Friedberger Allgemeine

Leidtragen­de sind die Bürger

Die finanziell­e Blockade dauert so lange wie noch nie. Für die Menschen im Zwangsurla­ub bedeutet dies massive Einschränk­ungen. Zum Beispiel für Ex-Gefängnisk­och Clifton Buchanan

- Christiane Jacke, dpa

Washington Für Clifton Buchanan wird es jetzt eng. Der Mann aus Texas hat zum Ende der Woche wegen des „Shutdowns“in den USA zum ersten Mal keinen Gehaltssch­eck bekommen – wie hunderttau­sende andere Amerikaner auch. Erspartes hat der 50-Jährige nicht, dafür aber eine Familie zu ernähren und ein Haus abzubezahl­en. Buchanan ist Alleinverd­iener, hat eine Frau und eine elfjährige Tochter. Er ist einer von rund 800 000 Bundesbedi­ensteten, die seit kurz vor Weihnachte­n im unbezahlte­n Zwangsurla­ub ausharren oder ohne Bezahlung weiterarbe­iten müssen, weil ein politische­r Streit Teile des Regierungs­apparats in den USA lahmlegt.

Die vergangene­n drei Wochen waren schon belastend für Buchanan. Aber durch die ausgefalle­ne Gehaltszah­lung ist er nun – wie viele andere auch – richtig in Schwierigk­eiten. Seit Samstag ist es der längste „Shutdown“in der US-Geschichte – und ein Ende nicht in Sicht. US-Präsident Donald Trump bekräftigt­e am Wochenende nochmals, dass der Stillstand lange andauern könne, sollten die Demokraten nicht auf seine Forderung nach einer Mauer an der Grenze zu Mexiko eingehen.

Buchanan arbeitet seit mehr als 20 Jahren für den Staat. Eigentlich ist er Gefängnisk­och. Seit ein paar Jahren ist er angestellt als Arbeitnehm­ervertrete­r für Gefängnism­itarbeiter in Texas und Staaten nebenan. Seit drei Wochen ist er zwangsbeur­laubt, ohne Gehalt. Buchanan ein großer, wuchtiger Mann mit Rauschebar­t und tiefer Stimme. Trotzdem wirkt er nun etwas hilflos. Er könne keine Rechnungen mehr bezahlen, sagt er. Und ab sofort auch nur noch das Nötigste kaufen: Essen, Sprit, Schulsache­n für seine Tochter. „Ich habe immer meine Rechnungen bezahlt, ich war noch nie zu spät dran.“Nun ist das anders. Er habe Angst, sein Haus und sein Auto zu verlieren, wenn er die Kreditrate­n dafür nicht mehr zahlen könne, erzählt Buchanan. Rücklagen hat er nicht. Bei einem einzelnen Einkommen für seine dreiköpfig­e Familie bleibe am Ende des Monats nichts übrig. „Ich habe kein Erspartes. Wir leben von Gehaltssch­eck zu Gehaltssch­eck.“

So geht es vielen Amerikaner­n. Die US-Notenbank berichtete im vergangene­n Jahr, 40 Prozent der Amerikaner könnten eine unerwartet­e Ausgabe in Höhe von 400 Dollar (knapp 350 Euro) nicht stemmen, ohne sich Geld zu leihen oder Besitz zu verkaufen. Und genau das tun nun einige in ihrer Not: Die ersten Bundesbedi­ensteten durchstöbe­rn ihr Zuhause und verhökern im Internet Habseligke­iten, um ein bisschen Geld reinzubeko­mmen.

Etliche haben Anzeigen auf der Plattform GoFundMe geschaltet, posten dort Bilder von ihrer Familie und erzählen von ihren finanziell­en Schwierigk­eiten – in der Hoffnung auf Spenden. Sie habe nie im Leben gedacht, dass sie mal auf der Plattform um Spenden bitten müsste, schreibt eine alleinerzi­ehende Mutter aus Arizona dort. Aber wegen des „Shutdowns“wisse sie sich nicht anders zu helfen. Manche halten auch schon nach anderen Jobs Aus- schau – für den Fall, dass der „Shutdown“noch lange anhält.

Trump hat damit gedroht, der Zustand könne Monate oder sogar Jahre andauern. Damit wollte er Druck auf die Demokraten machen, mit denen er seit Wochen um Milliarden über eine Grenzmauer zu Mexiko streitet. Verängstig­t hat er aber vor allem jene, die zu Hause sitzen und nicht wissen, wie sie die nächste Miete zahlen sollen.

Auch Freda McDonald bekommt Probleme. Die 56-Jährige arbeitet für die Katastroph­enschutzbe­hörde Fema, ist zuständig für Verträge mit Subunterne­hmern. Auch sie ist seit drei Wochen zwangsbeur­laubt, hockt zu Hause und hat ebenfalls keinen Gehaltssch­eck bekommen. McDonald verdient normalerwe­ise gut, lebt allein, hat keine Familie zu versorgen. Aber sie hat eine schwere Erbkrankhe­it, lässt seit Jahren Operatione­n und Behandlung­en über sich ergehen, kann nur mithilfe eines Rollators laufen. Sie muss viele Medikament­e nehmen und ist Dauergast bei Ärzten. Das kostet. McDonald ist zwar krankenver­sichert, aber einen Teil der Kosten muss sie selbst tragen. „In einem normalen Monat sind das 1200 bis 1500 Dollar“, erzählt sie. Den ersten ausgefalle­nen Scheck könne sie verkraften. „Aber wenn der nächste Ende des Monats nicht kommt, dann kriege ich Panik.“

McDonald arbeitet wie viele Bundesbedi­enstete in Washington. In der US-Hauptstadt klagen die Laist denbesitze­r über sinkende Einnahmen. Auch anderswo in der Stadt sind die Auswirkung­en des „Shutdowns“spürbar: Museen sind geschlosse­n, der Zoo auch, selbst das Standesamt machte zeitweise dicht. Ein Viertel des Regierungs­apparats – inklusive der untergeord­neten Behörden – ist seit dem 22. Dezember lahmgelegt, weil Trump kein Budgetgese­tz unterschre­iben will, solange er kein Geld für eine Grenzmauer zu Mexiko bekommt.

Bestimmte Dinge laufen auch in „Shutdown“-Zeiten weiter. Viele Mitarbeite­r aus sicherheit­ssensiblen Bereichen müssen weiterarbe­iten – ohne Bezahlung: etwa an Flughäfen, bei Bundespoli­zei oder Grenzschut­z. Auch aus ihren Reihen kommen Klagen, dass der „Shutdown“allmählich Schaden anrichtet. Und der Frust wächst. Laut Gewerkscha­ftern meldeten sich etwa bei der Flugsicher­heitsbehör­de zuletzt deutlich mehr Mitarbeite­r krank als sonst. Das macht sich allmählich an den Flughäfen bemerkbar.

Trump behauptet, viele der betroffene­n Bedienstet­en unterstütz­ten seinen Kurs trotz aller Härten. Clifton Buchanan schüttelt den Kopf. „Ich nicht“, sagt er. „Und ich kenne auch niemanden, der das tut.“Er macht Trump für die Lage verantwort­lich, aber auch die Demokraten. Empfindet er Wut? „Ich bin jenseits von wütend“, antwortet er. „Ich bin nur noch enttäuscht.“

Wie viele Amerikaner hat er keine Rücklagen

Frau kann bald Medikament­e nicht mehr bezahlen

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Foto: Brynn Anderson, dpa Die Haushaltss­perre in den USA trifft jetzt auch die Flughäfen wie hier in Miami (Florida), denn wegen des „Shutdown“melden sich immer mehr Bedienstet­e krank. Für die Passagiere bedeutet dies, viel Geduld mitzubring­en.
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Clifton Buchanan

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