Ried will den Verkehr ausbremsen
Die Belastung durch die Staatsstraße mitten im Dorf bewegt auch beim Bürgerspaziergang am meisten. Die Planer haben sich ein paar Tricks überlegt
Ried Mit dröhnendem Motor fährt ein Laster vorbei. Schon wieder. Die gut 40 Rieder, die gekommen sind, um sich die Gestaltungsideen für ihren Ort anzusehen, können Planer Hans Brugger kaum verstehen. Der Dorfspaziergang unter den Realbedingungen des Feierabendverkehrs zeigt, was die Rückmeldungen der Teilnehmer bestätigen: Die Verkehrsberuhigung ist das dringendste Anliegen der Rieder – aber auch das schwierigste.
Mit dem Supermarkt in der Ortsmitte hat die Gemeinde ein erstes großes Ziel schon umgesetzt, nämlich die Sicherstellung der Nahversorgung. Doch darüber hinaus waren noch viele weitere Ideen im Planungsprozess mit Bürgerbeteiligung angeregt worden. Um für diese ebenfalls Fördergelder zu erhalten, muss die Gemeinde eine sogenannte vorbereitende Untersuchung durchführen, die mögliche Handlungsfelder und Projekte der Zukunft benennt. Die Rieder wollte Bürgermeister Erwin Gerstlacher nun mit dem Ortsspaziergang einmal auf eine andere Art und Weise beteiligen. Und die Idee funktioniert: Spontan und ungehemmt kommt an den Standorten eine Vielzahl von Vorschlägen und Meinungen zur Sprache. Planer Hans Brugger und Architekt Gottfried Mair werden die bisherigen Planungen entsprechend ergänzen (siehe Infokasten).
Dass Ried mit der Staatsstraße 2052, die mitten durch den Ort führt, so sehr vom Verkehr geplagt ist, spielt in beinahe alle Gestaltungsprozesse mit hinein. „Wirklich attraktiv wird es hier erst, wenn der Verkehr raus ist“, räumt der Bürgermeister ein. Doch wie berichtet hält das dafür zuständige Staatliche Bauamt den Baubeginn der Umgehungsstraße frühestens 2030 für realistisch. Bis dahin will Erwin Gerstlacher jedoch das Maximale an Verkehrsberuhigung heraus holen. Vieles wird dabei Verhandlungssache mit der Behörde sein.
So geht es beim Bürgerspaziergang um die Erweiterung des Dorfplatzes im Bereich der Bushaltestelle. Hans Brugger erläutert Möglichkeiten, wie die Pflasterung an den Bereich vor dem Edeka anknüpfen kann. Lässt sich die Pflasterung auf Teile der Straße ausdehnen, entsteht dadurch der Eindruck eines verkehrsberuhigten Bereiches. Die Teilnehmer interessieren sich vor allem für Aspekte der Verkehrssicherheit, insbesondere für die Schulkinder. Eine Mutter wünscht sich eine Querungshilfe wie Ampel oder Zebrastreifen. Bürgermeister Gerstlacher erwidert, dass eine Fußgängerampel in so kurzem Abstand zu der Anlage beim Rathaus nicht zulässig sei. Einen Zebrastreifen hält er sogar für gefährlich, weil er den Kindern Sicherheit suggeriere, es jedoch nicht garantiert sei, dass die Autos wirklich anhalten.
Zwei besonders problematische Stellen im Straßenverkehr sind die Kreuzung am Friedhof und an die Einmündung der Sirchenrieder Straße in die Hörmannsberger Straße. Fast jeder der Anwesenden hat hier schon seine Erfahrungen gemacht. In der Hektik des vorbeirauschenden Berufsverkehrs können alle gut nachvollziehen, was eine Mutter erzählt: „Ich trau mich nicht, meine Tochter alleine zur Schule laufen zu lassen“, sagt sie. Ein anderer berichtet, dass er schon zweimal erlebt hat, wie ein Auto in die Friedhofsmauer krachte: „Wenn da auf dem Gehweg ein Fußgänger steht, wird er glatt zerquetscht.“Und auch wer noch nicht unmittelbar in Gefahr geraten ist, hat doch unter dem Lärm zu leiden. Bis vor sein Haus stauen sich die Autos im morgendlichen Berufsverkehr, berichtet beispielsweise ein Rieder. Spätestens um fünf Uhr morgens müsse man zur Straßenseite alle Fenster zumachen.
Alle sind sich einig: „Man muss irgendwas finden, dass man die Autofahrer ausbremst.“Planer Hans Brugger bekennt offen, dass er kein Patentrezept parat hat. Er will jedoch dokumentieren, dass die Verkehrsbelastung viele sehr berührt. „Damit können wir gegenüber dem Baulastträger Druck aufbauen.“Denn ein paar konkrete Ideen gibt es schon. Doch weil diese eine Staatsstraße betreffen, braucht es die Einwilligung des Staatlichen Bauamtes. Brugger blickt vom Rathausvorplatz auf die Einmündung der Sirchenrieder Straße und zeigt einen Plan. Große Bäume links und rechts könnten den Straßenraum optisch verengen und die Autofahrer instinktiv zum Abbremsen bringen. Den Effekt könnte eine Pflasterung des gesamten Kreuzungsbereiches noch verstärken (siehe Grafik).
„Wir wollen diesen ganzen Bereich vielleicht einmal komplett überplanen“, erläutert Gerstlacher. Dafür brauche es möglicherweise noch zusätzliche Grundstücke und etwas Zeit zum Reifen. Der Bürgermeister schloss die Veranstaltung mit dem Fazit: „Der große Knackpunkt ist der Verkehr: Daran müssen wir arbeiten – und das tun wir auch!“