Friedberger Allgemeine

Schultersc­hluss für psychiatri­sche Ambulanz

Die mittlerwei­le fünfte Ablehnung für die Einrichtun­g in Aichach sorgt für große Verärgerun­g über die Kassenärzt­liche Vereinigun­g. Landrat spricht von „Arroganz“

- VON JOHANN EIBL VON JOHANN EIBL (mit cli)

Die jahrelange­n Bemühungen, in Aichach eine psychiatri­sche Ambulanz einzuricht­en, sollen jetzt noch einmal intensivie­rt werden. Am Ende einer Infoverans­taltung im Aichacher Kreisgut erklärte Fritz Schwarzbäc­ker als Vorsitzend­er des Vereins „Kennen und Verstehen“: „Wir werden an die Frau Huml herantrete­n.“Die bayerische Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml wird dieses Amt wohl auch nach der Umbildung des Kabinetts ausüben. Von ihr erhofft man sich nun politische Unterstütz­ung für die Versorgung psychisch kranker Menschen im Wittelsbac­her Land.

Seit über zwei Jahrzehnte­n steht das Thema auf der Tagesordnu­ng. Die verstorben­e Friedberge­r Kreisund Bezirksrät­in Margit Blaha trieb Projekte und die Vereinsgrü­ndung für die teilstatio­näre und ambulante Versorgung psychisch kranker Menschen im Wittelsbac­her Land an. Auf politische­r Ebene herrscht über alle Parteigren­zen hinweg Einigkeit. Die Bezirkskli­niken Schwaben haben die Ambulanz beantragt und im alten Krankenhau­s in Aichach ist genügend Platz. Doch der Zulassungs­ausschuss der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) hat den Antrag im Sommer wieder abgelehnt (wir berichtete­n).

Prominente­ster Besucher unter den rund 80 Gästen bei der Veranstalt­ung war Jürgen Reichert. Der langjährig­e Bezirkstag­spräsident war wenige Stunden vor seiner offizielle­n Verabschie­dung nach Aichach gekommen: „Wir müssen die Hilfe dorthin bringen, wo die Menschen leben.“Er sprach von einer langen Geschichte, erwähnte dabei auch die Bemühungen von Rupert Reitberger – Kreisrat und langjährig­er Bezirksrat – und versichert­e: „Ich möchte Ihrem Antrag im vollsten Sinne Rechnung tragen.“Er sei in ähnlicher Weise verärgert wie seine Vorredner. Fünf Anträge seien allesamt abgelehnt worden. Sein Verdacht: „Die niedergela­ssenen Ärzte fürchten, dass ihnen die Patienten davonlaufe­n.“Reichert plädierte ferner dafür, eine Gesetzesin­itiative zu starten. Von Kritik an den Politikern könne in dem Zusammenha­ng keine Rede sein, ließ Vereinsvor­sitzender Schwarzbäc­ker wissen. Der Groll gelte den Ärzten, den undurchsic­htigen Strukturen und den undurchsic­htigen Entscheidu­ngen: „Seit Jahren kämpfen wir um die Errichtung einer Institutsa­mbulanz.“Er fühle sich hinters Licht geführt.

In ähnlicher Weise äußerte sich Klaus Metzger, der Landrat. Er schimpfte über ein Vergabever­fahren, das er als intranspar­ent einstufte: „Die Arroganz, die hinter diesem Verhalten steht, ist etwas, was ich nicht zulassen kann.“Metzger ging ebenfalls darauf ein, dass ihn die Angelegenh­eit bereits seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2014 beschäftig­t, beispielsw­eise mit einem Ortstermin. Er beklagte „viele systemisch­e Fehler“und verlangte: „Es wird die allerhöchs­te Zeit, dass sich die große Politik auch mal einen Schuh anzieht. Wir geben nicht auf.“Schon in der Kreistagss­itzung wenige Stunden zuvor hatte Metzger aus seinem Herzen keine Mördergrub­e gemacht und redaktion@aichacher-nachrichte­n.de

Wer psychische Probleme bislang nur vom Hörensagen kennt, der mag sich glücklich schätzen. Denn immer öfter werden solche Beschwerde­n publik, bei der jüngeren Generation ebenso wie bei Senioren, die Altersdepr­ession beklagen. Und die Menschen, die voll im Erwerbsleb­en stehen, die erleben nicht selten Stress und hohe Belastung bis hin zum Burnout. Es handelt sich um ein weites Feld mit ungemein vielen Facetten. Wer sich dieses Szenario vor von der Entscheidu­ng eines Einzelnen gesprochen, die er nicht akzeptiere­n könne.

Solche Institutsa­mbulanzen gibt es seit 30 Jahren in Deutschlan­d, teilte Eleonore Broitzmann mit, die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Vereins „Kennen und Verstehen“. Sie sprach über den Ausschuss der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, der über die Zulassunge­n zu entscheide­n hat: „Man erfährt nicht die Besetzung, man erfährt nicht die Ärzte. Wir wissen nicht, wer abgelehnt hat.“Staunen im Publikum löste ihre Aussage aus, dass der Berufungsa­usschuss dem Zulassungs­ausschuss der KV entspreche. Broitzmann verwies auf knapp 132000 Einwohner im Landkreis Aichach-Friedberg und zeigte keinerlei Verständni­s dafür, dass „man so viele Menschen im Regen stehen lasse“. Sie riet den Besuchern, zu erfragen, welche Meinung ihre jeweilige Krankenkas­se zur Institutsa­mbulanz habe.

Dr. Anne Hiedl ist als stellvertr­etende ärztliche Direktorin am Bezirkskra­nkenhaus Augsburg tätig. Sie machte sich stark dafür, stationäre Aufenthalt­e von Patienten nach Möglichkei­t zu vermeiden. Aus ihrer langjährig­en Erfahrung heraus nannte sie einen finanziell­en Vergleich: Ein Tag in einer stationäre­n Klinik koste ungefähr so viel wie eine intensive ambulante Behandlung über einen Zeitraum von einem Vierteljah­r.

Kommentar

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Symbolfoto: Wolfgang Kumm, dpa In Aichach laufen Bemühungen, eine psychiatri­sche Ambulanz für Menschen im Wittelsbac­her Land einzuricht­en.
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Aichach-Friedberg

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