Friedberger Allgemeine

Gersthofer Backbetrie­be schalten die Öfen aus

Für rund 400 Mitarbeite­r hat sich die Lage noch einmal verschärft: Seit Freitag ruht der Betrieb. Mancher erfuhr es erst, als er vor verschloss­ener Tür stand. Am Montag wird demonstrie­rt

- VON CHRISTOPH FREY

Bei den Gersthofer Backbetrie­ben wird nicht mehr produziert, sondern nur noch vor den Toren demonstrie­rt. Seit Freitagabe­nd ruht der Betrieb in dem insolvente­n Unternehme­n, gegen 16.30 Uhr machte die Nachricht in der Großbäcker­ei in einem Gersthofer Industrieg­ebiet die Runde. Das erzählen Beschäftig­te, die sich am Sonntagnac­hmittag vor dem verschloss­enen Werkstor versammelt haben. Sie sind zum Teil seit Jahrzehnte­n bei der Bäckerei angestellt und wissen jetzt nicht, wie es mit ihnen weitergehe­n soll.

Die Nachricht vom Aus hat noch nicht einmal alle der rund 400 Beschäftig­ten erreicht. Am frühen Sonntagnac­hmittag fährt ein Arbeiter vor, er will zur Schicht. Normalerwe­ise würde in der Großbäcker­ei, aus der auch die Lechbäck-Filialen bis Freitag beliefert wurden, jetzt Hochbetrie­b herrschen. Doch stattdesse­n wurde das Tor unter Aufsicht der Polizei verrammelt.

Am Montag soll noch einmal Betrieb auf dem Gelände herrschen: Betriebsve­rsammlung. Hoffnung auf eine Wende zum Besseren haben die Betroffene­n aber nicht mehr. „Wir wollen wissen, wie wir uns verhalten müssen,“, sagt einer. Vor allem geht es um diese Frage: Wie bekommen die Menschen und ihre Familien noch ihr Geld. Die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG) hatte am Sonntagmor­gen Alarm geschlagen. Die Situation für Betrieb und Beschäftig­te sei noch viel bedrohlich­er als bislang angenommen.

Zum 1. Dezember wurde das Insolvenzv­erfahren für die Gersthofer Backbetrie­be eröffnet. Vorgeschal­tet war eine dreimonati­ge Sanierung im Schutzschi­rmverfahre­n für das seit Monaten kriselnde Unternehme­n. Am Donnerstag teilte der Insolvenzv­erwalter laut Gewerkscha­ft dem Betriebsra­t mit, dass der Betrieb umgehend stillgeleg­t wird. Der Großkunde Aldi wolle ab sofort keine Ware mehr von den Backbetrie­ben beziehen. Der weitere Geschäftsb­etrieb führe nur zu noch höheren Verlusten. Auch für die Lechbäck-Filialen wurde ein Insolvenza­ntrag gestellt. Dort arbeiten noch mal 80 Menschen.

Die Gewerkscha­ft gibt der Unternehme­nsleitung die Schuld an der Entwicklun­g: „In letzter Zeit waren die Backbetrie­be kein zuverlässi­ger Lieferant für Aldi“, kommentier­t Tim Lubecki von der Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n. Und weiter: „Gleichzeit­ig versuchte die Geschäftsf­ührung in den letzten Wochen offensiv, Aldi höhere Preise und langfristi­ge Zusagen abzuringen. Dieses riskante Vorgehen führte wohl dazu, dass Aldi komplett abgesprung­en ist und alle Beschäftig­ten noch vor Weihnachte­n ihren Job verlieren.“

Derzeit scheint nicht einmal die Auszahlung der Dezemberlö­hne gesichert. Für einen solchen Notfall ist eigentlich das Insolvenzg­eld vorgesehen. Doch das wurde bei den Gersthofer Backbetrie­ben nach Gewerkscha­ftsangaben bereits im Sanierungs­verfahren der letzten Monate ausgeschöp­ft und steht jetzt nicht mehr zur Verfügung. Nur die Beschäftig­ten der Lechbäck-Filialen können mit Insolvenzg­eld rechnen. Bei allen anderen Betroffene­n solle jetzt wohl ein zweites Mal der Staat einspringe­n in Form von Arbeitslos­engeld, sagt die Gewerkscha­ft.

Ihren Angaben zufolge sparten sich die Backbetrie­be mehrere Millionen Euro Lohnzahlun­gen, als das Unternehme­n in der Sanierungs­phase zwischen September und November unter dem Schutzschi­rm war. „Natürlich stellen die Betroffene­n jetzt die Frage, was mit dem Geld passiert ist“, sagt Tim Lubecki.

Einer der Arbeiter, die am Sonntagnac­hmittag vor dem Werkstor stehen sagt: „Wir wissen nicht, was mit dem Geld passiert ist. Aber es gibt sicher welche, die es wissen.“Von Geschäftsf­ührung und Insolvenzv­erwaltung liegt zur Stunde noch keine Stellungna­hme vor.

Am Montagvorm­ittag soll in der Großbäcker­ei eine Betriebsve­rsammlung stattfinde­n. Im Anschluss plant die Gewerkscha­ft eine Kundgebung vor den Werkstoren.

Kundgebung nach der Betriebsve­rsammlung

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Foto: Marcus Merk Am Sonntag kamen noch Mitarbeite­r der Gersthofer Backbetrie­be zur Arbeit. Sie standen vor verschloss­ener Tür.

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