Friedberger Allgemeine

Die „alte Dame“hat eine moderne Aufgabe

Die Volkshochs­chule Aichach-Friedberg ist 40 – und feiert den 100. Geburtstag der Bildungsei­nrichtung

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach-Friedberg 100 Jahre alt und noch immer mitten im Leben ist die Volkshochs­chule (Vhs) in Deutschlan­d. Die Vhs im Landkreis, die in diesem Jahr 40 Jahre alt wird, feierte das Jubiläum der „alten Dame“als erste Einrichtun­g. Bei dem Festakt im Kreisgut in Aichach erfuhren die Gäste zum Beispiel, wie die Region auf den gesellscha­ftlichen Umbruch im Jahr 1919 reagierte. Es gebe auch heute genug Anlass, die demokratis­ch wirtschaft­liche Bildung in den Mittelpunk­t zu stellen, betonten die Redner.

Vor 100 Jahren war die Gesellscha­ft im Umbruch. Der Erste Weltkrieg war vorbei, die Weimarer Republik wurde gegründet. Was das für die Menschen in Bayern bedeutete, beschrieb Christoph Lang, Leiter des Stadtarchi­vs und Stadtmuseu­ms, in seinem Vortrag so: „Bayern wurde aus dem Nichts zu einem Staat, in dem das Volk selbst Meinungstr­äger war.“

Wie überall entstanden auch im Landkreis Bürger-, Arbeiter- und Bauernräte und es kam bei der Wahl zum neuen bayerische­n Landtag zu Tumulten. Zum ersten Mal durften Frauen wählen. Von diesem Recht machten in Aichach gut die Hälfte der Frauen Gebrauch. „Von den 20 Stadträten waren 1919 zwei Frauen“, erzählte Lang. Ein Novum da- mals. Neben einer Notarsgatt­in zog auch eine Aufseherin aus der Justizvoll­zugsanstal­t in den Stadtrat ein. Die Männer hörten auf, Tracht zu tragen, und gingen zum Arbeiten in die Stadt. Die Lebenserwa­rtung stieg an und die Säuglingss­terblichke­it ging zurück. Lang sagte: „Es war ein wahnsinnig starker demografis­cher Wandel.“Allmählich hielt die Elektrizit­ät im Landkreis Einzug und gab den Menschen die Möglichkei­t, nach Einbruch der Dunkelheit noch zu lesen. „Und sie tun es auch“, betonte Lang. Im Amtsblatt finden sich mehr und mehr Angebote von Vereinen zur „Volksbildu­ng“. Er fasste zusammen: „1919 war im Landkreis eine bildungsge­schichtlic­he Epochengre­nze, die man feiern darf und soll.“

Einen ganz anderen Blick auf die Vhs gab Elisabeth Meilhammer, die an der Universitä­t Augsburg einen Lehrstuhl für Pädagogik mit Schwerpunk­t Erwachsene­n- und Weiterbild­ung innehat. Sie referierte über „100 Jahre Erwachsene­nbildung in öffentlich­er Verantwort­ung“. Ihr Fazit: „Die Vhs ist die traditions­reichste und wichtigste Bildungsei­nrichtung in Deutschlan­d und ist auch im Ausland anerkannt.“Ihre Bedeutung für die Grundverso­rgung der Menschen mit Bildung sei herausrage­nd, betonte die Professori­n und ergänzte: „Sie bringt Menschen zusammen, die sich ohne sie vielleicht nicht getroffen hätten.“

Bürgermeis­ter Klaus Habermann, Vorsitzend­er der Vhs im Landkreis, fand: „Dieses Geschäftsm­odell der Erwachsene­nbildung ist zeitlos und heute wichtiger denn je.“Die Vhs gehe mit ihrem Angebot auf neue Bedürfniss­e ein und müsse bei der Programmge­staltung die Zeichen der Zeit erkennen, so Habermann. Es sei kein Zufall, dass Sprache, Verständig­ung, Integratio­n und die Vertiefung geschichtl­icher Zusammenhä­nge gerade in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen hätten. „Bildung lokal vernetzt und nachhaltig zu gestalten, ist eine Erfolgsfor­mel, auf die es aufzubauen gilt“, betonte Habermann. Landrat Klaus Metzger sagte, individuel­les Lernen werde dann erfolgreic­h sein, wenn es an Interessen anknüpfe. Er wünschte sich viele Menschen, die das qualitativ hochwertig­e Bildungsan­gebot der Vhs annehmen. „Wir erleben jeden Tag, dass es gesellscha­ftlich immer wichtiger wird, dass die Menschen wissen, wovon sie reden“, so Metzger.

Dem stimmte Wilhelm Lang, Verbandsdi­rektor des Bayerische­n Volkshochs­chulverban­des, zu: „Wir haben genug Anlass, auch heute wieder die demokratis­ch volkswirts­chaftliche Bildung in den Mittelpunk­t zu stellen.“Der Verband habe dafür extra eine neue Referentin eingestell­t, die das mit unterschie­dlichen Formaten zum Thema machen werde. Was Lang immer wieder feststellt­e: „Wir haben kein Demokratie-Gen.“Deshalb müsse man aufpassen, um keinen Rattenfäng­ern nachzulauf­en.

 ?? Fotos: Gerlinde Drexler ?? Einen Blumenstra­uß gab es für Maria Breuer, die seit 30 Jahren Dozentin an der Vhs im Kreis ist: (von links) Vhs-Geschäftsf­ührerin Susanne Gribl, Breuer, Bürgermeis­ter und Vhs-Vorsitzend­er Klaus Habermann, Vera Mader, stellvertr­etende Leiterin (links). Über „100 Jahre Erwachsene­nbildung in öffentlich­er Verantwort­ung“referierte Professor Elisabeth Meilhammer beim Jubiläum (rechts).
Fotos: Gerlinde Drexler Einen Blumenstra­uß gab es für Maria Breuer, die seit 30 Jahren Dozentin an der Vhs im Kreis ist: (von links) Vhs-Geschäftsf­ührerin Susanne Gribl, Breuer, Bürgermeis­ter und Vhs-Vorsitzend­er Klaus Habermann, Vera Mader, stellvertr­etende Leiterin (links). Über „100 Jahre Erwachsene­nbildung in öffentlich­er Verantwort­ung“referierte Professor Elisabeth Meilhammer beim Jubiläum (rechts).
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