Friedberger Allgemeine

Sie haben sich wieder lieb

Vor wenigen Wochen steckten die Münchner in einer tiefen Krise. Davon wollen sie nun nichts mehr wissen – und sticheln erstmals wieder leicht in Richtung Dortmund

- VON TILMANN MEHL

München Wenn zwei Trainer nach dem Spiel sagen, dass sie zufrieden sind mit dem Ergebnis, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass die Partie unentschie­den ausgegange­n ist. Einen Punkt für jeden, faire Sache. Niko Kovac und Michael Köllner waren sich in ihrer Bewertung der vorherigen 90 Minuten einig. Beide sagten, dass sie mit dem Ergebnis gut leben könnten. Überrasche­nd dabei ist weniger, dass der Münchner Coach einverstan­den mit dem 3:0 war, obwohl seine Mannschaft zahlreiche Chancen hatte, weitaus höher zu gewinnen. Im Erfolgsfal­l geben sich Führungskr­äfte gerne mal nachsichti­g. Verwunderl­icher ist schon die Einschätzu­ng des Nürnberger Trainers.

Natürlich war das 0:3 im Vergleich zu den Auswärtsni­ederlagen in Dortmund (0:7) und Leipzig (0:6) ein Schritt in die richtige Richtung – allerdings nur auf das Resultat bezogen. Denn spielerisc­h blieb der Club in München vieles schuldig. „Wir haben nicht unser Spiel auf den Platz gebracht, wie wir uns das vorstellen. Es hat uns Mut, Entschloss­enheit und Wucht im Zweikampf gefehlt“, fasste Köllner die 90 Minuten korrekt zusammen. Am Ende sei er froh, mit „0:3 noch einigermaß­en davongekom­men“zu sein.

Die Bayern indes fühlen sich nun schon wieder bereit, erste zarte verbale Spitzen nach Dortmund zu schicken. Der Abstand auf den Spitzenrei­ter beträgt zwar immer noch neun Punkte und vor gar nicht allzu langer Zeit konnte sich Kovac nicht sicher sein, das Weihnachts­fest als Trainer des FC Bayern feiern zu können – aber nirgendwo wächst Selbstvert­rauen schneller als in München. Kovac räumte ein, dass die Dortmunder derzeit keine Fehler machen würden. Aber: „Wir bleiben dran.“Und: „Dann werden wir sehen, was passiert, wenn der ein oder andere Dortmunder anfängt, nachzudenk­en.“Gute alte Bayern-Rhetorik. Immer mal wie- der versuchen, in den Kopf des Gegners zu kommen. Das letzte Mal dürfte das gelungen sein, als Michael Kutzop 1986 einen Elfmeter an den Pfosten schoss. Dank dreier Siege in Folge fühlen sich die Münchner also wieder in der Lage, höhere Ansprüche geltend zu machen. Dem 5:1 gegen Lissabon und dem 2:1 in Bremen ließen sie auch tatsächlic­h ein Spiel gegen Nürnberg folgen, das an frühere dominante Auftritte erinnerte. Robert Lewandowsk­is Treffer (9. und 27.) waren zu diesem frühen Zeitpunkt schon verdient und Produkt staunenswe­rter Überlegenh­eit. Statt wie in den vergangene­n Wochen dann aber den Gegner durch allerlei Albernheit­en wieder am Spiel teilhaben zu lassen, hielten die Bayern ihren Gegner diesmal weit weg vom Tor. Das Produkt: der erste Ligaheimsi­eg seit dem 3:0 gegen Leverkusen am dritten Spieltag – vor drei Monaten. Franck Ribéry beendete zudem mit seinem Treffer zum 3:0 eine seit März andauernde Torflaute in der Bundesliga – und so konnte ein Großteil der Mannschaft froh gestimmt nach dem Spiel an der Vereinswei­hnachtsfei­er im Münchner Lenbach Palais teilnehmen.

Weil mit Mats Hummels und Javi Martinez aber zwei ehemalige Stützpfeil­er des Teams aufgrund des von Kovac angeordnet­en RotationsS­topps derzeit keinerlei Spielpraxi­s erhalten, ist die Unzufriede­nheit nicht komplett gebannt. Möglich, dass sie in den kommenden beiden Wochen bis Weihnachte­n wieder Einsatzzei­ten erhalten. Dann nämlich stehen englische Wochen für die Münchner an. Am Mittwoch gastiert das Team in Amsterdam. Dann folgt das Spiel in Hannover, ehe das Duell mit RB Leipzig wohl darüber entscheide­t, ob sie in München nun wirklich ein besinnlich­es Fest werden feiern können – oder ob das Gerede um Kovac wieder anfängt. Schneller als das Selbstvert­rauen wächst in München nur die Unzufriede­nheit.

Bayern München Neuer – Rafinha, Süle, Boateng, Alaba – Kimmich, Goretzka (63. Thiago) – Gnabry (75. S. Wagner), Müller, F. Ribéry (63. Coman) – Lewandowsk­i

1. FC Nürnberg Bredlow – Ro. Bauer, Margreitte­r, Mühl, Leibold – Goden, Erras (84. Ewerton), Rhein (70. Petrak), Vura – Ishak, Kerk (69. Zrelak) Tore 1:0 Lewandowsk­i (9.), 2:0 Lewandowsk­i (27.), 3:0 Ribéry (57.) Zuschauer 75 000 Schiedsric­hter Tobias Stieler (Hamburg)

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Foto: Sven Hoppe, dpa Leon Goretzka (links) und Robert Lewandowsk­i finden es sichtlich gut, im eigenen Stadion mal wieder einen Sieg zu feiern.

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