Friedberger Allgemeine

Neue Chaostage im Weißen Haus

Die Russland-Ermittlung­en und schon wieder die Entlassung seines Stabschefs sollten Donald Trump eigentlich weiter belasten. Doch der Präsident scheint unbekümmer­t

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Lichter an der 29 Meter hohen Fraser-Tanne vor dem Weißen Haus strahlten. Drinnen stand am Sonntagabe­nd ein besinnlich­er Vorweihnac­htsempfang auf dem Programm. Doch von friedliche­r Stimmung war am zweiten Adventswoc­henende bei Donald Trump wenig zu spüren. Erst schmähte der US-Präsident auf Twitter seinen ehemaligen Außenminis­ter Rex Tillerson, den er „dumm wie Stroh“nannte, dann polterte er gegen den Klimaschut­z, bevor er sich ausgiebig seinem Dauerthema zuwandte – der RusslandUn­tersuchung: „Zeit, die Hexenjagd zu beenden!“, verlangte er.

Trumps angespannt­e Stimmung hat gute Gründe: Die Untersuchu­ngen von Sonderermi­ttler Robert Mueller rücken immer näher an ihn heran. Zahlreiche seiner Vertrauten sind inzwischen der Lüge überführt. Der Verdacht, dass sie mit Wissen oder auf Weisung des Chefs arbeiteten, liegt nahe. Mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus werden die Demokraten die Aufklärung im neuen Jahr vorantreib­en. Zugleich leidet die US-Wirtschaft zunehmend unter Trumps Handelskri­eg. Die Börsenkurs­e fallen. Und das von Personalqu­erelen und Intrigen durchgesch­üttelte Weiße Haus hat keine erkennbare Krisenstra­tegie dagegen.

Am Samstag gab Trump den Abschied seines Stabschefs John Kelly bekannt. Der ehemalige Vier-Sterne-General war erst im Juli 2017 eingestell­t worden, um Ordnung in die chaotische Regierungs­arbeit zu bringen. Tatsächlic­h sorgte er zeitweise für eine gewisse Disziplin und drängte den rechten Chefideolo­gen Stephen Bannon aus dem Weißen Haus. Doch seit Kelly die rassistisc­he Rhetorik des Präsidente­n nach den Charlottes­ville-Krawallen verteidigt­e und die Trennung von Familien an der mexikanisc­hen Grenze unterstütz­te, war sein Ruf als Vertreter der Vernunft lädiert.

Letztlich scheiterte der 68-Jährige aber an den Querschüss­en von Trumps Tochter Ivanka und ihrem Mann Jared Kushner sowie dem Präsidente­n selbst, der sich zuletzt immer despektier­licher über den General äußerte. Dass Kelly nach Medienberi­chten Trump im Frühjahr intern einen „Idioten“nannte, dürfte die Beziehung kaum verbessert haben.

Als Nachfolger ist nun Nick Ayers im Gespräch. Der 36-jährige Stabschef von Vizepräsid­ent Mike Pence gilt als Karrierist und hat im Washington­er Beratungsg­eschäft Millionen verdient, ist aber bestens vernetzt.

Kontakte zum politische­n Establishm­ent könnten für Trump sehr wichtig werden. Denn in der Russland-Affäre erhärtet sich der Verdacht, dass er aus wirtschaft­lichen und politische­n Motiven während des Wahlkampfe­s krumme Geschäfte machte. Neue Schriftsät­ze der Staatsanwa­ltschaft unterstell­en, dass das Trump-Lager deutlich früher und länger als bislang eingeräumt direkte Kontakte mit Moskau hatte. Dabei soll es sowohl um die mögliche Beeinfluss­ung der US-Wahlen wie um Trumps Geschäftsp­rojekt eines Hochhauses mit Luxuswohnu­ngen in der russischen Hauptstadt gegangen sein. Außerdem beschuldig­t Trumps Ex-Anwalt Michael

Die Wirtschaft leidet unter dem Handelskri­eg

Krumme Geschäfte während des Wahlkampfs?

Cohen seinen früheren Chef, ihn zur Schweigege­ldzahlung an die Porno-Darsteller­in Stormy Daniels und eine weitere Ex-Affäre angehalten zu haben. Trump will von den Transfers nichts gewusst haben, die gegen das Parteienfi­nanzierung­sgesetz verstoßen.

„Bis jetzt standen zwei Vorwürfe im Raum“, fasst Demokrat Jerrold Nadler, der den Justizauss­chuss des neuen Repräsenta­ntenhauses leiten wird, die Entwicklun­g zusammen. „Einer war die Zusammenar­beit mit den Russen, der andere die Behinderun­g der Justiz.“Nun gebe es einen dritten Verdacht: „Der Präsident stand im Mittelpunk­t eines massiven Betrugs am amerikanis­chen Volk.“So ähnlich kommentier­en das viele US-Medien. Trump selbst hat eine etwas andere Wahrnehmun­g. „Der Präsident ist total entlastet. Danke!“, twitterte er ohne weitere Begründung.

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Foto: Susan Walsh, dpa Sie gehen schon wieder getrennte Wege: US-Präsident Donald Trump hat sich vom Stabschef im Weißen Haus, John Kelly (hinten), getrennt.

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