Er muss nun Audi lenken
Der Holländer Bram Schot erlebt bei dem Ingolstädter Autobauer eine Blitzkarriere. Als Ersatz für Rupert Stadler ist er erst kommissarisch Chef. Nun steuert er den Konzern wohl für Jahre
Ingolstadt Er stünde bereit. Auch langfristig. Das hat Bram Schot schon vor ein paar Wochen dem Manager-Magazin gesagt. Und es kann nach Informationen unserer Zeitung als sehr wahrscheinlich gelten, dass der derzeit noch „kommissarische Vorsitzende des Vorstands der Audi AG und Mitglied des Vorstands Vertrieb und Marketing“die Audianer ab Donnerstag langfristig führen darf. So heißt es übereinstimmend aus gut informierten Konzernkreisen im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Aufsichtsratssitzung. Dem weiteren Vernehmen nach soll Schot einen Drei-JahresVertrag bekommen.
Der Vertriebs- und Marketingvorstand Schot sitzt erst seit 2017 in der Top-Management-Etage des Konzerns und war im Juni als Interimschef berufen worden. Er trat die Nachfolge des kurz zuvor verhafteten Rupert Stadler an. Der Haftbefehl gegen Stadler war Ende Oktober zwar unter Auflagen vom Oberlandesgericht München außer Vollzug gesetzt worden, dennoch ermittelt die Staatsanwaltschaft München II wegen der Diesel-Affäre weiter gegen ihn. Stadler wird Betrug und mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Stadler bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, VW hatte sich Anfang Oktober aber von dem langjährigen und über Jahre auch sehr erfolgreichen Chef der Ingolstädter Unternehmenstochter getrennt.
Für Audi war die Verhaftung Stadlers der Beginn eines schwierigen und auch zunehmend belastenden Interregnums. Sollte Schot am Donnerstag seinen neuen Vertrag bekommen, könnte der 57-jährige Holländer endlich das lästige „kommissarisch“aus dem Job-Titel streichen. Das ist – auch wenn er de facto schon jetzt Chef ist – vor allem aktienrechtlich bedeutsam, hätte zu- gleich aber natürlich symbolische Kraft. „Interim“liest sich immer wie „Übergangslösung“. Ein begrenztes Mandat mit begrenzten Möglichkeiten. Kein Zustand jedenfalls, um bei einem vom AbgasSkandal heftig mitgenommenen Autokonzern und in einer vom digitalen Strukturwandel heftig herausgeforderten Branche Vorsprung durch Technik zu schaffen. Und kein Zustand, den die Audianer wollen.
Seitens des Audi-Betriebsrates jedenfalls war das Wort „Neustart“zuletzt immer häufiger zu vernehmen. Und gemeint war damit nicht, dass Schot weg soll, sondern die Interimslösung.
2011 kam Schot als Chef von DaimlerChrysler / Mercedes-Benz Italien zu Volkswagen. Ab 2012 war er in der Geschäftsleitung von Volkswagen Nutzfahrzeuge für den Bereich Marketing und Vertrieb zuständig. Zum September 2017 wechselte er in den Audi-Vorstand. Aber was ist er für einer?
Der studierte Betriebswirt jedenfalls – und das darf in einer verunsicherten Belegschaft als Vorteil gelten – kann gut mit Menschen. Das ist immer wieder aus unterschiedlichen Ecken des Audi-Reichs zu hören. Der Verkäufer bei Audi ist ein guter Verkäufer seiner selbst. Er ist nahbar und er trifft den richtigen Ton. Bei einer Konferenz in Ingolstadt, dem „MQ! Innovation Summit“, ging es Anfang November wieder mal um die Zukunft der Mobilität. Schot hatte dort einen viel beachteten Auftritt. Er saß da, hatte sich ein T-Shirt übergestreift, ein gemütliches Lächeln aufgesetzt und sprach von der Art zu arbeiten. Er sagte, dass man dabei auch Zeit zum Träumen brauche. Wer 40 Stunden pro Woche ausschließlich damit beschäftigt sei, seinen Job zu machen und die volle Agenda abzuarbeiten, der habe keine Zeit mehr, um in die Zukunft zu denken, mit den Kollegen zu diskutieren, kurz: im Kopf weiterzukommen und neue Ideen zu entwickeln. Es war ein charmantes Plädoyer für einen Kulturwandel. Hin zu mehr Experimenten, zum Ausprobieren von Neuem. Sich gegenseitig zu ermutigen, etwas zu wagen. Dafür gab es Applaus. Auch Scheitern, sagte Schot und belegte es mit der bekannten „Man-in-theArena“-Rede von Theodor Roosevelt, müsse drin sein. Was zählt, ist der Versuch. Es immer wieder und wieder zu versuchen.
Sollte Schot in der Arena, die zu betreten er sich anschickt, scheitern, stünde wohl Markus Duesmann bereit. Den hatte VW von BMW abgeworben. Er galt als Favorit für die Stadler-Nachfolge, ist aber vertraglich noch gebunden.