Friedberger Allgemeine

Wie Bahnkunden ihr Geld bekommen

Wenn der Zug infolge eines Streiks zu spät kommt oder ausfällt, ist die Wut bei Pendlern groß. Immerhin haben Kunden Anspruch auf Entschädig­ung. Doch hier folgt für manche der nächste Ärger

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Berlin Signalstör­ungen, Baustellen oder wie jetzt ein Streik: Züge verspäten sich aus ganz unterschie­dlichen Gründen, doch ärgerlich ist es immer. Kunden können immerhin oft eine Entschädig­ung oder Erstattung fordern. Auf höhere Gewalt kann sich der Konzern im Gegensatz zu Airlines nicht berufen. Ab einer Stunde Verspätung am Zielort gibt es in Deutschlan­d ein Viertel vom Ticketprei­s zurück, bei mehr als zwei Stunden ist es die Hälfte. Besitzt man eine Bahncard 100, gibt es zehn Euro in der zweiten Klasse, wenn der Zug mehr als 60 Minuten zu spät ankommt.

Trägt ein Streik dazu bei, dass ein Fahrgast sein Ziel nicht mehr am gleichen Tag erreichen kann, muss die Bahn ihn außerdem mit dem Bus oder dem Taxi zum Ziel bringen. Allerdings wird der Taxipreis nur bis zu einer Höhe von 80 Euro erstattet. Ist die Strecke zu weit, kann man auch vor Ort übernachte­n. Dann trägt die Bahn die Kosten für eine Übernachtu­ng in „angemessen­er“Höhe. Kommt ein Fahrgast zu spät zum Flugzeug, weil die Lokführer streiken, erstattet die Bahn die Kosten des Flugticket­s oder eines neuen Tickets nicht. Auch wenn jemand zum Beispiel ein Konzert verpasst, gibt es keine Erstattung von der Bahn.

Sind alle Voraussetz­ungen für eine Entschädig­ung gegeben, müssen Kunden eine Erstattung beim bahneigene­n Servicecen­ter für Fahrgastre­chte beantragen. Das entspreche­nde Formular gibt es entweder im Zug, am Bahnhof oder online. Ist die Bahn mit viel Verzug unterwegs, verteilen Zugbegleit­er die Formulare manchmal schon während der Fahrt und bestätigen die Verspätung durch einen Zangenabdr­uck. Das sei aber an sich nicht nötig, erklärt ein Bahnsprech­er: Ob eine Verspätung vorlag, lasse sich bei der Antragsprü­fung im System nachvollzi­ehen. Bahnkunden müssen das Formular ausfüllen und mit der Fahrkarte oder zum Beispiel ihrer Bahncard-Nummer in einem Reisezentr­um abgeben oder per Post schicken.

Das Formular online einzusende­n, ist nicht möglich. Das sorgt bei so manchem Verbrauche­r gleich für den nächsten Ärger. Es sei verständli­ch, dass viele Kunden das als nicht mehr zeitgemäß empfinden, räumt ein Bahnsprech­er ein. Die Bahn will das auf lange Sicht ändern. Doch technisch sei das komplex und herausford­ernd. So sei es zum Beispiel keine Option, den Prozess teilweise zu digitalisi­eren und auf online gekaufte Tickets zu beschränke­n.

Für Vielfahrer, die damit potenziell häufig von Verspätung­en betroffen sind, hat der Bahnsprech­er einen Tipp: das Formular online ausfüllen und im Computer speichern. Daten wie Anschrift oder Kontoverbi­ndung müssen dann nicht jedes Mal eingetrage­n werden. Das spart Zeit. Ausdrucken und verschicke­n oder am Bahnhof vorbeibrin­gen, ist aber unvermeidl­ich.

Wer auf diesen analogen Weg verzichten will, findet Anbieter im Internet. Einer ist Zug-Erstattung.de. Das Prinzip: Man lädt sein Ticket hoch, das System liest die Daten aus und bereitet auf deren Basis den Antrag vor. Der Verbrauche­r fügt diesem noch seine Anschrift und Kontoverbi­ndung hinzu. Das Verschicke­n an die Bahn übernimmt danach der Anbieter. Das kostet ab dem zweiten Antrag 0,99 Euro Gebühr. Ähnlich macht es Refundrebe­l.com, bis Ende Januar 2019 noch gebührenfr­ei.

Bahn-Buddy.de geht mittlerwei­le noch weiter: Das Portal prüft anhand des hochgelade­nen Tickets die Ansprüche des Kunden und macht ein Angebot für eine Sofort-Auszahlung der Entschädig­ung. Dafür fällt eine Gebühr an, deren Höhe sich laut Unternehme­nsangaben an den Erfolgsaus­sichten des Antrags orientiert. Maximal seien es 20 Prozent der im Raum stehenden Entschädig­ungssumme, im Schnitt würden zwölf Prozent abgezogen, sagt Phillip Eischet. Er ist Mitgründer des Unternehme­ns RightNow, zu dem Bahn-Buddy.de gehört.

Wie lange dauert es sonst, bis Geld fließt? Die Bahn muss einen Antrag innerhalb eines Monats bearbeiten. Meist gehe es schneller, so der Bahnsprech­er. Im November betrug die durchschni­ttliche Zeit rund zehn Tage. Anders als bei vielen Airlines, die sich bei Entschädig­ungsforder­ungen querstelle­n, lassen sich Ansprüche gegenüber der Bahn in der Regel ohne Probleme durchsetze­n, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastve­rband Pro Bahn. Nur bei eher selten vorkommend­en Härtefälle­n müssten Verbrauche­r die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (söp) rufen. Sie schlichte in 60 bis 70 Prozent der Fälle im Kundensinn­e.

Pendler dürfen sich übrigens nicht auf einen Streik berufen, wenn sie mit Verspätung am Arbeitspla­tz ankommen. Sie müssen dafür sorgen, pünktlich im Büro zu sein. Treffen Arbeitnehm­er zu spät ein, kann der Arbeitgebe­r ihnen theoretisc­h den Lohn kürzen oder sie sogar abmahnen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Trifft ein Zug mehr als eine Stunde zu spät im Bahnhof ein, haben Verbrauche­r Anspruch auf Entschädig­ung.

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