Herrscht Lehrermangel?
Mobile Reserven und Zweitqualifizierte helfen, eklatanten Lehrermangel an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis zu verhindern. Doch Männer fehlen
Gegen Lehrermangel an Grundund Mittelschulen im Landkreis wurden Vorkehrungen getroffen. Unter anderem unterrichten dort Gymnasiallehrer.
Aichach Friedberg Das Wichtigste zum heutigen Schulstart vorneweg: Im Landkreis Aichach-Friedberg herrscht kein eklatanter Lehrermangel. Zumindest nicht an den Grund- und Mittelschulen, wie die Schulamtsdirektorin Ingrid Hillenbrand versicherte. „Wir sind gut aufgestellt“, sagte sie vor den Medien. Es sollen sogenannte Zweitqualifizierte und eine Mobile Reserve an Lehrern dafür sorgen, dass im Wittelsbacher Land möglichst wenig Unterricht ausfällt. Einziger Wermutstropfen: Im Moment sind kaum Männer daran interessiert, den Nachwuchs in den Grundschulen zu unterrichten.
Sollten Grippewelle und Co. in diesem Jahr heftig um sich greifen, stehen 35 Lehrer und drei Fachlehrer von der Mobilen Reserve bereit, um den Unterrichtsstoff insgesamt 798 Stunden lang in Vertretung zu vermitteln. Ob der komplette Bedarf im Ernstfall damit abgedeckt werden kann, wird sich im Lauf des Schuljahres zeigen.
Unterstützung kommt außerdem von ausgebildeten Gymnasial- und Realschullehrern, die vom Schulamt mit viel Lob bedacht wurden. Mit den 20 Zweitqualifizierten habe man „durchweg positive Erfahrungen gemacht“, sie seien „ganz fleißig“, Ingrid Hillenbrand. Und Schulrätin Claudia Genswürger fügte hinzu: „Sie helfen uns schon.“Zweitqualifizierte haben während ihrer zweijährigen Anlaufphase an Grund- oder Mittelschulen einen Betreuungslehrer an ihrer Seite und zusätzliche Fortbildungen. Danach durchlaufen sie eine zwölfmonatige Probezeit, bevor sie als fertige Grund- oder Mittelschullehrer gelten. Je nach Abschluss könnten sie dennoch wieder an Gymnasien oder Realschulen unterrichten, wenn sich dort eine Stelle anbieten würde.
Allerdings würden viele von ihnen das Verhältnis zwischen Leh- rern und Schülern an den Grundund Mittelschulen sehr schätzen, berichteten die Vertreterinnen des Schulamtes. Es sei dort, bedingt durch die Unterrichtsstrukturen, meistens enger als an Gymnasien, in denen ein Fachlehrer dem nächsten die Klinke der Klassenzimmertür in die Hand gibt. Trotzdem: Die externe Evaluation – ein prüfender Blick auf die Schule – wird dieses Schuljahr personalbedingt ausfallen. Und die Lotsentätigkeit, also die Beobachtung und Einschätzung der Kinder in der Übertrittsphase zu weiterführenden Schulen, wird auf nur einen Lehrer beschränkt. Unerklärte terrichtet werden ab Dienstag 19 Grundschüler mehr als im vergangenen Schuljahr. Dazu gehören auch die 1228 Erstklässler, für die jetzt der Ernst des Lebens beginnt. Sie teilen sich den Schulweg mit 2041 Mittelschülern, 34 mehr als im vergangenen Schuljahr.
Ingrid Hillenbrand stellte fest, dass die Talsohle, in der die Schülerzahlen immer weiter gesunken waren, inzwischen durchschritten sei. Im Schnitt besuchen etwa 21 Grundschüler eine Klasse, was in etwa der Klassenstärke des Schuljahrs 2017/18 entspricht. Nur wenig größer geworden sind die Klassen in den Mittelschulen. Statistisch gesehen teilen sich hier 19,8 Schüler ein Klassenzimmer. Letztes Schuljahr waren es 19,1. Mehr als 90 Prozent aller Klassen zählen zwischen 16 bis 28 Schüler.
Insgesamt unterrichten 481 Lehrer an den Grund- und Mittelschulen. Außerdem sind 42 Lehramtsanwärter beschäftigt und 63 Fachlehrer. Weitere 16 sind Förderlehrer. Unter dem Strich wurde das Lehrerpersonal von 579 auf 602 aufgestockt. »Weitere Berichte Wie zwei neue Rektorinnen dem heutigen ersten Schultag entgegenblicken und was Eltern von Erstklässlern wissen sollten, lesen Sie auf »
Friedberg Es gibt einiges, was Alexandra Gregor und Ruth Kotzian miteinander verbindet: Die beiden Lehrerinnen sind Mitte 40, kommen gebürtig aus Augsburg und starten am heutigen Dienstag als Rektorinnen an zwei Friedberger Grundschulen. Für beide ist es die erste Stelle in der Chefposition. Kotzian war sechs Jahre lang Konrektorin an der Grundschule Friedberg-Süd, bevor sie die Nachfolge von Dietmar Fröhlich antrat. Alexandra Gregor war Konrektorin in Kissing. Nun leitet sie die Grundschule Ottmaring. Kotzian und Gregor sprechen mit Begeisterung über ihre neue Aufgabe.
Flache Hierarchien und gutes seien ihnen wichtig, sagen die beiden Rektorinnen. Kotzian wird von 22 Lehrkräften unterstützt. Yvonne Frötschel ist die neue Konrektorin. Für insgesamt 266 Schüler ist Kotzian verantwortlich. In Ottmaring sind die Dimensionen kleiner: Für 130 Schüler hat Gregor neun feste Lehrer. Dazu muss sie sich Fachkräfte für Religion und Werken mit anderen Schulen teilen. Eine Konrektorin hat sie nicht.
An zwei Details ihres ersten Schultages kann sich Ruth Kotzian noch gut erinnern: Zur Einschulung gab es ein neues Kleid. Und als erste große Aufgabe mussten sie und ihre Mitschüler ihre Schultüten auf einem Blatt Papier nachmalen. „Als ich dann meine ersten Schulanfänger unterrichtete, habe ich ihnen die gleiche Aufgabe gestellt“, berichtet Kotzian.
Gregor kann die Erstklässler, die heute mit mulmigem Gefühl die Schule zum ersten Mal betreten, sehr gut verstehen. „Ich wollte damals nicht in die Schule, ich wollte im Kindergarten bleiben“, sagt sie. Fast ein ganzes Jahr lang sei sie nach der Schule im Kindergarten vorbeigegangen, um ihre ehemalige Erzieherin zu besuchen, bevor sie nach Hause ging. „Ich glaube, ich hätte einfach noch ein Jahr länger bis zur Einschulung gebraucht“, sagt die 46-Jährige heute. Der Übergang von Kindergarten zur Schule ist für beide Rektorinnen ein wichtiges Thema. In Ottmaring gibt es schon länger die sogenannte Jahrgangsmischung. Das bedeutet, dass die ErstTeamwork und Zweitklässler sowie Dritt- und Viertklässler gemeinsam unterrichtet werden.
Seit die Lehrerinnen ihren Beruf gelernt haben, hat sich die Welt stark verändert. Ob sie das auch bei ihrer Arbeit merken? Kotzian sagt, das größte Problem für die Kinder sei heute, dass ihr Alltag fast völlig durchgetaktet ist. In der Schule, im Sport, im Musikunterricht: Viele Eltern erwarteten vom Nachwuchs Bestleistung in allen Bereichen. „Schon die Erstklässler stehen permanent unter Strom“, berichtet die 45-Jährige. „Kinder brauchen kein Programm“, sagt sie. Ihr Tipp: Am Wochenende einfach mal gar nichts tun, die Kinder vor sich hin spielen lassen. Auch, wenn sie Langeweile äußern. Das sieht Gregor ähnlich: „Es ist schade, dass die Kindheit heute so sehr von Erwachsenen geprägt wird.“Sie glaubt, dass der hohe Medienkonsum vieler Kinder ein Thema ist, das die Schulen immer mehr beschäftigen wird. Heute würden schon Zweijährige über Buchseiten streichen, um weiterzublättern, sagt Gregor. Dazu könnten viele Kinder gar keinen Stift mehr halten. Um solche großen Herausforderungen anzugehen, seien aber auch die Eltern gefragt, finden die beiden Rektorinnen. Deshalb setzen sie auf eine enge Kooperation.
OWeitere Veränderungen Die bisheri ge Konrektorin Annika Lauter (Affing) leitet jetzt die Grundschule in Kissing, Konrektorin Maria Pletschacher (Fried berg) leitet die Grundschule in Eurasburg.