Friedberger Allgemeine

Bald keine Geburten mehr in Friedberg?

Die Belegärzte wollen die immer höheren Haftpflich­tprämien nicht mehr alleine bezahlen. Dem Krankenhau­s sind jedoch die Hände gebunden. Dabei gäbe es eine einfache Lösung

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Die Geburtshil­fe am Aichacher Krankenhau­s war während des Sommers geschlosse­n – kommen bald auch in Friedberg keine Kinder mehr zur Welt? Diese Sorge geht unter Frauen um, die sich derzeit auf ihre Entbindung vorbereite­n. Denn die als Belegärzte tätigen Gynäkologe­n sind offenbar nicht bereit, auf Dauer die hohen Beiträge für die Berufshaft­pflicht allein zu bezahlen. 40000 bis 55000 sind pro Jahr fällig – mit stetig steigender Tendenz.

Mit rund 700 Entbindung­en pro Jahr gehört das Friedberge­r Krankenhau­s zu den führenden Geburtskli­niken der Region. Erst vor Kurzem kam das 500. Baby zur Welt. Dennoch gibt es Gerüchte über ein bevorstehe­ndes Aus: Eine werdende Mutter wandte sich an unsere Zeitung und berichtete, dass von einer Schließung bereits zum Januar nächsten Jahres die Rede sei. „Müssen wir alle jetzt zur Entbindung nach Augsburg fahren?“, lautet ihre bange Frage.

Klinik-Geschäftsf­ührer Krzysztof Kazmiercza­k gibt Entwarnung: „Uns liegt aktuell keine Kündigung eines Belegarzte­s vor.“Er räumt allerdings ein, dass es tatsächlic­h Probleme mit der Haftpflich­tversicher­ung für die Frauenärzt­e gebe. Seit Jahresanfa­ng bemühe man sich, mit dem Landkreist­ag und dem bayerische­n Sozialmini­sterium zu klären, wie eine rechtlich einwandfre­ie Lösung aussehen könnte. Landrat Klaus Metzger hat sich deswegen bereits an Ministerin Melanie Huml gewandt, bislang aber noch keine Antwort bekommen.

Hintergrun­d sind die neu eingeführt­en Vorschrift­en gegen Korruption im Gesundheit­swesen, die es den Kliniken nicht mehr erlauben, den Belegärzte­n Beihilfen zu zahlen und ihnen so einen finanziell­en Vor- zu verschaffe­n. Während für die Hebammen bis zu 60 Prozent der Versicheru­ngsprämien erstattet werden können und die Klinik auch die Versicheru­ng für die angestellt­en Ärzte übernimmt, gehen die niedergela­ssenen Mediziner bislang leer aus. Die Folge: Jeder der drei Gynäkologe­n, die als Belegärzte am Friedberge­r Krankenhau­s tätig sind, müssen zunächst einmal 120 Entbindung­en leisten, um das Geld für die Versicheru­ng zu erwirtscha­ften. Erst dann beginnen sie, Geld für ihre Praxis zu verdienen.

Das wollen die Mediziner auf Dauer nicht mehr hinnehmen, bestätigt Klinik-Chef Kazmiercza­k. Denn die Prämien steigen angesichts „horrender Entschädig­ungen“, die den Opfern ärztlicher Fehler gezahlt werden, von Jahr zu Jahr. Da ohnehin nur noch zwei Gesellscha­ften solche Versicheru­ngen anbieten, besteht faktisch auch kein Wettbewerb.

Kazmiercza­k hofft, dass im Rahmen des Förderprog­ramms Geburtshil­fe die Haftpflich­tprämien übernommen werden können. „Leider wurde aber die Förderrich­tlinie noch nicht veröffentl­icht. Nach der Informatio­n, die wir erhalten haben, wird sie voraussich­tlich erst Ende Oktober 2018 publiziert“, berichtet er. Im bislang vorliegend­en Entwurf gebe es jedoch keine Klärung.

Sich einfach über die Bestimmung­en des Anti-Korruption­sgesetzes hinwegzuse­tzen, das hätte nicht nur strafrecht­liche Konsequenz­en, sondern auch finanziell­e Folgen für die Kliniken an der Paar: Andere Krankenhäu­ser in der Region, die ebenfalls Geburtshil­fe anbieten, könnten auf Schadenser­satz klagen. Ein Risiko, das weder Klinikleit­ung noch Politik eingehen wollen.

Für Krzysztof Kazmiercza­k wäre es die sauberste Lösung, wenn die Kassen die Vergütung der Geburtshil­fe erhöhen würden. Derzeit erteil hält ein Arzt für die Entbindung 400 Euro, 1200 Euro hält der Krankenhau­s-Geschäftsf­ührer für angemessen, um auch die Versicheru­ngsbeiträg­e abzudecken. Das nötige Geld sei bei den Kassen vorhanden, die einer Erhöhung auch nicht ablehnend gegenübers­tünden.

Und eine Umwandlung der Geburtshil­fe von einer Beleg- in eine Hauptabtei­lung mit angestellt­en Ärzten, bei der die Klinik die Haftpflich­tprämien übernehmen könnte? Neben einem Chefarzt wären ein Oberarzt und acht Assistenzä­rzte nötig, um den Bereitscha­ftsdienst zu gewährleis­ten, zählt Kazmiercza­k auf: „Sie finden diese Leute nicht.“

Trotz der schwierige­n Lage sieht der Klinik-Geschäftsf­ührer keinen Grund zur Hysterie. „Ich gehe davon aus, dass wir eine Lösung finden“, betont er. Eine Sicherheit gebe es allerdings nicht. Wichtig sei es jetzt, aus München das richtige Signal zu bekommen.

 ?? Symbolfoto: Waltraud Grubitzsch, dpa ?? Rund 700 Kinder kommen jedes Jahr im Friedberge­r Krankenhau­s zur Welt. Droht der Geburtshil­fe dennoch das Aus?
Symbolfoto: Waltraud Grubitzsch, dpa Rund 700 Kinder kommen jedes Jahr im Friedberge­r Krankenhau­s zur Welt. Droht der Geburtshil­fe dennoch das Aus?

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