Brüssel traut den Amerikanern nicht
EU-Kommissarin Malmström ist bereit, alle Zölle abzubauen. Doch das Parlament hat noch viele Fragen
Brüssel Im Handelsstreit zwischen der EU und den USA haben sich beide Seiten lediglich eine sommerliche Atempause gegönnt. Brüssels Handelskommissarin Cecilia Malmström würde am liebsten in den nächsten Wochen alle Zölle für Industriegüter abräumen. Doch eine Anhörung am Donnerstag zeigte: Das EU-Parlament sieht bisher erhebliche Defizite.
Die Wut über Donald Trumps Alleingänge in Sachen Welthandel ist jedenfalls bei den Parlamentariern nicht verraucht. „Wie soll man denn mit Washington seriös verhandeln, wenn es jeden Tag sich widersprechende Meldungen über die Haltung des US-Präsidenten gibt?“, wollte die CDU-Europa-Abgeordnete Godelieve Quisthoudt-Rowohl am Donnerstag von Cecilia Malmström wissen. Die EU-Handelskommissarin hingegen befand sich noch in dem Hochgefühl eines völlig unerwarteten Durchbruchs bei den Gesprächen zwischen Trump und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Ende Juli. Man war übereingekommen, die bereits angedrohten Zölle auf europäische Autos erst einmal zu stoppen und innerhalb von 120 Tagen ein neues Abkommen auf die Beine zu stellen. In wenigen Tagen sollen diese Gespräche beginnen.
Malmström: „Wir wollen alle Zölle auf Industriegüter abbauen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse beseitigen. Aber das geht nur, wenn die Vereinigten Staaten mitziehen.“Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht: Schließlich hatte Juncker versprochen, den Amerikanern als Vorleistung für neue Verhandlungen mehr Sojabohnen und (Fracking-)Gas abzunehmen. Außerdem versprachen sich beide Seiten, bürokratische Hemmnisse abzuräumen, über die man sich schnell einigen kann – bei Dienstleistungen, Chemikalien und Medizinprodukten. Über landwirtschaftliche Erzeugnisse und den lukrativen Bereich öffentlicher Aufträge will man vorerst nicht reden. Malmström: „Wir wollen so schnell wie möglich Erfolge.“
Doch dafür braucht die Kommissarin am Ende auch die EU-Parlamentarier, und die sind skeptisch. „Wir hatten eigentlich beschlossen, keine Zugeständnisse zu machen, solange die höheren Zölle auf Stahl und Aluminium in Kraft sind, und vor dem Hintergrund einer Drohkulisse weiterer Strafzölle auf Autos“, erinnerte der Chef des Handelsausschusses, der EU-Abgeordnete Bernd Lange (SPD). Tatsächlich ist die Skepsis groß, ob Malmströms amerikanischer Gegenspieler, der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer, auf die Gemeinschaft zugehen wird. Beispiel Abschaffung aller Auto-Zölle: Trump hatte sich zwar diese Forderung zu eigen gemacht. Inzwischen rudert man in Washington wieder zurück. Schließlich sei zu befürchten, heißt es in Trumps Umfeld, dass dann noch mehr europäische Fahrzeuge in die USA kämen – vor allem Pickup-Trucks und viele größere SUV. Sie sind mit einer 25-prozentigen Importabgabe belegt. Auch die Details des Juncker-Vorstoßes scheinen noch umstritten: „Stimmt es, dass die Sojabohnen, die Europa nun aus den Vereinigten Staaten bekommt, zu 90 Prozent aus gentechnisch veränderten Pflanzungen stammen?“, wollte ein Abgeordneter wissen. Malmström beruhigte: „Alle Sojabohnen-Importe wurden von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zertifiziert.“
Tatsächlich ist die Angst in Brüssel groß, dass die Gespräche – ähnlich wie schon beim gescheiterten Freihandelsabkommen TTIP – in einer öffentlichen Kampagne zerrissen werden könnten.