Let’s party: Mit Flamenco-Rhythmen durch die Nacht
Bei einem Song der Gipsy Kings singen am Samstag im Kongress am Park fast alle Gäste mit. Was Queen Gala zu tun hat, warum ein Kleid jahrelang auf seinen Einsatz warten musste und wieso Zitronen gleich mehreren Menschen Freude machen
Die Ballfarbe Grün? Scheint ein Volltreffer zu sein. Überall an diesem Abend die Farbe der Hoffnung: Frauen tragen Kleider in allen Grün-Nuancen, Männer farblich passende Fliegen und Einstecktücher. „Ich war so froh, als ich von dieser Ballfarbe erfahren habe. So konnte ich das Kleid ausführen, das ich neulich zufällig in einem Laden sah“, sagt eine Besucherin. Glück muss frau haben...
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Grün auch der Roulette-Tisch im Presseball-Casino. Blitzschnell kreiselt die weiße Kugel durch den Kessel, Elke Schwender beobachtet ihren Weg genau. Dann verringert die Kugel ihr Tempo und fällt in eines der nummerierten Fächer. Bei Elke Schwender folgt Ernüchterung: Nichts war es mit einem Gewinn. Der Chip lag auf dem falschen Feld. Diesmal. Denn es gab auch schon erfolgreiche Runden, sagt die Besucherin. Also auf in ein neues Spiel. Die Nacht ist lang...
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... und hält die eine oder andere Premiere parat. Wie etwa für das Kleid von Petra Lug. Den Traum in lindgrüner indischer Seide mit gelbem Muster und pinken Bommeln hat sie in Dubai erstanden und umarbeiten lassen. So hing es einsatzbereit und unangetastet im Schrank – viele Jahre, bis jetzt. „Eigentlich wollte ich ein lilafarbenes Kleid anziehen. Dann wurde die Ballfarbe bekannt gebeben. Damit war klar, welches Kleid ich tragen werde.“
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Es gibt viele Hingucker an diesem Abend. Daniela Kafka trägt einen silbergrauen Faszinator. Dieser festliche Kopfschmuck ist nicht erst seit den Königshochzeiten in Großbritannien der letzte Schrei. „Ich trage meinen zu vielen Anlässen, wie eben dem Presseball“, erzählt die Ballbesucherin. Petra Kahn und Tochter Jasmin vom Modegeschäft „Kaufrausch“glitzern um die Wette. „Wir gehen immer als Duo, das modisch zusammenpasst. Diesmal wollten wir Glitzerkugeln sein“, sagt Petra Kahn, die ein Oberteil mit großen silbernen Pailletten zum schwarzen Rock trägt. Ihre Tochter kombiniert eine Hose aus denselben Pailletten mit schwarzem Frackkleid. Die Oma ist bei dem Outfit ebenfalls mit von der Partie: Tochter Jasmin trägt Ohrringen von der Großmutter.
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Flink fliegen Nadel und Faden durch den feinen Zwirn des Herrenanzugs und setzen den verloren gegangenen Knopf wieder an seine Stelle. Kurz darauf das gleiche Spiel beim rot schimmernden Ballkleid einer Besucherin. Der Saum muss aufgefangen werden, ehe er sich weiter löst. Für Schneidermeisterin Nicola Müller vom Modehaus Jung kein Problem. Sie ist im Untergeschoss der Kongresshalle bei kleinen Malheurs mit der Garderobe behilflich und an diesem Abend immer wieder eine gefragte Anlaufstelle.
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Für das Restaurant Mille Miglia ist der Presseball Familiensache: Carmela und Vito Ruggeri, ihr Sohn Marco mit Freundin, die Tochter mit Freund und der Koch natürlich. Es ist ja schließlich nicht irgendein Abend. Und so haben die Gäste die Wahl zwischen Roastbeef aus dem Piemont, Tagliarini mit Scampi oder der Lasagne della Mama. Familiensache eben. Wer noch mehr Auswahl will, schlendert weiter. Etwa zur Currywurst Royale (Nuno), zu Flammkuchen mit Trüffel (Feinkost Kahn), Süßem der Konditorei Schenk oder flüssigen Spezialitäten von August Gin. Oder Sushi von Phong Sakura, der unter anderem ein Lokal am Stadtmarkt betreibt. Besonders gefragt: California Rolls unter anderem mit Salat, Avocado, Fisch, Seetang und etwas Kaviar. Und auch Jean Pierro Borrelli vom La Bomba hat einen Renner parat: „Pata negra“. Roher Schweineschinken aus Spanien mit einem herrlich nussigen Geschmack. Eine kulinarische Weltreise, dieser Presseball.
*** Apropos Kulinarik: Wer diese Vielfalt im Sitzen genießen möchte, lässt sich sein Essen von drei Starköchen auftischen: Christian Henze, Simon Lang (Drei Mohren) und Thomas Abele (Feinkost Kahn) kombinieren ihr Können zum Presseball-Menü. Wie gut, dass man die Kalorien gleich wieder wegtanzen kann.
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Und dann gönnt man sich auch ein Gläschen an einem solchen Abend. Oder zieht sich eine Flasche aus dem Automaten. Aus dem Automaten? Auf einem Galaball? Ja, genau das. Der metallene Champagner-Spender steht im Kongress am Park abseits der edlen Champagner-Bar. Ein netter Gag, doch die meisten lassen sich doch lieber einschenken. Man wird sich ja mal bedienen lassen dürfen an so einem Abend.
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Kurz vor Mitternacht gibt Auktionator Georg Rehm alles – schließlich geht es um den guten Zweck. Er versteigert ein Bild des Künstlers Stefan Szczesny. Der Maler ist Gast des Balls und hat ein Kunstwerk gestiftet, ein Stillleben mit Zitronen. Der Erlös fließt an die Stiftung Kartei der Not. Bei 7000 Euro geht der Zuschlag an Pilar Casademont. Die Münchnerin freut sich sichtlich, reckt kurz ihre Arme nach oben und ballt die Fäuste. Sie ist mit ihrem Mann zum ersten Mal auf dem Presseball. Sie wusste, dass ein Bild von Szczesny versteigert wird. Und als sie es sah, sagte ihr die frische, farbenfrohe Gestaltung sofort zu. Sie entschied sich, mitzubieten. Wo das Bild hängen wird, ist noch nicht klar. Es gibt einen möglichen Platz zuhause. Ihr Mann, der Arzt Rudolf Becker-Casademont, könnte es sich aber auch gut in seiner Praxis vorstellen. „Wir werden uns einigen“, sagt er lächelnd.
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„Dies ist der Weg zum Lieblingsgetränk der Queen Mum“, steht auf dem Wegweiser zur Gin-Bar. Eine Besucherin läuft schweigsam den langen Gang entlang, bis sie sich schließlich doch umdreht und die Frau hinter sich fragt: „Was ist denn das Lieblingsgetränk von Queen Mum?“„Gin Tonic“, antwortet die hinter ihr. Die Dame vorne ist jetzt beruhigt: „Danke, dann weiß ich nun, was ich gleich bestelle.“
*** Diesmal also Flamenco. Wer Stargast wird, ist beim Presseball ja eine der spannendsten Fragen. 2018 sind es die Gipsy Kings. Als sie ihren Hit „Volare“anstimmen, ist auch die Gin-Bar im Keller der Kongresshalle gefühlt plötzlich ganz nah an der Bühne im großen Ballsaal. Das Konzert wird per Bildschirm auch in andere Säle übertragen. Bei „Volare“klatscht und tanzt fast die ganze Bar. Volare – fliegen. Kann man gedanklich an einem solch schönen Abend auf jeden Fall.
*** „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im Presseballland?“Das fragt sich vielleicht Eva Flemisch, als sie am Kosmetikstand im Foyer einen prüfenden Blick in einen silbernen Handspiegel wirft. Sie hat sich eben ihr Make-up auffrischen lassen – wie so viele Ballbesucherinnen an diesem Abend. „Manche lassen sich nur kurz abpudern, andere bitten um einen Akzent in der Ballfarbe grün“, erzählt Kosmetikexpertin Marina Langenwalter von der Parfümerie Naegele. Schön anzusehen seien ihre Kundinnen. Da mache das Arbeiten gleich umso mehr Spaß.
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Grün, schwarz oder bunt? Meike Goerlich trägt ein dunkelgrünes Kleid, das sie für den letzten Presseball gekauft hatte. Dann geriet ihr auf einer Reise durch Vietnam ein besonders schöner Stoff in die Hände, flugs war daraus ein Gewand gefertigt, das dunkelgrüne Exemplar aus dem Rennen. „Als ich erfahren habe, dass dieses Jahr die Ballfarbe grün ist, musste ich einfach kommen“, erzählt sie. Ihre Freundin Sarah Schmid trägt ein Kleid mit floralem Muster. „Ich mag es eher bunt“, sagt sie. Sie hätte sich auch senfgelb oder bordeaux als Ballfarbe vorstellen können. Und 2019? „Vielleicht Muster oder Blumen?“, überlegt Sarah Schmid. Wer weiß das schon.
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Es geht nichts mehr ohne Handy. In einer Ballnacht schon gar nicht. Auszug aus einem Chat zwischen einem Paar, das sich plötzlich aus den Augen verloren hat: „Wo bist du?“„Champagner-Bar.“„Dann komme ich da hin.“„Nein, lieber in die GinBar. Habe Brigitte getroffen. Sind auf dem Weg nach unten.“„Hallo, ich finde euch da unten nicht!!!“„Sorry, hatte kein Netz. Sind jetzt im Hauptsaal.“„Mir egal. Ich gehe jetzt ins Casino und spiele so lange, bis du mich holst.“
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Am Ende einer langen Nacht dann Solidarität in der Taxischlange. Die ist gut zehn Meter lang, jeder will jetzt am frühen Morgen nach Hause. „Jemand Richtung Kriegshaber? Der kann bei uns mitfahren“, ruft ein Paar. Fahrgemeinschaft mal anders. Die Taxifahrer haben gut zu tun: Erst fahren sie FCA-Fans, die mit dem Zug vom Hoffenheim-Spiel zurückkommen, später PresseballGäste und Honky-Tonk-Besucher. „Ein guter Abend, kommt nur noch selten vor in unserem Geschäft“, sagt einer.