Alarm im Darm
Divertikulitis Kommt es zu Aussackungen im Verdauungstrakt, steigt das Risiko von Entzündungen. Dann ist für die Ärzte in den Kliniken an der Paar rasches Handeln angesagt / Serie (13)
Aichach Friedberg Entzündungen des Dickdarms sind eine häufig auftretende Krankheit. Allerdings meist erst in höherem Alter, ab etwa 45 Jahren aufwärts. Zu einer solchen Entzündung kommt es nach den Worten des Chefarztes der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Aichacher Krankenhauses, Peter Beer, wenn sich in der Darmwand eine Aussackung bildet und darin Stuhl hängen bleibt – ähnlich der bekannten Blinddarmentzündung. Die Aussackung wird medizinisch als Divertikel bezeichnet, die Entzündung heißt somit Divertikulitis. Es gibt mehrere Formen der Behandlung, mit Medikamenten oder operativ.
Solche Entzündungen kommen fast immer im Bereich des Dickdarms vor. Auf der linken Körperseite führt er zum Mastdarm und zum After. Seine Aufgabe besteht darin, dem Stuhl Flüssigkeit zu entziehen und ihn damit einzudicken. Am Ende hat er eine S-Form; hier wird der Stuhl bis zum nächsten WC-Besuch gesammelt. Es besteht erhöhter Innendruck, daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Divertikel bilden und es zu einer Entzündung kommt, hier besonders hoch.
Betrachten wir beispielhaft den Fall von Franziska G. (Name geändert). Die 72-Jährige geht wegen starker Druckschmerzen im linken Unterbauch zu ihrem Hausarzt. Mit Verdacht auf Divertikulitis wird sie ins Aichacher Krankenhaus geschickt. In der Notaufnahme wird sie befragt, ihr Bauch abgetastet. Die Blutuntersuchung erbringt erhöhte Entzündungswerte. Neben einer Ultraschalluntersuchung findet laut Beer in der Regel auch eine Computertomografie (CT) statt. Die CT zeigt, dass die Darmwand durchgebrochen ist. Allerdings hat sich um das Loch eine Schicht aus Fettgewebe gebildet, sodass nicht befürchtet werden muss, dass Eiter oder Kot in den Bauchraum austritt.
Die Patientin darf zunächst nur wenig essen und wird in kurzen Abständen weiter untersucht. Das Ärzteteam hält eine medikamentöse Therapie für angebracht. Über eine Vene wird Franziska G. mit einem Antibiotikum versorgt. Nach zwei Tagen fühlt sie sich besser, und die Entzündungswerte fallen. Ab dem fünften Tag nimmt sie das Antibiotikum in Tablettenform ein, und kurz darauf kann sie entlassen werden. Das Medikament muss sie noch einige Tage weiter nehmen, und sie soll sich nun ballaststoffreicher ernähren, um den Darm zu entlasten. Nach fünf bis sechs Wochen muss sie zur Darmspiegelung, um festzustellen, ob nach wie vor alles in Ordnung ist.
Anders läuft es bei Lorenz P. (Name ebenfalls geändert), 78 Jahre alt. Auch er hat starke Unterbauchschmerzen. Er kommt direkt in die Notaufnahme des Aichacher Krankenhauses. Wieder wird er zunächst befragt und sein Bauch abgetastet, ihm wird Blut abgenommen und ein Ultraschall gemacht. In der CT zeigen sich ein offenes Loch in der Darmwand (medizinisch: Perforation) und ein fünf Zentimeter langer Abszess, das ist eine Eiteransammlung im Bereich der Entzündung. Hier muss nach Aussage von Beer schnell operiert werden. Die OP findet noch am selben Tag statt und dauert etwa zwei Stunden. Der Patient bekommt eine Narkose.
Mit einem Bauchschnitt wird der entzündete Teil des Dickdarms entfernt, die beiden Darmenden werden durch Klammern aus Titan miteinander verbunden. Das ist, wie der Chefarzt versichert, nicht schlimm. Seine Aufgabe kann der Dickdarm im Extremfall auch noch erfüllen, wenn nur ein Drittel seiner Länge übrig ist. Vorübergehend erhält Lorenz P. einen künstlichen Darmausgang vom Dünndarm her. Damit soll vermieden werden, dass die neue Dickdarmverbindung mit Kot in Kontakt kommt, bis sie verheilt ist.
Auch P. erhält zusätzlich Antibiotika. Nach zehn Tagen und einer Schulung, wie er mit dem künstlichen Darmausgang umgehen muss, kann er nach Hause gehen. Nach fünf bis sechs Wochen muss P. wieder in die Klinik. Zunächst wird mit einem Kontrastmittel untersucht, ob der Darm dicht ist und den Stuhl halten kann. Dann wird der Dünndarm wieder an seine angestammte Stelle angenäht.
Darmentzündungen haben die Tendenz wiederzukehren. Manche Betroffene nehmen dann, wie Beer sagt, einfach ihr Antibiotikum. Andere können diese Schübe nur schwer aushalten. Man kann dann einen geplanten Eingriff in Erwägung ziehen. Am vereinbarten Tag der OP darf der Darm natürlich nicht gerade entzündet sein. Der Wahleingriff wird meist in Schlüsselloch-Technik ausgeführt. Der Chirurg führt durch kleine Öffnungen in den Bauch Instrumente ein und operiert mit ihnen mithilfe eines Bildschirms. Auf einen künstlichen Darmausgang kann in diesem Fall verzichtet werden. Die OP ist insbesondere dann angezeigt, wenn die Entzündung zu einer Darmverengung führt.
Dr. Peter Beer wuchs in Is maning auf und studierte Medizin an der Technischen Universität München. 2007 erhielt er seine Aner kennung als Facharzt für Chirurgie. Berufliche Stationen waren unter anderem das Kreiskrankenhaus Starnberg, das Bundeswehrkranken haus Hamburg sowie die Universi tätsklinik Oldenburg. Seit 1. April leitet er als Chefarzt die Fachabteilung für Allgemein und Viszeralchirurgie am Aichacher Krankenhaus.