Selbst den Borkenkäfern ist es zu heiß
Die Wälder im Landkreis sind trotz der langen Trockenheit so stark befallen wie befürchtet. Allerdings drohen den Bäumen jetzt andere Gefahren
Aichach Friedberg Hitze und anhaltende Trockenheit – laut Anton Wittmann sind dies optimale Witterungsverhältnisse für Borkenkäfer. Der Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Friedberg nimmt an, dass es dieses Jahr bis zu vier Generationen geben könnte. Sind die Fichten der lokalen Wälder in Gefahr? Nein, sagt Wittmann, so dramatisch sei die Lage nicht. Durch seltene, aber zeitlich für die Schädlinge ungünstige Regenfälle hätten diese einen Dämpfer erhalten. Der Borkenkäfer sei zwar eine ernst zu nehmende Gefahr, doch die Lage hat sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren nicht sehr verschlechtert. Waldbesitzer müssen also nicht in Panik ausbrechen, sollten aber dennoch mit offenen Augen durch ihre Wälder gehen.
Wolfgang Sailer, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg, erklärt, was bei einem Befall geschieht: Das Weibchen des Buchdruckers, eine Unterfamilie des Borkenkäfers, bohrt sich durch die Rinde in den Baum. Zwischen Rinde und Holz legt es eine Kammer für die bis zu 70 Eier an. Die Nachkommen entwickeln sich in der Kammer und bohren sich dann wieder aus dem Baum heraus, um als voll entwickelter Käfer weitere Bäume zu befallen. Betroffen sind hauptsächlich Fichten. „Der Baum versucht durch Harz die Käfer rauszuharzen und die Wunde zu verschließen“, erklärt Sailer. Aktiv werden Borkenkäfer ab einer Außentemperatur von 20 Grad, die Entwicklungsdauer einer Population liegt bei diesem Wetter bei gerade einmal vier bis fünf Wochen.
Wittmann weiß auch, woran man einen betroffenen Baum erkennen kann: Im ausgehenden Sommer verfärben sich die Baumkronen und leuchten im Licht der Sonne glutrot. Ein weiteres Anzeichen ist Bohrmehl am Stammfuß.
Waldbesitzer, die einen Befall entdecken, sind dazu verpflichtet, die befallenen Bäume schnellstmög- zu entfernen. Wittmann sagt, es sei hilfreich, den Befall der Forstbehörde zu melden.
Ab 200 Käfern, die eine Fichte befallen haben, wird es gefährlich für den Baum. Es gibt dann mehrere Optionen dagegen. Entweder entrindet man den Baum und häckselt die Rinde oder man deckt sie mit einer Plane ab und tötet so die Käfer. Wenn man den Stamm zersägt, muss er mindestens 500 Meter entfernt gelagert werden, um ein Zurückkehren der Käfer auszuschließen, sagen die Experten.
Sailer ist es sehr wichtig, dass die Waldbesitzer ihren Pflichten nachkommen. Die Forstdienststellen kontrollieren systematisch Wälder und melden sich beim Besitzer eines befallenen Waldstücks. Nach einer Woche, die ohne Maßnahmen verstrichen ist, folgt eine weitere schriftliche Abmahnung mit einer Frist. Wird diese nicht eingehalten, leiten die Forstdienststellen per Bescheid eine Ersatzvornahme in die Wege. „Wir organisieren die Schädlingsbekämpfung selbst und führen sie durch – auf Kosten des Besitzers“, warnt Sailer. Bis jetzt mussten jedoch erst zwei Ersatzvornahmen durchgeführt werden.
Die Wälder im Landkreis sind allerdings nicht nur wegen der Borkenkäfer in Gefahr. Der Klimawandel sorge für weitaus größere Probleme, erklärt Bernhard Breitsameter, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Aichach: „Durch den Klimawandel müssen wir alles, was wir über den Borkenkäfer wissen, über Bord schmeißen.“Bis 2015 hätten die Käfer überwiegend geschwächte Fichten am Süd- und Westrand der Wälder befallen. Heute sei es den Insekten dort zu heiß. Der Borkenkäfer niste stattdessen tief im Inneren der Wälder. „Das ärgert uns natürlich, aber wir dürfen nicht den Kopf verlieren“, sagt Breitsameter. In diesem Jahr sei der Befall zumindest wesentlich geringer als erwartet. „Wir werden voraussichtlich nicht einmal das Niveau vom Vorjahr erreichen.“
Die extremen Temperaturen machen allerdings nicht nur den Schädlich lingen zu schaffen, warnt Breitsameter: „Wenn der Trend mit extrem heißen Sommern, starken Stürmen und Niederschlägen und extrem kalten Wintern anhält, werden ganz andere Probleme auf uns zukommen.“Probleme, die weit tiefgreifender sind als Borkenkäfer: „Dann wird es bei uns bald keine Fichten mehr geben.“Die Baumart sei nicht robust genug, um die hiesigen Wetterextreme längere Zeit zu überleben. „Auch die Tanne wird Probleme bekommen und für die Buche sehe ich schwarz“, prognostiziert Breitsameter.
Er hat aber eine mögliche Lösung parat: „Die Waldbesitzer müssen ihre Altbestände an Fichten schnell nutzen, bevor sie die Natur zerstört, und mit klimatoleranten Arten wie Kiefern, Lärchen oder Eichen aufforsten“, sagt der Experte. Eine stabile Mischforstung sei notwendig, auch um den Boden- und Luftraum optimal auszunutzen. Derartige Mischwälder machen, nebenbei bemerkt, auch dem Borkenkäfer das Leben schwer.