschlag um die verletzten Chinesen. Vor einem Jahr besuchte der Würzburger die Familie in Hongkong.
Auch wenn die Freude über die Hochzeitsvorbereitungen momentan alles andere überstrahlt, war der Weg zurück in den Alltag für die jungen Chinesen schwer. Edmund erlitt nach seiner Rückkehr ins Berufsleben zwei Zusammenbrüche. Mittlerweile ist sein Gesundheitszustand stabil. Er lässt sich weiter regelmäßig in der Klinik untersuchen.
Die Wunden seiner Verlobten Tungtung – sie war mit Messerstichen am Kopf verletzt worden – sind vollständig verheilt. Ihre psychische Belastung aber blieb. Sie schreibt: „Ich würde nicht sagen, dass wir vollständig von dem Trauma geheilt sind. Manche Folgen sind immer noch spürbar. Aber wir ma-
chen gute Fortschritte.“Sie hatte zunächst ihren Arbeitsplatz in Hongkong verloren, doch schnell wieder eine anspruchsvolle Stelle gefunden. Mittlerweile organisiert sie internationale Tagungen und leitet mehrere Mitarbeiter. Ihr Beruf mache ihr Freude, schreibt die junge Frau. Doch ohne psychologische Betreuung käme sie nicht zurecht.
Ihr Vater leidet noch immer an den Folgen seiner schweren Bauchverletzungen. Die Therapien hätten bei ihm wenig bewirkt. Der ältere Mann wirkt seit dem Attentat geschwächt und ist schnell erschöpft, schreibt seine Tochter. Ihre Mutter ist vollständig genesen.
Beide Eltern sind mittlerweile
über 60. Auch dem 19-jährigen Bruder, der den Anschlag auf seine Familie im Zug miterlebte, selbst aber nicht verletzt worden war, geht es gut. Er hat mittlerweile sein Abitur gemacht und studiert Sozialwissenschaften in Hongkong.
Die asiatische Familie hatte sich 2016 auf einer Europareise auf dem Weg von Rothenburg nach Würzburg befunden, als sie plötzlich im Zug attackiert wurde. Das chinesische Paar und die Schwester des Schwerverletzten, die nach dem Anschlag nach Würzburg gekommen war, um ihrer Familie beizustehen, äußerten sich kurz vor ihrem Rückflug gegenüber unserer Zeitung: „Was passiert ist, ist passiert. Wir
können den Vorfall nicht auslöschen. Doch wir können versuchen, optimistischer zu werden und zu neuer Stärke zu gelangen“, so die 26-Jährige damals. Irgendwann wollen sie noch einmal nach Würzburg reisen.
Auch heute scheint der Optimismus der Familie ungebrochen. In einer E-Mail bedankt sich Tungtung bei allen Menschen in der Region, speziell bei den Mitgliedern der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft und bei allen, die für die Verletzten gebetet haben. Sie schreibt: „Wir arbeiten weiter an unserer Genesung und ich wünsche allen Menschen, die leiden, dass sie sich selbst niemals aufgeben.“