Tränen im Kino
Wer auch immer etwas über die Wirkkraft des Kinos schreiben will, kommt an diesem lichten Bekenntnis des sonst so rätselhaft düsteren Franz Kafka nicht vorbei: „Im Kino gewesen. Geweint.“Schön, oder? Neulich jedenfalls den ganz schön guten „A Star Is Born“mit Lady Gaga und einem sehr tragischen Ende gesehen – und in der Sitzreihe dahinter musste bzw. konnte eine Besucherin so hemmungslos heulen, dass es eine Freude war. Aber nein: Natürlich nicht zu ihr umgedreht! Denn zu dieser intimen Äußerung an einem öffentlichen Ort gehört im Gegensatz zum Lachen in Komödien eben nicht das Miteinander. Wer im Kino weint, muss für sich weinen können. Und das passiert im Dunkel vor der Leinwand (vielleicht, weil es weniger Gesellschaftsevent ist) weit häufiger als in Theater oder Oper.
Und doch wird man durch seine Tränen kenntlich. Das mag gerade Männern einst bewusst geworden sein. Wenn sie etwa, noch jugendlich, mit dem Fußballkumpel in „Der Club der toten Dichter“saßen und, von der Tragödie um den talentierten Neil Perry übermannt, einfach weinen mussten – und dann des irritierten Blicks von nebenan gewahr wurden. Oder wenn sie, noch pubertierend, zu cool waren, um die Tränen der Angebeteten zu Leonardos Sterbenszene in „Titanic“nicht lässig zu ironisieren – und dann des herzenstief enttäuschten Blicks von nebenan gewahr wurden. Oder wenn sie – erwachsener schon – in „Stolz und Vorurteil“das endliche Glück der Rosamund Pike als Jane Bennet beim Antrag ihres Mr. Bingley zu Tränen rührte – und dann endlich egal war, wer von nebenan wie blickte. Oder in „The Broken Circle“… Oder in „Manchester by the Sea“… Völlig willkürliche Auswahl natürlich.
Oder ja, nun ja, na gut, man wird eben kenntlich durchs Heulen. Und als Mann vielleicht immer noch ein bisschen mehr.