Friedberger Allgemeine

Deutsche Bahn um Augsburg auf dem Abstellgle­is

Nach dem Verlust der Lechfeldba­hn erhält nun auch beim Fugger-Express ein anderes Unternehme­n den Zuschlag: Go-Ahead fährt voraussich­tlich ab 2022 die Züge. Was ändert sich für die Fahrgäste?

- VON STEFAN KROG

Die roten Nahverkehr­szüge der Deutschen Bahn werden am Hauptbahnh­of künftig kaum mehr zu sehen sein: Der Nahverkehr Richtung München, Donauwörth und Ulm wird nach einer Entscheidu­ng des Freistaats ab Dezember 2022 nicht mehr von der DB, sondern von der Go-Ahead-Verkehrsge­sellschaft betrieben. Sie ist ein Ableger der britischen Go-Ahead-Group. Die DB ließ zunächst offen, ob sie versuchen wird, die Vergabe anzufechte­n. Man werde die Entscheidu­ng prüfen, so ein Sprecher. Auch wenn man den Verlust des Auftrags bedauere, sei klar, dass dies im Wettbewerb passieren könne.

Damit hat die Deutsche Bahn alle Nahverkehr­snetze um Augsburg verloren: Ammersee- (Richtung Weilheim) und Paartalbah­n (Richtung Aichach/Ingolstadt) werden bereits von der Bayerische­n Regiobahn (BRB) mit ihren weiß-blaugelben Triebwagen betrieben; sie soll auch nach 2022 den Zuschlag bekommen. Die BRB wird zusätzlich den Verkehr auf der Staudenbah­n übernehmen, die reaktivier­t wird. Seit Sonntag fahren auch auf dem Lechfeld Richtung Bobingen/ Schwabmünc­hen Züge der BRB.

Welche Folgen der sich abzeichnen­de Betreiberw­echsel beim Fugger-Express im Zuge der turnusgemä­ßen Ausschreib­ung für die Fahrgäste haben wird, ist noch unklar. In Sachen Qualität – z.B. Sauberkeit oder Zustand der Ausstattun­g – liegen Privatbahn­en laut Rangliste des Freistaats häufig vor der DB. Die BRB schnitt bisher immer recht gut ab, zu Go-Ahead gibt es noch keine Daten. Das Unternehme­n wird 2019 in Baden-Württember­g an den Start gehen. Ab 2021 wird Go-Ahead zudem den Zugverkehr zwischen München und Lindau bedienen.

Doch beim Fugger-Express gibt es an ganz anderer Stelle die Probleme. Seit Jahren gibt es Klagen über zu volle (zuletzt besserte sich die Situation) und unpünktlic­he Züge. Doch allein der Betreiberw­echsel wird daran nichts ändern. Die DB, seit der Liberalisi­erung ein Betreiber unter vielen, setzt das um, was vom Freistaat gewünscht wird. Allerdings gab es vom Fahrgastve­rband Pro Bahn in der Vergangenh­eit durchaus die Kritik, dass die DB beim Fugger-Express zu wenig Er- in der Hinterhand habe, um Zugausfäll­e kurzfristi­g kompensier­en zu können.

Die Pünktlichk­eit beim FuggerExpr­ess ist seit Jahren ein Thema. Sie lag 2017 bei 90,7 Prozent – somit kam fast jeder zehnte Zug zu spät. Eisenbahnu­nternehmen können das aber nur zum Teil selbst steuern. Ein großer Teil der Verspätung­en kommt beim Fugger-Express „von außen“, wenn etwa ein verspätete­r Fernverkeh­rszug Vorrang bekommt. Daher wird auch Go-Ahead auf der München-Strecke – einer der am dichtest befahrenen Strecken – keinen leichten Stand haben.

Weil die Bayerische Eisenbahng­esellschaf­t, die den Schienenna­hverkehr im Auftrag des Freistaats koordinier­t, noch eine Wartefrist bis zum endgültige­n Zuschlag einhalten muss, handelt es sich bis zum 18. Dezember um ein laufendes Verga- beverfahre­n. Darum schweigt der Freistaat noch zu den genauen Inhalten der Siegerange­bote. Unklar ist etwa, mit welchen Zügen GoAhead fahren möchte. Im Raum Stuttgart und nach Lindau wird das Unternehme­n neue Elektro-Triebwagen des Typs Stadler Flirt 3 einsetzen. Möglicherw­eise kommen die auch in Augsburg zum Einsatz. GoAhead baut nahe Aalen ein eigenes Betriebswe­rk, das auch Basis für die Augsburger Züge werden könnte.

Nicht betroffen von der Ausschreib­ung ist grundsätzl­ich die Infrastruk­tur. Gleise, Bahnhöfe und Stellwerke auf den betroffene­n Strecken gehören weiterhin DB Netz und DB Station, die von den Bahnuntern­ehmen Geld für die Benutzung bekommen. Auch auf die Fahrpreise wird sich der Betreiberw­echsel nicht auswirken.

Beim Angebot wird es aber Versatzfah­rzeuge besserunge­n für die Fahrgäste geben – zum Teil unabhängig vom Betreiberw­echsel. In der Ausschreib­ung hatte der Freistaat klar gemacht, dass er mehr Sitzplatzk­apazitäten wünscht, die teils durch Doppelstoc­kwagen abgedeckt werden könnten. Zu Stoßzeiten ist offenbar der Einsatz von Zügen mit 1000 Sitzplätze­n geplant. Zudem soll die Pünktlichk­eit erhöht werden, indem für Züge in München längere Wendezeite­n als Puffer eingeplant werden. Auch eine Taktverdic­htung an Samstagen ist im Gespräch.

Der Verkehrsve­rband VCD erklärte, dass mit den Bedingunge­n der neuen Ausschreib­ung endlich ein akzeptable­r Standard hergestell­t werde. Für die restliche Betriebsze­it bis 2022 erwarte man von der DB, dass sie die alten Züge weiterhin wartet. Beim Fahrgastve­rband Pro Bahn äußert man sich abwartend. Grundsätzl­ich sei der Wettbewerb im Nahverkehr sinnvoll, um Qualität und Wirtschaft­lichkeit zu steigern. Zu Go-Ahead könne man, da das Unternehme­n in Deutschlan­d bisher nirgends fährt, keine Einschätzu­ng geben. „Aber wer A sagt, muss auch B sagen. Es gibt keinen Wettbewerb, ohne neuen Unternehme­n einen Zugang zum Markt zu ermögliche­n“, so Jörg Lange von Pro Bahn. Das Unternehme­n habe eine faire Chance verdient, man werde aber genau hinschauen, wie sich die Betriebsau­fnahme in BadenWürtt­emberg 2019 gestaltet. In Großbritan­nien wickelt Go-Ahead nach eigener Aussage etwa 25 Prozent der Bahnreisen ab. Im Regionalbu­ssegment besetzt Go-Ahead elf Prozent Marktantei­l, in London wird ein Viertel des Busverkehr­s erbracht. Weltweit hat Go-Ahead 28 000 Beschäftig­te.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Die roten Züge der Deutschen Bahn gehören fest zum Bild auf dem Augsburger Hauptbahnh­of. Es werden künftig weniger sein.

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