Klassische Oper modern inszeniert
Humperdincks „Hänsel und Gretel“erntet für verfeinerte Technik großen Applaus
Mering Zeitlos – dieses Wort fällt einem nach diesem Abend im Opernhaus Multum in Parvo ein. Weil hier alles so war, wie es sein soll: Das Lebkuchenhaus war da, die böse Hexe, der Bretterkäfig, der dunkle deutsche Wald und das herzige Heim von Hänsel und Gretel in der gleichnamigen Oper von Engelbert Humperdinck. Die Intendanten Christine Schenk und Benno Mitschka hatten bereits vor Beginn der Aufführung dafür gesorgt, dass der Musiklehrer und Dirigent Robert Wieland und Sohn Maximilian die Gästeschar mit dem „Abendsegen“begrüßten und so auf Humperdinck einstimmten. „Ich weiß nicht, ob man eine Wiederaufnahme Premiere nennen kann“, gestand Christine Schenk bei ihren einleitenden Worten. „Aber wir nennen es absichtlich so, da so vieles neu ist.“Damit spielte sie auf die „große Bühne“und die komplexe Technik an. Die auf 80 Minuten gekürzte Aufnahme von Artur Rother mit Erna Berger als Gretel und die liebevoll bemalten und beleuchteten Figuren taten das Übrige, um diese Premiere erinnerungswürdig zu machen.
„Wenn auch diese Art von Theater schon sehr alt ist, so mische ich sie mit neuester Technik“, gab der studierte Germanist und Theaterwissenschaftler Benno Mitschka einen kleinen Einblick in die technischen Raffinessen. So werden die digitalisierten Hintergründe mit einem Beamer auf die Leinwand projiziert. DMX-gesteuerte Nebelmaschinen mit zweierlei Nebel werden genau im richtigen Moment abgespielt. Musik, Technik und die von Hand gespielten Papierfiguren sind also genauestens aufeinander abgestimmt. Es kostete die Theaterleute viele Wochen, diese Perfektion hinzubekommen. Aber die Verzahnung der Computeranimationen und des Figurenspiels sei das A und O einer gelungenen Papiertheater-Oper, so Theatermann Benno Mitschka.
Schon am Anfang der Humperdinck-Oper, die das Leben des Besenbinders und seiner Frau, die beide sehr viel arbeiten, erleben lässt, der Moment, wenn die Kinder „Suse, liebe Suse“singen, entführt die Zuschauerinnen und Zuschauer in eine Welt der Träume. Hier kann man sich fallenlassen. Der bekannte Ohrwurm wird nur getoppt von „Brüderchen, komm, tanz mit mir“. Die Musikstücke „Ein Männlein steht im Walde“und „Knusper, knusper“erzeugen eine gespenstische, etwas unheimliche Atmosphäre. Rückprojektionen machen es möglich, dass Figuren wie die Engel beim „Abendsegen“wie aus dem Nichts erscheinen. Die ausgetüftelte Lichttechnik ist dafür verantwortlich, dass die Raumtiefe, die ja das zentrale Element beim Papiertheater für die Schaffung der perfekten Illusion ist, noch mehr verstärkt wird. Die reale Tiefe der Bühne beträgt ungefähr 1,50 Meter, bei der Aufführung wirkte sie aber durch all die Spiegelungen und technischen Täuschungen wie fünf Meter.
So hatte das Figurenspiel „Hänsel und Gretel“alles, was den Kanon klassischer Opern ausmacht. Und noch ein bisschen mehr: ein unvergessliches Erlebnis und das Gefühl, etwas „Wertvolles“mit nach Hause genommen zu haben. Der Applaus war entsprechend. Bei der anschließenden Premierenfeier verschaffte der gute Freund des Hauses, Sergej Surin, Autor, Lehrer und Komponist aus Sankt Petersburg, seinem russischen Herzen mit wundervollen Klavierklängen und einem wehmütigen Lied Erleichterung.