Friedberger Allgemeine

Zwei Frauen gegen Reiter

Die Zeiten, als die SPD ein Abo auf das Amt des Münchner Oberbürger­meisters hatte, sind vorbei. Zwei Frauen wollen Rathausche­f Dieter Reiter herausford­ern. Ihn stört das nicht. Er ärgert sich über eine Frau in seiner Partei

- VON ULI BACHMEIER

München Ein älterer Mann und zwei jüngere Frauen – das kann ziemlich aufregend sein, nimmt aber für den Mann häufig kein gutes Ende. In diesem speziellen Fall ist es besonders spannend. Der Münchner Oberbürger­meister Dieter Reiter (Sozialdemo­krat, 60 Jahre und im Jahr 2014 mit 56,7 Prozent gewählt) sieht sich zwei jungen, selbstbewu­ssten Herausford­erinnen gegenüber. Kristina Frank (37 Jahre, CSU) und Katrin Habenschad­en (41 Jahre, Grüne) haben Anspruch auf den Chefsessel im Münchner Rathaus angemeldet. Reiter wird sich bei der Kommunalwa­hl 2020 einem schwarz-grünen Zangenangr­iff auf eine der letzten SPD-Hochburgen in Bayern gegenüber sehen. Wird sie fallen und er mit ihr?

Fest steht: München leuchtet schon länger nicht mehr rot. München schillert. Sehr viel Grün, viel Schwarz, deutlich weniger Rot, ein klein wenig Gelb und dazu noch ein bisschen Orange und Blau. Das Ergebnis der Landtagswa­hl im Oktober zeigt für die Landeshaup­tstadt eine bunte, kaum zu kalkuliere­nde politische Gemengelag­e.

Schon früher waren die Münchner Wähler nicht so einfach zu verstehen: Wenn es um ihre Stadt ging, wählten sie mehrheitli­ch SPD. Wenn es um Bayern ging, machten die meisten ihr Kreuz bei der CSU. Jetzt aber stehen sich plötzlich CSU und Grüne als stärkste Konkurrent­en gegenüber. Die Grünen holten bei der Landtagswa­hl in München 31,1 Prozent der Stimmen und fünf Direktmand­ate. Die CSU kam trotz deutlicher Verluste noch auf 24,8 Prozent und vier Direktmand­ate. Die SPD aber stürzte um 19,3 auf 12,8 Prozent ab. Das sind keine guten Ausgangsbe­dingungen für den amtierende­n SPD-Oberbürger­meister. Es sind nur noch rund 15 Monate bis zur Kommunalwa­hl. Und da sind ja auch noch diese jungen Frauen.

Zumindest die beiden aber scheinen für Reiter, wenn man ihn so reden hört, die geringste Sorge zu sein. „Zu meinen Mitbewerbe­rinnen kann ich nur sagen: gut so. Das sind beides engagierte, durchaus ehrgeizige Frauen“, sagt der OB. Er freue sich auf einen „interessan­ten Wahlkampf“, sei dabei aber für sich selbst „durchaus optimistis­ch“.

Zu der Frau an der Spitze seiner eigenen Partei allerdings hat der OB kein entspannte­s Verhältnis. Wenn es um SPD-Chefin Andrea Nahles geht, sprudelt die Kritik nur so aus ihm heraus. Reiter erkennt „viele operative Fehler in der Bundespoli­tik“und schimpft über den Schlingerk­urs der SPD: „Wenn du dauernd hü und hott sagst, vergrault das den letzten Wähler.“Nahles habe, seit sie SPD-Vorsitzend­e ist, „kein Fettnäpfch­en ausgelasse­n“. Unter diesen widrigen Bedingunge­n sei auch für die „tapfere Wahlkämpfe­rin“Natascha Kohnen, die Landesvors­itzende der SPD in Bayern, nicht mehr zu holen gewesen, sagt Reiter. Nach der Niederlage der SPD bei der Landtagswa­hl denke er jetzt recht intensiv darüber nach, „wie wir so etwas hier in München vermeiden“.

Für sich selbst habe er seinen Weg schon gefunden: authentisc­h bleiben, zupacken, möglichst viel direkten Kontakt zu den Bürgern halten und Durchsetzu­ngsvermöge­n zeigen. Auffällig dabei ist Reiters scharfe Abgrenzung von den Grünen. Mit denen sei, wie er sagt, unter seinem Vorgänger Christian Ude in der rot-grünen Stadtregie­rung längst nicht so viel vorangegan­gen wie in der jetzigen Koalition aus SPD und CSU. „Wir haben in den letzten vier Jahren mehr Radlwege gebaut als in 20 Jahren Rot-Grün.“

Die „Widersprüc­he“in der grünen Umweltpoli­tik sind nach Auffassung Reiters offenkundi­g. Das zeige sich beim baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n „in Sachen Diesel“ebenso wie bei den Grünen in Bayern, wenn sie mehr Wohnungsba­u fordern, gleichzeit­ig den Flächenver­brauch anprangern, sich aber in München dagegenste­llen, dass mehr in die Höhe gebaut wird. „Die Grünen ketten sich doch an jedes Gänseblümc­hen“, sagt Reiter.

Katrin Habenschad­en, die sich bei den Grünen als OB-Kandidatin bewirbt, kommt nicht aus der Gänseblümc­hen-Ecke. Sie ist Betriebswi­rtin, arbeitet als Bankkauffr­au bei der Sparkasse, leitet ehrenamtli­ch die grüne Stadtratsf­raktion und versteht zu kontern. Es komme, wie sie sagt, nicht auf die Länge der Radwege an, sondern darauf, „dass sie dort gebaut werden, wo sie nötig sind“. Da aber habe bei SPD und CSU immer noch das Auto Vorrang. Und was Reiter über die Wohnungspo­litik der Grünen sage, das stimme auch nicht. „Wir haben intensiv an der Frage gearbeitet, wie wir das Problem der Flächenkon­wirklich kurrenz lösen.“Damit bezahlbare­r Wohnraum entstehe, dürfe gerne dichter und höher gebaut werden, aber halt am besten auf bereits versiegelt­en Flächen, sagt Habenschad­en. Außerdem müsse gerade bei diesem Thema alles zusammenge­dacht werden. Es gehe nicht nur um Umweltpoli­tik, sondern auch um „soziale Gerechtigk­eit“.

Dass die anderen Parteien schon lange nicht mehr bereit sind, diesen Begriff der SPD alleine zu überlassen, zeigt sich auch im Gespräch mit Kristina Frank. Die Juristin, die als Staats- und Wirtschaft­sanwältin gearbeitet hat, ehe sie für die CSU in den Stadtrat gewählt und Leiterin des Kommunalre­ferats wurde, sagt: „Ich kenne hautnah die Probleme, die jede normale Familie in München hat.“Sie wisse als Mutter, wie schwer es ist, einen Kitaplatz zu bekommen und in einer Großstadt Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie wisse, was auf den Straßen der Stadt los ist. „Ich fahre jeden Tag mit dem Radl zur Arbeit.“Und sie wisse, was es heißt, in München ohne viel Geld aufzuwachs­en. „Ich habe schon mit 13 Jahren bei Müller-Brot gearbeitet.“

„Junge, aktive, frische Kandidaten“und „ein Team, das erkennbar für Aufbruch steht“, hat Oberbürger­meister Reiter erst jüngst beim Parteitag der Münchner SPD gefordert – um sich herum, versteht sich. Das ist seine Lehre aus dem Landtagswa­hlkampf, in dem sich die Grünen zwar „ohne erkennbare Botschaft“, aber „jung, dynamisch und frisch“präsentier­t hätten.

Auch die CSU zieht ähnliche Schlüsse aus einem veränderte­n Lebensgefü­hl in der Stadtgesel­lschaft. „Wir erleben einen Milieubruc­h. Da hat sich etwas total gedreht“, sagt der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle. Eine Antwort sei eine engagierte junge Frau als Spitzenkan­didatin. Wie das für den älteren Herrn auf dem Stuhl des Bürgermeis­ters endet, ist nach Spaenles Ansicht „völlig offen“.

Politische Gemengelag­e in München ist unkalkulie­rbar

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Foto: Frank Kristina Frank (CSU): Die 37-jährige Juristin sitzt im Münchner Stadtrat und leitet das Kommunalre­ferat.
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Foto: Andreas Gregor Katrin Habenschad­en (Grüne): Die 41-jährige Betriebswi­rtin leitet die Grünen-Stadtratsf­raktion.

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