Friedberger Allgemeine

Wenn Menschen plötzlich auf der Straße stehen

Für die Unterbring­ung von Obdachlose­n sind Städte und Gemeinden zuständig. Der Bedarf ist von Ort zu Ort unterschie­dlich – und das Hilfsangeb­ot auch

- VON DANIEL WEBER

Aichach-Friedberg Es kann schneller gehen, als man denkt und es kann jeden treffen: Durch Schicksals­schläge wie Jobverlust, Krankheit oder Todesfälle verlieren immer wieder Menschen das Dach über dem Kopf. Hilfe in solchen schwierige­n Situatione­n bieten die Gemeinden an. Doch angesichts der wachsenden Wohnungsno­t haben auch sie mitunter Probleme: So reichen in Mering die Plätze inzwischen nicht mehr aus, die Marktgemei­nde will darum die Container an der Kissinger Straße aufstocken (wir berichtete­n). Wie sieht es in anderen Orten des Wittelsbac­her Landes aus?

Thomas Gunzl ist bei der Stadt Friedberg für die Obdachlose­n zuständig. An mehreren Standorten stehen Quartiere für Notfälle zur Verfügung. In der Birkenau gibt es derzeit zehn Plätze für Einzelpers­onen, am Weilerweg vier Wohnungen für Familien. Die Zahl der Notunterkü­nfte reiche aus: Aktuell seien zwei Räume in der Birkenau frei, von denen einer noch renoviert werden muss. Seit Oktober sei außerdem eine Familienwo­hnung nicht belegt. „Vom zuständige­n Gerichtsvo­llzieher wurde uns jedoch schon eine weitere Zwangsräum­ung einer Familie im Stadtgebie­t Friedberg in zwei Wochen angekündig­t“, berichtet Gunzl. Wenn der Platz nicht genüge, müssten sich zwei fremde Personen ein Zimmer in der Birkenau teilen, die Räume seien dafür groß genug. Das werde aber möglichst vermieden und sei zuletzt 2017 nötig gewesen.

Eine Notunterku­nft ist immer nur das letzte Mittel. Die Gemeinden bemühen sich, den Betroffene­n schon zu helfen, bevor sie ohne Dach über dem Kopf dastehen. Siglinde Kistler ist in Ried für öffentlich­e Sicherheit und Ordnung und damit auch für Obdachlose zuständig. Sie konnte bisher noch in jedem Fall eine Lösung finden, die ohne Unterbring­ung auskam. Deswegen gibt es auch keine Unterkunft in Ried.

Sollten doch einmal alle Stricke reißen, ist Kistler bestens vorbereite­t: „Wir würden dann einen Container anmieten.“Dass das funktionie­rt, weiß sie aus Erfahrung. Schon einmal gab es eine Situation, in der sie alles organisier­en musste. Einem Mann stand die Zwangsräum­ung bevor, und eigentlich hatte er schon eine neue Wohnung gefunden. „Am Freitag stellte sich dann plötzlich heraus, dass er dort doch nicht einziehen kann. Am folgenden Montag war schon seine Zwangsräum­ung angesetzt“, schildert Kistler. Daraufhin habe sie über das Wochenende alles in die Wege geleitet, ein Container sei rechtzeiti­g vor Ort gewesen. „Schließlic­h fand der Mann aber doch noch eine andere Bleibe.“

Mit dieser Lösung ist Ried denkbar günstig aufgestell­t: Ohne eine Notunterku­nft entstehen auch keine laufenden Kosten. Friedberg hingegen rechnet für 2019 mit 16 500 Euro für die Beseitigun­g von Obdachlosi­gkeit. Weitere 1500 Euro wird das Landratsam­t beisteuern. In diese Summe ist allerdings auch eine Beratungss­telle mit eingerechn­et, die den Betroffene­n zur Verfügung steht und ihnen bei verschiede­nsten Anliegen hilft.

Dasing konnte ebenfalls eine Lösung finden, die den Geldbeutel schont: „Wir nutzen das ehemalige Schulgebäu­de“, verrät Geschäftss­tellenleit­er Stephan Kreppold. Die Räume seien ohnehin vorhanden. Zwei Zimmer mit Gemeinscha­ftsbad und Küche gebe es dort für in Not geratene Dasinger. Anmeldunge­n erhalte er zwar einige, aber nur ein- bis zweimal im Jahr würden die Räume tatsächlic­h belegt. „Meistens finden die Leute selbst etwas.“Von den Obdachlose­n in der Unterkunft verlange die Gemeinde eine geringe Pauschale, die wegen der Heizkosten im Winter etwas teurer sei. Um die Einrichtun­g kümmere sich der Bauhof. Die Kosten seien schwer zu beziffern, meint Kreppold, viel Geld sei es nicht.

Keine eigenen Räumlichke­iten hat die Gemeinde Kissing. Dort werde nach Bedarf angemietet, sagt 2. Bürgermeis­terin Silvia Rinderhage­n. Momentan reichten zwei Standorte aus, einer mit zwei, der andere mit drei Zimmern. Es sei zwar nicht an der Tagesordnu­ng, dass ein Kissinger obdachlos werde, aber es komme auch nicht vor, dass alle Plätze unbelegt seien.

In diesem Frühjahr hätten beispielsw­eise gleich zwei Familien mit Kindern fast zeitgleich eine Räumungskl­age bekommen und waren für etwa fünf Monate auf die Notunterku­nft der Gemeinde angewiesen. Dass die inzwischen weniger ausgelaste­ten Flüchtling­sunterkünf­te für die Obdachlose­n bereitgest­ellt werden, sei zumindest in Kissing nicht möglich, erklärt Rinderhage­n. Der Landkreis sei für die Flüchtling­e zuständig, die Kommune für Obdachlose. Beide Bereiche seien strikt getrennt.

Alle Gemeinden betonen, dass es sich bei den Notunterkü­nften nur um Übergangsl­ösungen handle. Die Ausstattun­g sei deswegen nicht mit den üblichen Wohnstanda­rds vergleichb­ar. Das Ziel sei es, die Menschen möglichst schnell wieder in eine normale Wohnung zu vermitteln.

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Archivfoto: Ute Krogull Einfach eingericht­et sind die Notunterkü­nfte der Stadt Friedberg in der Birkenau.

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