Wenn Menschen plötzlich auf der Straße stehen
Für die Unterbringung von Obdachlosen sind Städte und Gemeinden zuständig. Der Bedarf ist von Ort zu Ort unterschiedlich – und das Hilfsangebot auch
Aichach-Friedberg Es kann schneller gehen, als man denkt und es kann jeden treffen: Durch Schicksalsschläge wie Jobverlust, Krankheit oder Todesfälle verlieren immer wieder Menschen das Dach über dem Kopf. Hilfe in solchen schwierigen Situationen bieten die Gemeinden an. Doch angesichts der wachsenden Wohnungsnot haben auch sie mitunter Probleme: So reichen in Mering die Plätze inzwischen nicht mehr aus, die Marktgemeinde will darum die Container an der Kissinger Straße aufstocken (wir berichteten). Wie sieht es in anderen Orten des Wittelsbacher Landes aus?
Thomas Gunzl ist bei der Stadt Friedberg für die Obdachlosen zuständig. An mehreren Standorten stehen Quartiere für Notfälle zur Verfügung. In der Birkenau gibt es derzeit zehn Plätze für Einzelpersonen, am Weilerweg vier Wohnungen für Familien. Die Zahl der Notunterkünfte reiche aus: Aktuell seien zwei Räume in der Birkenau frei, von denen einer noch renoviert werden muss. Seit Oktober sei außerdem eine Familienwohnung nicht belegt. „Vom zuständigen Gerichtsvollzieher wurde uns jedoch schon eine weitere Zwangsräumung einer Familie im Stadtgebiet Friedberg in zwei Wochen angekündigt“, berichtet Gunzl. Wenn der Platz nicht genüge, müssten sich zwei fremde Personen ein Zimmer in der Birkenau teilen, die Räume seien dafür groß genug. Das werde aber möglichst vermieden und sei zuletzt 2017 nötig gewesen.
Eine Notunterkunft ist immer nur das letzte Mittel. Die Gemeinden bemühen sich, den Betroffenen schon zu helfen, bevor sie ohne Dach über dem Kopf dastehen. Siglinde Kistler ist in Ried für öffentliche Sicherheit und Ordnung und damit auch für Obdachlose zuständig. Sie konnte bisher noch in jedem Fall eine Lösung finden, die ohne Unterbringung auskam. Deswegen gibt es auch keine Unterkunft in Ried.
Sollten doch einmal alle Stricke reißen, ist Kistler bestens vorbereitet: „Wir würden dann einen Container anmieten.“Dass das funktioniert, weiß sie aus Erfahrung. Schon einmal gab es eine Situation, in der sie alles organisieren musste. Einem Mann stand die Zwangsräumung bevor, und eigentlich hatte er schon eine neue Wohnung gefunden. „Am Freitag stellte sich dann plötzlich heraus, dass er dort doch nicht einziehen kann. Am folgenden Montag war schon seine Zwangsräumung angesetzt“, schildert Kistler. Daraufhin habe sie über das Wochenende alles in die Wege geleitet, ein Container sei rechtzeitig vor Ort gewesen. „Schließlich fand der Mann aber doch noch eine andere Bleibe.“
Mit dieser Lösung ist Ried denkbar günstig aufgestellt: Ohne eine Notunterkunft entstehen auch keine laufenden Kosten. Friedberg hingegen rechnet für 2019 mit 16 500 Euro für die Beseitigung von Obdachlosigkeit. Weitere 1500 Euro wird das Landratsamt beisteuern. In diese Summe ist allerdings auch eine Beratungsstelle mit eingerechnet, die den Betroffenen zur Verfügung steht und ihnen bei verschiedensten Anliegen hilft.
Dasing konnte ebenfalls eine Lösung finden, die den Geldbeutel schont: „Wir nutzen das ehemalige Schulgebäude“, verrät Geschäftsstellenleiter Stephan Kreppold. Die Räume seien ohnehin vorhanden. Zwei Zimmer mit Gemeinschaftsbad und Küche gebe es dort für in Not geratene Dasinger. Anmeldungen erhalte er zwar einige, aber nur ein- bis zweimal im Jahr würden die Räume tatsächlich belegt. „Meistens finden die Leute selbst etwas.“Von den Obdachlosen in der Unterkunft verlange die Gemeinde eine geringe Pauschale, die wegen der Heizkosten im Winter etwas teurer sei. Um die Einrichtung kümmere sich der Bauhof. Die Kosten seien schwer zu beziffern, meint Kreppold, viel Geld sei es nicht.
Keine eigenen Räumlichkeiten hat die Gemeinde Kissing. Dort werde nach Bedarf angemietet, sagt 2. Bürgermeisterin Silvia Rinderhagen. Momentan reichten zwei Standorte aus, einer mit zwei, der andere mit drei Zimmern. Es sei zwar nicht an der Tagesordnung, dass ein Kissinger obdachlos werde, aber es komme auch nicht vor, dass alle Plätze unbelegt seien.
In diesem Frühjahr hätten beispielsweise gleich zwei Familien mit Kindern fast zeitgleich eine Räumungsklage bekommen und waren für etwa fünf Monate auf die Notunterkunft der Gemeinde angewiesen. Dass die inzwischen weniger ausgelasteten Flüchtlingsunterkünfte für die Obdachlosen bereitgestellt werden, sei zumindest in Kissing nicht möglich, erklärt Rinderhagen. Der Landkreis sei für die Flüchtlinge zuständig, die Kommune für Obdachlose. Beide Bereiche seien strikt getrennt.
Alle Gemeinden betonen, dass es sich bei den Notunterkünften nur um Übergangslösungen handle. Die Ausstattung sei deswegen nicht mit den üblichen Wohnstandards vergleichbar. Das Ziel sei es, die Menschen möglichst schnell wieder in eine normale Wohnung zu vermitteln.