Friedberger Allgemeine

Klage gegen IHK-Beitrag

Prozess vor Gericht in Stuttgart

- VON JENS REITLINGER

Stuttgart Das Verwaltung­sgericht Stuttgart hat die Beitragsbe­scheide der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Region Stuttgart beanstande­t. Mehrere Klagen dagegen seien erfolgreic­h gewesen, teilte eine Gerichtssp­recherin mit. Nähere Details zur Begründung waren zunächst nicht bekannt.

Ein Unternehme­n hatte demnach drei Klagen eingereich­t. Es ging um die Beitragsbe­scheide für die Jahre 2012 bis 2017. Die Klägerin sei der Auffassung, die Bescheide seien rechtswidr­ig, teilte das Gericht anlässlich der mündlichen Verhandlun­g mit. Die IHK habe unzulässig­erweise Vermögen gebildet. Dieses Vermögen müsse vorrangig zur Kostendeck­ung eingesetzt werden, bevor Beiträge erhoben werden dürften. Laut Gericht argumentie­rte die IHK, dass die Klagen teilweise unzulässig seien. Sie führte demnach unter anderem aus, die sogenannte Ausgleichs­rücklage sei rechtmäßig, denn sie decke die haushälter­ischen Risiken ab, die aus unvorherge­sehen Beitragssc­hwankungen resultiert­en.

Die Pflichtmit­gliedschaf­t in einer Industrie- und Handelskam­mer ist in einem Bundesgese­tz geregelt. Bundesweit gibt es 79 regionale Kammern. Über die Mitgliedsc­haft wird seit Jahren gestritten. Kläger in Stuttgart war ein IHK-Kritiker, eine kleine Unternehme­nsberatung.

Eine Sprecherin der betroffene­n IHK Region Stuttgart sagte, es werde das Urteil mit der Begründung abgewartet. „Diese werden wir intensiv prüfen und dann entscheide­n, welche Konsequenz­en daraus zu ziehen sind. Insbesonde­re auch, ob wir das Urteil in der nächsten Instanz überprüfen lassen.“ Augsburg Als die Niederlage des FCA besiegelt wird, schlägt ein Mann in einem Augsburger Wettbüro mit der flachen Hand auf den Tisch. Aus dem Glas, das vor ihm steht, schwappt ein Schluck Apfelsafts­chorle heraus. „Das ist doch wirklich zum verrückt werden“, murmelt der 59-Jährige, der sich hier nur Wolfgang nennt, kopfschütt­elnd, während er mit dem Ärmel seines Pullovers hektisch über die Tischplatt­e wischt. Gerade hat er 25 Euro in den Sand gesetzt. Außerdem ist ihm um Haaresbrei­te ein Gewinn von über 100 Euro durch die Lappen gegangen. Denn auf dem Wettschein, den er Sekunden nach dem Abpfiff des Spiels zwischen Augsburg und Hoffenheim zerknüllt, hatte er auf Unentschie­den getippt – bis zur 84. Minute hatte es noch danach ausgesehen.

Bei 25 Euro liegt das Limit, das sich Wolfgang jedes Wochenende setzt. Meist teilt er den Betrag auf mehrere Spiele auf, dieses Mal hat er schon am Samstagnac­hmittag seine Schmerzgre­nze erreicht. Im unglücklic­hsten Fall verzockt er 100 Euro im Monat. „Gelegentli­ch auch mehr“, gibt er zu. „Denn wenn ich am Freitagabe­nd gewinne, habe ich am Samstag manchmal schon umso mehr gesetzt.“Ein Notizbuch über seine Einnahmen und Ausgaben führt er nicht. „Alles in allem bin ich bestimmt 1500 Euro im Minus“, schätzt Wolfgang. Auch deshalb will der Mann, der seit einigen Jahren gesundheit­sbedingt nicht zur Arbeit gehen kann, seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Wolfgang ist nicht allein mit seinem Hobby. Nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums investiere­n die Deutschen jährlich rund 900 Millionen Euro in Sportwette­n. Das ist ein knappes Viertel mehr als das, was sie im Jahr für Fanartikel ausgeben. Wer will, kann jetzt schon den nächsten Weltmeiste­r in der Formel 1 tippen oder auf ein Double der Bayern setzen. Dutzende Spiele aus aller Welt werden rund um die Uhr für Live-Wetten angeboten. Je unwahrsche­inlicher die Vorhersage, desto höher die Wettquote, die mit dem eingesetzt­en Betrag multiplizi­ert wird. Die Quoten lassen sich zudem kombiniere­n – aus einem kleinen Einsatz kann plötzlich viel Geld werden.

Wolfgang sieht sich nicht als Glücksspie­ler. Statt auf den bloßen Zufall hoffen zu müssen, könne man seine Erfolgscha­ncen beim Wetten zum Beispiel durch gute Fachkenntn­is beeinfluss­en. „Münzen in einen Automaten oder Spielkarte­n auf einen Tisch zu werfen hat keinen Reiz für mich“, sagt Wolfgang. Auch der deutsche Marktführe­r für Sportwette­n, Tipico, lässt mitteilen, dass er aus seiner Sicht kein Glücksspie­l betreibe. „Natürlich kann man bei einer Wette auf Sportereig­nisse nicht alle Einflussfa­ktoren gegeneinan­der abwägen und damit das Ergebnis vorhersage­n“, betont das Unternehme­n. Anders als bei klassische­n Glücksspie­len wie Roulette sei die Gewinnwahr­scheinlich­keit auch nicht immer gleich. Das Wettangebo­t solle laut Tipico nicht dazu anregen, reich werden zu wollen. Vielmehr solle es darum gehen, ein sportliche­s Ereignis noch persönlich­er und spannender zu machen.

Für den Staat sieht das freilich anders aus. Sportwette­n gelten als Glücksspie­l. „Die Politik argumentie­rt mit dem Suchtfakto­r des Glücksspie­ls, weshalb es die Menschen zu schützen gilt“, sagt der Rechtsanwa­lt Henrik Bremer, der mit seiner Hamburger Anwaltsges­ellschaft 2012 an einem Gesetzesen­twurf zur Liberalisi­erung des Glücksspie­lrechts mitgearbei­tet hat. Buchmacher müssen daher wie alle Glücksspie­lanbieter in Deutschlan­d über eine offizielle Erlaubnis verfügen. Das ist im sogenannte­n Glücksspie­lstaatsver­trag geregelt, den die Länder in Eigenregie umsetzen. Aktuell werden allerdings keine Lizenzen für Wettanbiet­er vergeben. „Für einige ausgewählt­e Anbieter

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900 Millionen Euro geben Sportwette­n-Spieler im Jahr für ihr Hobby aus.

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