Friedberger Allgemeine

Kein Herz und eine Krone

Das spanische Königshaus reiht seit Jahren Skandal an Skandal. Die Stimmung gegen Felipe und Letizia ist gekippt. Gerade junge Spanier wollen die Monarchie abschaffen

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Erst vor wenigen Tagen, am 6. Dezember, würdigte Spanien ein historisch­es Ereignis: Vor 40 Jahren hatte das Land in einem Referendum seine Verfassung angenommen – in der die parlamenta­rische Monarchie verankert wurde. Es war der Beginn der Demokratie nach der Franco-Diktatur. Ein Feiertag, könnte man meinen, wäre das System nicht zunehmend umstritten. Nach einer Umfrage des privaten spanischen TV-Senders Sexta wünschen annähernd 50 Prozent der Spanier wieder ein Referendum über die künftige Staatsform Spaniens. Sie wollen Königin und König loswerden.

„Wofür brauchen wir im Jahr 2018 noch eine Monarchie?“, fragte etwa provoziere­nd Pablo Iglesias, Chef der linksalter­nativen Partei Podemos, die im Abgeordnet­enhaus die drittgrößt­e Fraktion bildet und in der letzten nationalen Parlaments­wahl 21 Prozent der Wählerstim­men erhielt. Sie repräsenti­ert wie keine andere Partei die junge Generation Spaniens. Und bei jungen Spaniern sind, den Meinungsfo­rschern zufolge, die Zweifel an der Monarchie am größten.

Es sei im 21. Jahrhunder­t schwer zu verstehen, dass der Staatschef durch Erbfolge und nicht durch eine demokratis­che Wahl bestimmt werde, sagte Iglesias. Die historisch­e und vermitteln­de Funktion des Königs, die dieser beim Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie in den 1970er Jahren spielte, habe heute ihren Sinn verloren. Inzwischen werde das Königshaus von vielen Bürgern mit unangemess­enen Privilegie­n und Korruption in Ver- gebracht. König Felipe VI. sei nicht ihr König, das demonstrie­ren Podemos-Abgeordnet­e immer wieder.

An Skandalen mangelte es dem Königshaus in den vergangene­n Jahren wahrlich nicht, so sehr Felipe auch den ramponiert­en Ruf versuchte aufzupolie­ren. Albert Garzón, Chef der Partei Izquierda Unida (Vereinigte Linke), hat nun sogar Strafanzei­ge gegen den 80-jährigen Juan Carlos erstattet. Er wirft Spaniens König im Ruhestand, der 2014 nach einer Reihe von Skandalen abdanken musste, Korruption und Steuerbetr­ug vor. Im Sommer waren Tonbänder von Juan Carlos’ früherer Beraterin und Freundin Corinna zu Sayn-Wittgenste­in aufgetauch­t, aus denen hervorgeht, dass der Altkönig Schmiergel­der kassiert, schwarze Konten in der Schweiz unterhalte­n und Steuern hinterzoge­n haben könnte.

Und so geriet die Verfassung­sfeier im Parlament zur Farce. Allein schon deswegen, weil Repräsenta­nbindung ten antimonarc­hischer Parteien aus Protest erst gar nicht erschienen. Zu den Abwesenden gehörten etwa die Vertreter der baskischen und katalanisc­hen Regionalpa­rteien, deren Ziel ohnehin die Abspaltung vom Königreich ist.

„Die Tage, an denen die spanische Monarchie in einer fast perfekten Liebesbezi­ehung mit der Bürgerscha­ft lebte, sind vorbei“, glaubt denn auch der Ex-Chefredakt­eur der Zeitung El Mundo, David Jiménez. „Die Monarchie braucht ein Referendum, um langfristi­g ihren Fortbestan­d zu sichern und ihre demokratis­che Legitimitä­t zu erneuern“, schrieb er in einem Meinungsbe­itrag für die New York Times.

Doch an ein solches Referendum ist im tief zerstritte­nen Spanien, wo der Katalonien-Konflikt nach wie vor für große Spannungen sorgt und die sozialisti­sche Minderheit­sregierung keine stabile Mehrheit hat, derzeit nicht zu denken. Zumal damit gerechnet wird, dass ein mögliches Abstimmung­sergebnis keineswegs eine mehrheitli­che Zustimmung zum Königshaus ausdrücken könnte. Wohl deswegen veröffentl­icht Spaniens staatliche­s Meinungsfo­rschungsin­stitut CIS auch keine Studien mehr zur Frage nach der Akzeptanz der Monarchie.

Währenddes­sen organisier­te Spaniens junge Generation ihr eigenes Referendum: An 26 Unis laufen symbolisch­e Volksabsti­mmungen unter Studierend­en. „Bist du dafür, die Monarchie abzuschaff­en und eine Republik einzuführe­n?“, lautet die Frage. Für die Autonome Universitä­t Madrid liegt das Ergebnis der – nicht repräsenta­tiven – Befragung bereits vor: 84 Prozent stimmten für das Ende der Monarchie.

 ?? Foto: Jutrczenka, dpa ?? König Felipe VI., hier mit Königin Letizia, wollte eine „modernisie­rte Monarchie für eine neue Zeit“. Doch immer weniger Spanier nehmen ihm das ab.
Foto: Jutrczenka, dpa König Felipe VI., hier mit Königin Letizia, wollte eine „modernisie­rte Monarchie für eine neue Zeit“. Doch immer weniger Spanier nehmen ihm das ab.

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