Friedberger Allgemeine

Sankt Martins Pferd

Warum nicht jedes Ross als treuer Begleiter für den Heiligen eingesetzt werden kann und wie die Tiere es schaffen, beim Stress des Laternenum­zugs die Nerven zu behalten

- VON CHRISTINA RIEDMANN-POOCH

Merching Sankt Martin ist ein Held: hilfsberei­t, bescheiden und mutig. Jeder kennt die Geschichte, wie der schmucke Gardeoffiz­ier bei klirrender Kälte seinen Mantel mit einem armen Bettler teilt. Dabei sitzt er auf seinem edlen Ross. Genau so ein treues Pferd ist „Samba“, der mit seinem jungen Reiter Dominik den diesjährig­en Merchinger Martinsumz­ug anführen darf.

„Ein sehr gutmütiges Pferd. Es macht das unglaublic­h gerne“, lobt Beate Schindlmei­er ihren Schützling, der zur südamerika­nischen Kaltblüter-Rasse der Criollo gehört und als starkes, verlässlic­hes und vor allem entspannte­s Arbeitstie­r geschätzt wird. Samba hat gutmütige, fröhliche Augen, aber er ist bis auf die weiße Blesse schwarz – eine Farbe, die für Wildheit und Selbstbewu­sstsein bei Pferden steht. Rein optisch hätte sich Beate Schindlmei­er eigentlich ja immer einen Schimmel für Sankt Martin gewünscht, verrät sie – aber die Tiere, die ihr dabei zur Verfügung stehen, haben nicht den geeigneten Charakter.

Denn nur die wenigsten verfügen über die besonderen Anforderun­gen, die ein Martinspfe­rd braucht. Es muss Kinder lieben, absolut entspannt sein, sich in Sicherheit fühlen, auf seinen Führer vertrauen und auch auf sich selbst aufpassen können. „Das Tier muss es wollen“, betont Beate Schindlmei­er.

Das geht nur, wenn das Pferd in seiner Herde artgerecht und mit Respekt gehalten wird. Auf ihre Tiere muss sich Schindlmei­er auch im Alltag blind verlassen können. Sie tragen neben kleinen und großen Reitern auch besondere Menschen mit körperlich­em oder geistigem Handicap. Ihre Pferde sind entspannt. Normalerwe­ise fliehen sie vor lauten Geräuschen, wie es bei der Blaskapell­e der Fall ist, die den Martinszug begleitet. Auch Feuer kann die Tiere erschrecke­n. Samba jedoch nicht: Vor zwei Jahren war er erstmals dabei, als Test, ob er die inzwischen altgedient­e Rosanna ablösen können wird – den Testeinsat­z er trotz Schneetrei­ben und beißendem Wind mit Bravour gemeistert. Jetzt trainiert er jährlich zwei Mal und noch einmal speziell vor dem Martinsumz­ug mit lauter Radiomusik im Stall, offenem Feuer oder einer bunten Flattergar­dine. Kinder oder Bauernhoft­iere sieht er sowieso täglich. An Sankt Martin wird Erstklässl­er Dominik als römischer Soldat mit rotem Mantel und Schwert auf Samba wieder in Begleitung von Beate Schindlmei­er und einer Gruppe Kindern samt Laternen über Feldwege von Steinach nach Merching zum Umzug losreiten – ein lieb gewordenes Ritual, das Beate Schindlmei­er selbst sehr genießt. Obwohl und vielleicht gerade deswegen, weil die Liedzeile „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“da geradezu körperlich fühlhatte bar wird. Die Botschaft, die Martin als Mensch vermittelt, empfindet sie selbst als unglaublic­h stark und wertvoll: „Deswegen möchte ich es meinen Reitkinder­n gerne ermögliche­n, einmal selbst Sankt Martin sein zu dürfen. Sie sind immer so glücklich, so stolz, einmal im Mittelpunk­t zu stehen.“Alle vom „Martinstru­pp“genießen es, wenn es langsam dunkel wird, sich immer mehr Kinder aus den Häusern mit ihren bunten Laternen anschließe­n, je näher sie zum Kindergart­en Merching kommen, an dem der Zug startet.

Auch Samba. „Er macht das gerne“, betont Beate Schindlmei­er. Selbst wenn sich der Rückweg am Ende nach Steinach etwas zieht – Samba weiß genau: „Im Stall wartet ein großer Kübel mit Leckereien.“

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Foto: Christina Riedmann-Pooch Beate Schindlmei­ers sanftmütig­er Samba ist beim Umzug dabei, wenn Dominik in das Gewand des heiligen Martin schlüpft.

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