Spahns Knaller im Wahlkampf
Was steckt hinter dem Vorstoß, Kinderlose stärker zu belasten?
Berlin Im parteiinternen Wahlkampf um den CDU-Vorsitz hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Vorschlag, Kinderlose sollten in der Renten- und Pflegeversicherung noch höher belastet werden als Eltern, ein emotional aufgeladenes Thema auf die Tagesordnung gebracht, das auch seine Koalitionspartner provoziert. SPDArbeitsminister Hubertus Heil sprach postwendend von einer „schrägen Idee“. Spahn wolle Kinderlose bestrafen, zumal Kinderlosigkeit oft auch ungewollt sei. Und auch die CSU reagiert reserviert: „In der Pflegeversicherung ist das bereits Praxis, momentan sehe ich darüber hinaus keinen Handlungsbedarf“, sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein unserer Zeitung. Allerdings halte er die Diskussion darüber „für durchaus legitim“.
Spahn hatte in einem Zeitungsgastbeitrag einen solchen höheren Beitrag für Kinderlose gefordert; das sei eine Gerechtigkeitsfrage. Er sage dies bewusst als „selbst Kinderloser“, der bereit sei, finanziell mehr zur Zukunftsfähigkeit des Systems beizutragen, fügte der CDU-Politiker hinzu. Fest steht: Bereits seit 2005 zahlen Kinderlose zwischen 23 und 64 Jahren einen Zuschlag von 0,25 Prozentpunkten in der Pflegeversicherung. Zum 1. Januar 2019 soll der Beitragssatz für Eltern um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens steigen, Beitragszahler ohne Kinder müssen dann 3,3 Prozent zahlen.
In der Rentenversicherung gibt es diese Differenz nicht. „Menschen, die sich für Kinder entscheiden, tun das nicht wegen ihrer Alterssicherung“, sagt der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth. Das werde auch immer so bleiben. „Wer die Rente stabil halten will, schafft das nicht, indem er Kinderlose bestraft, die aus unterschiedlichsten Gründen kinderlos geblieben sind.“In der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits sind Kinder bis zu einem gewissen Alter über ihre Eltern beitragsfrei mitversichert – Kinderlose finanzieren auf diese Weise also auch indirekt die Gesundheitsleistungen für Familien mit.
Werden Kinderlose bestraft, wenn sie höhere Beiträge zahlen? Oder werden nicht vielmehr Eltern doppelt bestraft, wenn sie in den Sozialversicherungen ebenso hoch belastet werden und zugleich durch ihre Kinder und ihre Erziehungsleistung die Zukunft der Versicherungen garantieren? Darüber wogt schon seit Jahrzehnten ein Streit. Dass Kinderlose schon heute in der Pflegeversicherung mehr zahlen, geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2001 zurück. Die Karlsruher Richter verpflichteten damals den Gesetzgeber, die Erziehungsleistung von Familien im System der Pflegeversicherung anzuerkennen und dabei Eltern in der aktiven Familienphase zu entlasten.