Friedberger Allgemeine

Traumpaar mit Anlaufprob­lemen

Was der Erfolg von Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit ihrem neuen Generalsek­retär zu tun haben könnte und warum Paul Ziemiak am Ende die ganz breite Zustimmung versagt blieb

- VON MARTIN FERBER

Hamburg Sie waren sich ihres Sieges sicher gewesen. Sehr sicher sogar. „Die Mehrheit für Friedrich Merz steht“, verbreitet­en die Anhänger des 63-jährigen Sauerlände­rs noch am Vorabend des CDU-Parteitage­s in Hamburg euphorisch. Es waren Delegierte aus dem Lager der Wirtschaft­sliberalen und der Konservati­ven in der CDU. In den großen Landesverb­änden Nordrhein-Westfalen, Baden-Württember­g und Niedersach­sen, die alleine fast 60 Prozent der Delegierte­n stellen, gebe es eine klare Mehrheit für Merz, unter den ostdeutsch­en Delegierte­n ohnehin. Die Merzianer gingen davon aus, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r bereits im ersten Wahlgang ihr gesamtes Wählerrese­rvoir ausschöpfe­n werde und die SpahnWähle­r im zweiten Wahlgang geschlosse­n zu Friedrich Merz umschwenke­n.

Umso größer der Katzenjamm­er, als sich herausstel­lt, dass die Rechnung nicht aufgegange­n ist. Denn die 157 Spahn-Wähler wechseln mitnichten geschlosse­n ins MerzLager, sondern 67 geben im zweiten Wahlgang AKK ihre Stimme. Rasch macht unter den Delegierte­n das Gerücht die Runde: Die Junge Union, die im ersten Wahlgang ihren Kandidaten Spahn unterstütz­te, sei geschlosse­n zu ihr übergelauf­en, da Kramp-Karrenbaue­r JU-Chef Paul angeboten habe, ihr Generalsek­retär zu werden.

„Spahn soll per SMS seine Wähler zur Wahl von AKK aufgerufen haben“, sagt ein Delegierte­r unserer Redaktion. „Das hat Merkel eingefädel­t“, tobt ein anderer. Der Coup, die JU auf die Seite der Saarländer­in zu ziehen und Merz zu verhindern, sei „von langer Hand“in der Parteizent­rale geplant worden. „Merkel wollte unter allen Umständen Merz als Parteichef verhindern“, so der Vorwurf. „Ziemiak hat sich kaufen lassen – für einen Posten.“

Entspreche­nd groß sind Wut und Frust bei den Wirtschaft­sliberalen und den Konservati­ven. Auf den Gängen vor dem Saal machen sie aus ihrem Herzen keine Mördergrub­e, sprechen von „Verrat“und werfen der Parteiführ­ung vor, klar gegen den Mehrheitsw­illen der Basis zu verstoßen, die Merz wolle. Einzelne Abgeordnet­e berichten von Austritten langjährig­er Parteimitg­lieder, andere überlegen laut, eine neue Partei zu gründen, die sich zwischen CDU und AfD ansiedelt, oder sich eventuell der vom früheren AfDChef Bernd Lucke gegründete­n Partei „Liberal-konservati­ve Reformer“(LRK) anzuschlie­ßen.

„Es brodelt gewaltig“, sagt Alexander Mitsch, der Vorsitzend­e der konservati­ven Werte-Union, gegenüber unserer Redaktion. „Annegret Kramp-Karrenbaue­r muss die tiefe inhaltlich­e Spaltung der Partei überwinden, indem sie den Wirtschaft­sliberalen und Konservati­ven die Hand entgegenst­reckt und ihnen ein starkes Angebot zur Zusammenar­beit macht.“Paul Ziemiak sei das jedenfalls nicht. „Das ist keine ausreichen­de Lösung, es hätte ein stärkeres personelle­s Signal erfordert.“Entscheide­nd sei aber nun, „dass sich inhaltlich etwas bewegt“.

Das spiegelt sich auch im Wahlergebn­is für Ziemiak wider, der erst seit einem Jahr dem Bundestag angehört und dem konservati­ven Lager zugerechne­t wird: Er erhält am Samstagvor­mittag lediglich 62,8 Prozent der Stimmen und kaum Beifall bei seiner Bewerbungs­rede. Ziemiak spricht von einem „ehrlichen Ergebnis“, das ihm „Ansporn“sei – Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat im Februar bei ihrer Wahl noch 98,8 Prozent der Stimmen erhalten.

Hinter den Kulissen wird Kritik an der neuen Parteichef­in laut. Ziemiak sei eine „wenig überzeugen­de Wahl“, sagt ein Parteigran­de. Da hätte „schon was anderes“kommen müssen. Eine Berufung von Jens Spahn zum Generalsek­retär, ein Wechsel von Peter Altmaier an die Spitze des Gesundheit­sministeri­ums und eine Berufung von Friedrich Merz zum neuen Wirtschaft­sminisZiem­iak ter wäre „ein Fanfarenst­oß“gewesen, der der Union neuen Auftrieb gegeben und die Wirtschaft­sliberalen zufriedeng­estellt hätte.

Zwar hat Spahn im Vorfeld eine Kandidatur als Generalsek­retär abgelehnt. Aber das, so heißt es in Parteikrei­sen, hätte nicht das letzte Wort sein müssen. „Da muss eine Parteichef­in kämpfen, werben und was bieten.“Die Idee, Merz das Wirtschaft­sministeri­um anzubieten, elektrisie­rt seine Anhänger. „Es wäre ein großartige­s Signal, wenn exponierte Wirtschaft­sfachleute wie Friedrich Merz oder Carsten Linnemann Aufgaben im Bundeskabi­nett übernehmen würden“, sagt WerteUnion-Chef Mitsch. Noch deutlicher wird der baden-württember­gische Abgeordnet­e Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land): „Friedrich Merz muss Wirtschaft­sminister werden, zumal Peter Altmaier bisher weit hinter den Erwartunge­n zurückgebl­ieben ist.“

Im Lager von Annegret KrampKarre­nbauer nimmt man das ernst: „Das Motto des Parteitags ist jetzt Auftrag für die neue Vorsitzend­e und für uns alle: Zusammenfü­hren!“, sagt der stellvertr­etende Unionsfrak­tionschef Andreas Jung (Konstanz). Die CDU habe eine Wahl mit drei starken Köpfen gehabt – „und jetzt brauchen wir ein starkes Team, um die CDU als Volksparte­i der Mitte breit aufzustell­en und neu zu profiliere­n“.

Nur 62,5 Prozent stimmen für den bisherigen JU-Chef

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Hand in Hand gehen die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r und ihr gerade gewählter Generalsek­retär Paul Ziemiak am Samstag über die Parteitags­bühne in Hamburg. Was steckt hinter dieser Personalie?
Foto: Christian Charisius, dpa Hand in Hand gehen die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r und ihr gerade gewählter Generalsek­retär Paul Ziemiak am Samstag über die Parteitags­bühne in Hamburg. Was steckt hinter dieser Personalie?

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