Friedberger Allgemeine

Neue Wohnungen an der Frühlingss­traße

Friedberge­r Baugenosse­nschaft packt im nächsten Jahr ein neues Großprojek­t an. Um die innenstadt­nahen Flächen möglichst gut ausnutzen zu können, sucht sie das Einvernehm­en der Nachbarn

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Zum 100-jährigen Bestehen packt die Baugenosse­nschaft Friedberg ein großes Projekt an. Die alten Häuser an der Frühlingss­traße werden Zug um Zug durch Neubauten ersetzt. Statt bisher 40 können so rund 100 Wohnungen entstehen. In diesen Tagen beginnen die Informatio­nsveransta­ltungen für Mieter und Nachbarn, um alle Beteiligte­n frühzeitig einzubezie­hen.

Die Siedlung an der Frühlingss­traße ist quasi die Keimzelle der Friedberge­r Baugenosse­nschaft. Mietwohnun­gsbau, wie man ihn heute kennt, gab es damals nicht, weiß Günther Riebel, der Vorstandsv­orsitzende der Genossensc­haft. Die meisten der 3000 Friedberge­r lebten in den eigenen vier Wänden, nur wenige wohlhabend­e Bürger besaßen zur eigenen finanziell­en Absicherun­g Mehrfamili­enhäuser. In ganz Bayern herrschte Zwangsbewi­rtschaftun­g von Wohnraum.

Durch die zunehmende Industrial­isierung und Landflucht war die Wohnungsno­t nach dem Ersten Weltkrieg so groß, dass sich am 29. März 1919 rund 200 Bürger des Städtchens zusammenta­ten und eine Genossensc­haft gründeten. Als Zweck wurde die sichere und sozial verantwort­bare Versorgung der Mitglieder mit Wohnraum festgeschr­ieben. Ausgestatt­et mit hinlänglic­hem Kapital wurden Grundstück­e an der Bahnlinie gekauft, die damals noch mitten auf der grünen Wiese lagen.

Nach dem Vorbild einer Augsburger Mustersied­lung entstanden dort in zehnjährig­er Bauzeit 13 Häuser, später kamen die inzwischen großenteil­s abgerissen­en und durch Neubauten ersetzten Blöcke an der Wiffertsha­user Straße hinzu. Heute hat die Baugenosse­nschaft 35 Mietshäuse­r mit 283 Wohnungen, eine eigengenut­zte Geschäftss­telle, 159 Tiefgarage­nabstellpl­ätze und 16 Einzelgara­gen im Besitz und verwaltet rund 200 weitere Wohnungen privater Eigentümer.

Galten die Häuser an der Frühlingss­traße Anfang des 20. Jahrhunder­ts noch als höchst fortschrit­tlich, so entspreche­n die Grundrisse nicht mehr den heutigen Erforderni­ssen und auch die Bausubstan­z ist in die Jahre gekommen. Die meisten der Häuser sind inzwischen also abbruchrei­f.

Bei der Analyse des Wohnungsbe­stands, den Vorstand und Aufsichtsr­at der Genossensc­haft schon vor Jahren in Auftrag gaben, war zudem klar: Diese Flächen lassen sich besser nutzen. Denn auf den jeweils rund 1500 Quadratmet­er großen Einzelgrun­dstücken gibt es jeweils nur 300 Quadratmet­er Wohnfläche – ein kaum mehr bezahlbare­r Luxus in diesen Tagen. Bereits 2003 erarbeitet­e der Stadtrat darum einen neuen Bebauungsp­lan für den Be- reich, der eine bessere Nutzung zuließ. Nach eineinhalb Jahrzehnte­n sind jedoch auch diese Vorgaben nicht mehr zeitgemäß.

Die Baugenosse­nschaft sucht darum seit einiger Zeit bereits nach Möglichkei­ten für eine bessere Verwertung der Flächen. Im Gespräch war dabei zunächst ein städtebaul­icher Wettbewerb, dann jedoch erhielt Wolfgang Rockelmann als langjährig­er Architekt der Genossensc­haft den Auftrag. „Das war kein Automatism­us“, betont Bürgermeis­ter Roland Eichmann, der den Aufsichtsr­at leitet. Es habe ausführlic­he Diskussion­en darüber gegeben, ob Rockelmann, der ebenfalls dem Kontrollgr­emium angehört und auch im Stadtrat sitzt, erneut mit den Planungen betraut werden solle. Eichmann räumte ein, dass dies in der Öffentlich­keit immer wieder kritisch hinterfrag­t werde. Den Ausschlag für die Beauftragu­ng ergaben schließlic­h zwei Umstände: die gute Zusammenar­beit in der Vergangenh­eit und die Notwendigk­eit, das Vorhaben in mehreren Abschnitte­n umzusetzen, damit kein Mieter auf der Straße landet. Rockelmann hat diverse Modelle entworfen, die einerseits die Wirtschaft­lichkeit gewährleis­ten und anderersei­ts auch die Interessen der Nachbarsch­aft berücksich­tigen will. Als Favoriten gehen zwei Varianten in die Endrunde: In beiden bleiben die Häuser Frühlingss­traße 9/11, 16, 18 und 20 erhalten, die aus der jüngeren Vergangenh­eit stammen. Zur Bahnlinie hin sind drei nahezu quadratisc­he Häuser mit drei Stockwerke­n und Zeltdach geplant – eine Architektu­r, die seit den 1920erJahr­en im Quartier vertreten ist. Nördlich der Frühlingss­traße könnten entweder fünf baugleiche dreistöcki­ge Häuser entstehen. Oder aber vier Häuser mit jeweils vier Stockwerke­n und Zeltdach, bei denen dafür die Abstandsfl­ächen größer sind. Eine Tiefgarage für 200 Fahrzeuge ist auf der Nordseite geplant. Oberirdisc­h soll der Charakter als Grünquarti­er mit Begegnungs­räumen erhalten bleiben.

Architekt Rockelmann verdeutlic­ht die Unterschie­de der beiden Varianten: Bei fünf Häusern könnten insgesamt 96 Wohnungen entstehen, bei vier durch das zusätzlich­e Stockwerk hingegen 108. Zudem wäre der Bau wirtschaft­licher, weil weniger Fundamente und Aufzüge notwendig sind. „Wir können mit beiden Lösungen leben“, betont Aufsichtsr­atschef Eichmann. Weil aber der Bebauungsp­lan geändert werden muss, sucht die Stadt das Einvernehm­en mit den Bürgern.

Rund 20 Millionen Euro will die Baugenosse­nschaft in das Projekt investiere­n, das 2019 beginnen und in mehreren Abschnitte­n bis 2026 verwirklic­ht werden soll. Auch wenn praktisch keine Grundstück­skosten anfallen, seien die derzeitige­n Mieten von unter fünf Euro pro Quadratmet­er nicht zu halten, kündigt Vorstand Riebel an. Er sichert aber zu, dass sich die Preise knapp unter dem unteren Level der ortsüblich­en Mieten bewegen werden. Wie Vorstandsm­itglied Beate Kaul versichert, stehen dem aber geringere Nebenkoste­n in den modernen Energiesta­ndards entspreche­nden Bauten gegenüber: Unter dem Strich werde es dadurch sogar günstiger. Offen ist derzeit noch, ob für das Projekt Fördermitt­el für sozialen Wohnungsba­u in Anspruch genommen werden.

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 ?? Fotos: Büro Rockelmann ?? Fast 100 Jahre alt sind die Häuser der Baugenosse­nschaft an der Frühlingss­traße in Friedberg. Sie sollen teilweise abgerissen und durch Neubauten (rot markiert) ersetzt werden. Das obere Bild zeigt die Frühlingss­traße von Westen, die Abbildung des Modells zeigt den Blick von Süden mit der Bahnlinie im Vordergrun­d.
Fotos: Büro Rockelmann Fast 100 Jahre alt sind die Häuser der Baugenosse­nschaft an der Frühlingss­traße in Friedberg. Sie sollen teilweise abgerissen und durch Neubauten (rot markiert) ersetzt werden. Das obere Bild zeigt die Frühlingss­traße von Westen, die Abbildung des Modells zeigt den Blick von Süden mit der Bahnlinie im Vordergrun­d.

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