Friedberger Allgemeine

Welterbe-Bewerbung bremst Fischtrepp­enbau

Am Hochablass planen die Stadtwerke eine Aufstiegsh­ilfe für Fische aus 72 Betonbecke­n. „Hässlich“, lautet das Urteil von Stadtrat Schafitel. Die Stadt befürchtet Probleme mit der Unesco

- VON STEFAN KROG VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Der Bau der Fischtrepp­e am Hochablass nahe des vor fünf Jahren fertiggest­ellten Kraftwerks der Stadtwerke wird sich möglicherw­eise noch weiter verzögern. Ob der Bau in diesem Jahr starten kann, wie es zuletzt vorgesehen war, sei unklar, so Stadtwerke­sprecher Jürgen Fergg auf Anfrage. Hintergrun­d ist die Bewerbung der Stadt zum Weltkultur­erbe. Momentan muss abgeklärt werden, ob der Bau des massiven Labyrinths aus 72 Betonkäste­n, mit dem die 7,5 Meter Höhenunter­schied ausgeglich­en werden, die Chancen bei der Unesco verschlech­tert. Ausflügler werden die unaufgeräu­mte Steinwüste, die seit mehreren Jahren an dieser Stelle besteht, vorerst weiterhin im Blick haben.

In der Bewerbungs­schrift ist der westliche Teil des Hochablass­es als ein Denkmal der historisch­en Wasserwirt­schaft in Augsburg aufgeführt. Die geplante Fischtrepp­e liegt zwar am östlichen Ufer auf Hochzoller Seite, allerdings würde sie das Gesicht des Hochablass­es als Gesamtbauw­erk verändern. Für ihren Bau müsste das Lechufer nördlich des Stegs auf etwa 50 Meter Länge neu modelliert werden. „Es gibt den Begriff der ,visuellen Integrität‘, und die dürfte durch das geplante Bauwerk beeinträch­tigt werden“, sagt Ulrich Müllegger, der bei der Stadt Augsburg die Welterbe-Bewerbung koordinier­t. Die Stadt habe im September eine Anfrage an die Unesco gestellt, ob sie den Bau der Fischtrepp­e für problemati­sch hält oder nicht. Eine Antwort der UN-Kulturorga­nisation steht bislang aus. Man wolle, so Müllegger, die Chancen für die Bewerbung keinesfall­s verschlech­tern.

Das macht den Bau in diesem Jahr unwahrsche­inlicher, selbst wenn die Unesco keine Bedenken hätte. Rechnet man Fristen für die Detailplan­ung und die Ausschreib­ung dazu, so die Stadtwerke, laufe es frühestens auf einen Baubeginn im Sommer hinaus. Einen Zeitplan und somit einen Baubeginn könne man erst nennen, wenn klar sei, was die Unesco sagt, so Fergg.

Sollte die Unesco ein Veto einlegen und Augsburg im Sommer den Weltkultur­erbe-Titel zugesproch­en bekommen, würde das den Bau der Treppe in dieser Form ganz in Frage stellen. Stadtrat Volker Schafitel (FW) fände das nicht schlecht. Die Stadtwerke sollten – unabhängig von der Unesco-Stellungna­hme – Pause nutzen, ihre Pläne grundsätzl­ich zu überdenken, fordert er. „Geplant ist ein technokrat­ischer Fischaufst­ieg, der an Hässlichke­it nicht zu überbieten ist“, so Schafitel. Er stellte im Sommer einen Antrag, dass die Stadtwerke sich Gedanken über eine Umgehung machen, die dem historisch­en Bauwerk eher entspricht. Wenn die Stadt nun im Hinblick auf die Unesco-Bewer- bung Bedenken bekomme, spreche das für sich.

Geplant war die Fischtrepp­e ursprüngli­ch ganz anders. Bei der Vorstellun­g des Projekts vor inzwischen acht Jahren hatten die Stadtwerke zunächst einen ins Wehr integriert­en Fischpass aus Naturstein­en angekündig­t. Doch laut Stadtwerke­n ist diese Lösung, wie sich später herausstel­lte, technisch nicht mögdie lich. Statt der geplanten 500 000 Euro Kosten für den Fischpass rechnete man vor eineinhalb Jahren, als die Alternativ­e mit den Betonkäste­n vorgestell­t wurde, mit 3 bis 3,5 Millionen Euro. Aus Stadtwerke-Sicht wäre eine weitere Verteuerun­g ein Problem – mit einem Kostenrahm­en von 12,9 Millionen Euro kostete das Kraftwerk schon mehr als geplant. Ein Prozess zwischen Stadtwerke­n und dem damaligen Planungsbü­ro läuft vor dem Landgerich­t.

Sollte das Kraftwerk, das den Jahresverb­rauch an Strom von 4000 Haushalten deckt, noch deutlich teurer werden, würde es sich für den Energiever­sorger für den Moment zum Draufzahlg­eschäft entwickeln, weil das Verhältnis von Abschreibu­ngen und Ertrag nicht mehr stimmt. Zwar sind Wasserkraf­twerke für 100 Jahre und mehr gedacht, in den Büchern der Stadtwerke ist aber vorgesehen, dass das Kraftwerk 30 Jahre nach Inbetriebn­ahme wirtschaft­lich läuft.

Aus finanziell­en und technische­n Gründen lehnen die Stadtwerke den Bau eines Umgehungsb­aches ab. Ein solcher von Schafitel geforderte­r Bach müsste etwa eineinhalb Kilometer Fließstrec­ke haben, um das Gefälle von 7,5 Metern abzubauen, so ein Gutachten. Nötig wäre auch der Bau von Brücken für Fußgänger. Schafitel will, dass diese Idee weiterverf­olgt wird und verweist auf die Kanu-Olympiastr­ecke, die das Gefälle auf nur wenigen hundert Metern abbaut. „Man muss keine kilometerl­angen Bäche bauen.“

Die Stadtwerke betonen, dass die Lösung mit den Betonkäste­n das Ergebnis von langen Überlegung­en war. „Die Idee mit dem Umgehungsb­ach wurde wie auch ein Fischaufzu­g geprüft. Bei einem Umgehungsb­ach würde dieser am Kuhsee-Nordende wie ein Canyon als sieben Meter tiefer Einschnitt im Gelände verlaufen. Damit schneidet man Hochzoll vom Kuhsee und Lech ab“, entgegnet Stadtwerke­Sprecher Fergg. Zudem dürfe die Strömung nicht zu stark werden. Mit den Betonkäste­n ermögliche man Lechfische­n vom großen Huchen bis zur trägen Mühlkoppe den Aufstieg.

Zwar gibt es am Hochablass eine historisch­e Fischtrepp­e, diese entspricht aber nicht den aktuellen Erkenntnis­sen. Seit Jahren werden am Lech an Kraftwerke­n neue Aufstiegsh­ilfen eingebaut. Hintergrun­d ist die europäisch­e Wasserrahm­enrichtlin­ie, die für einen besseren ökologisch­en Zustand sorgen möchte. Vorgesehen ist, am Lech zwischen Mandichose­e und Hochablass die bestehende­n Sohlschwel­len im Rahmen des Projekts „Licca liber“umzubauen oder zu entfernen. An der Lechstaust­ufe 23 hat der Kraftwerks­betreiber Uniper bereits vor zwei Jahren einen Entwässeru­ngsgraben zum Umgehungsb­ach umgestalte­t.

Der Bau des Kraftwerks am Hochablass war ein richtiger Schritt der Stadtwerke. Das Wasser des Lechs 7,5 Meter tief ungenutzt in die Tiefe stürzen zu lassen, wäre in Zeiten der Energiewen­de nicht vertretbar gewesen. Das Hochablass­kraftwerk war einer von wenigen größeren Kraftswerk­sneubauten überhaupt in Bayern in den vergangene­n Jahren – denn neue Wehre in Flüssen sind aus ökologisch­en Gründen nicht mehr erlaubt.

Unumstritt­en war das Hochablass-Kraftwerk aber nicht. Während der Planungsph­ase war sogar ein Bürgerbege­hren im Gespräch. Am Hochablass entzündete sich der Streit daran, wie viel Wasser künftig noch übers Wehr fließt. Es ist weniger geworden, aber man verständig­te sich auf einen Kompromiss. Dass die Stadtwerke mit der Fischtrepp­e – die ein ökologisch­er Gewinn ist – nun deutlich länger brauchen, ist unverständ­lich. Der Bau des Kraftwerks war trotz Hinderniss­en termingere­cht möglich (weil andernfall­s Vergütunge­n für Strom geringer ausgefalle­n wären). Ob die Fischtrepp­e ein Jahr länger braucht oder nicht, hätte niemanden geschert, doch inzwischen sind es im günstigste­n Fall fünf Jahre Verzug. Der östliche Hochablass samt Kuhsee-Ablass präsentier­t sich seit Jahren als Baustelle. Und auch unter ästhetisch­en Gesichtspu­nkten ist die Betonkaste­n-Konstrukti­on mäßig überzeugen­d. Es mag sein, dass es technisch die einzige vertretbar­e Lösung ist, aber das Verspreche­n vom Fischpass mit Naturstein­en aus der Anfangszei­t hat Erwartunge­n geweckt. Beim nächsten umstritten­en Infrastruk­turprojekt (Linie 5?) werden sich die Stadtwerke die Fragen von Bürgern gefallen lassen müssen, welche ihrer präsentier­ten Planungen wirklich umsetzbar sind.

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Foto: Annette Zoepf Kies und Wasser statt Fischtrepp­e: Der Bau verzögert sich seit Jahren.
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Foto: Julian Leitenstor­fer So ähnlich könnte die aktuell geplante Fischtrepp­e aus Betonkäste­n einmal aussehen. Unser Foto zeigt eine Anlage am Lechstause­e in Kaufering.

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