Topschick durchs Sauwetter
Wer diesen Herbst im Trend sein will, trägt nicht einfach nur funktionale Regenmäntel und Gummistiefel
In einer Kommode meiner Eltern liegt da dieses Kinderfoto. Darauf ist ein Mädchen zu sehen, klobige rote Gummistiefel, gelb gepunktet, balanciert es von Stein zu Stein in einem Bachlauf. Hätte ich schon damals gewusst, dass ich mit diesem Kautschuk-Schuh Trendsetter werden könnte, hätte ich die Treter wohl behalten. Viele Jahre später ist Rot wieder Trendfarbe und der neuste Schrei heißt „parfümierte Gummistiefel“– lediglich ein Trend unter zunehmend auffälliger und teils sehr teurer Regenbekleidung.
Vor noch gar nicht so langer Zeit stellte sich niemand bei Regenwetter ernsthaft die Frage, was er denn Trendiges anziehen könnte. Im Schrank gab es ein Paar grau-grüne Gummistiefel und eine knallgelbe Regenjacke. Die Sachen erfüllten ihren Zweck, trocken von A nach B zu kommen. Und dann kam das Model Kate Moss. Im Jahr 2005 stapfte sie in ihrem GoldglitzerKleidchen und Gummistiefeln der Modemarke über das Glastonbury Festival in England. Seitdem gelten Gummistiefel – wetterunabhängig – als modisches Statement.
Für Gerd Müller-Tomkin vom Deutschen Mode-Institut ist es nichts Neues, dass aus Funktionskleidung Mode wird. Das sei bei modischer Sport- und Fitnesskleidung schon länger der Fall. Spätestens seit eine Bluse mit einer Jogginghose kombiniert werden kann, war es eigentlich nur eine Frage der
Hunter
Zeit, dass zunehmend modische Gummistiefel und Regencapes wild kombiniert werden. Laut MüllerTomkin geht es in der Mode mehr denn je um „Andersartigkeit“, „Individualität“und um „die Herausstellung der Persönlichkeit“. Der Mode-Experte erklärt: „Bei heutigen Regencapes und Gummistiefeln geht die Funktionalität zwar nicht verloren, Spiritualität und Kreativität sind aber wichtiger.“Folglich müssen Schuh und Jacke gut aussehen und erst in zweiter Linie vor Regen schützen.
Wer heute nach Gummistiefeln schaut, der wird von der Fülle an Marken, Formen, Farben und sogar Düften erschlagen. Mittlerweile führt nahezu jede Modemarke, von
über bis die einstigen Funktionsschuhe im Sortiment. Günstige gibt es für 20 Euro, wer möchte, kann auch viel tiefer in die Tasche greifen. Bei kosten Stiefel schon mal 300 Euro.
Tommy Hilfiger Jacobson Aigle Bottega Veneta Ilse
Für alle, die auf den KautschukTrendzug aufspringen möchten, hier ein kurzer Gummistiefel-Leitfaden: An den schon erwähnten
kommt niemand vorbei. Ein solcher Stiefel kann schon mal 150 Euro und mehr kosten. Ferner fällt nach einem Streifzug durch die Boutiquen auf, dass heuer Lack, Glitzer und Leopardenmuster angesagt sind. Viele Gummistiefel haben einen Absatz, andere sind geschnürt, haben eine Schnalle oder sind mit Schleifchen verziert. Hin und wieder sind auch Nietenverzierungen und Steppmuster zu sehen – zahlreiche Möglichkeiten, um seine „Persönlichkeit“und „Andersartigkeit“zur Schau zu stellen.
Neu sind parfümierte Gummistiefel. Wenn in Zukunft ein Zitronenduft in der Luft liegt, ist vielleicht jemand in „Lemon Jellys“vorbaugerauscht. Das sind Gummistiefel des portugiesischen Labels
die nach Zitronen riechen. Vom Duft mal abgesehen, absolut
Hunter Lemon Jelly,
bürotauglich, weil nicht klobig. Und auch als Gummistiefelette erhältlich. Für etwa 70 Euro kann jeder nach Zitrone riechen.
Laut Mode-Institut sind diesen Herbst Rottöne, von Rosa bis Bordeaux, angesagt. Das gilt für Gummistiefel und Jacken. Ansonsten sind obenrum Karomuster und florale Stickereien in. Trenchcoats und sportliche Anoraks verschwinden nicht aus den Modegeschäften. Darüber hinaus kann man drei weitere Trends festhalten. Erstens: Egal ob in lang oder kurz, Hauptsache, die Regenjacke ist transparent. Wer jetzt an Frischhaltefolienoptik denkt, hat nicht ganz unrecht. Doch es gibt die durchsichtigen Teile auch in sämtlichen Farben, gepunktet, mit Blümchenaufdruck und auch mit Leopardenmuster. Von der Modemarke gibt es ein solches Teil für 259 Euro. lässt sich Transparenz schon mal 1400 Euro kosten. Wer allerdings etwas Geduld mitbringt, kann wohl
Ganni Valentino
schon bald eine ähnliche Regenjacke in den Modehausketten und Discountern weitaus günstiger kaufen. Nicht minder aufregende Muster hat schon jetzt im Angebot – für bezahlbare 30 bis 50 Euro.
Der zweite Trend sind oversized Mäntel, also weit geschnittene Jacken, die jedes Kilo zu viel verschwinden lassen. Von der französischen Marke gibt es ein knallrotes Regencape für 340 Euro. Müller-Tomkin vom Deutschen Mode-Institut sagt: „Das ist die meistbeachtete Designerschmiede. Sie lebt von der Provokation der älteren Generationen, die die jüngere Mode bislang für sich beansprucht hat.“Das schafft der Designer, in dem er die Modetrends der vergangenen Jahrzehnte kopiert. MüllerTomkin: „Die Älteren sind nicht gewillt, sich selbst aufzutragen.“
Wenn das so ist: Wie wäre es mit dem Klassiker schlechthin, dem Friesennerz? In Quietschgelb und mit einem Hauch von PVC war die Regenjacke in den 70er und 80er Jahren beliebt. Längst tragen sie nicht nur Fischer, Segelsportler oder Sylt-Urlauber. Der Friesennerz ist wieder in und in Schwaben angekommen. Simone Kunz ist Inhaberin der Bio- und Fairtrade-Mode-Boutique „Glore“in der Innenstadt Augsburg. Sie sagt: „Seit zwei oder drei Jahren erlebt der Friesennerz sein Comeback.“Allerdings nicht mehr nur in der klassischen Farbe Gelb, sondern auch in Rosa und Hellblau. Kunz: „Im modischen Sortiment ist das Pflicht.“
Only Vetements
DORIS WEGNER
CONTRA