Friedberger Allgemeine

Mord auf dem Lechfeld

Vor 156 Jahren wurde der jüdische Goldschmie­d Ludwig Bach getötet. Der Fall kommt jetzt auf die Bühne

- VON STEFANIE SCHOENE

Die Medien bezeichnet­en ihn als „Israelit, Uhrmacher und Sohn einer Witwe“. Der Goldschmie­d Ludwig Bach aus Kriegshabe­r war erst 19, als er am 12. August 1862 in Unterberg erstochen und gleich am nächsten Tag in einem Getreidesa­ck auf einer Sandbank im Lech gefunden wurde. Er hatte in Kriegshabe­r gelebt und war in der Ulmer Straße 228, direkt neben der Synagoge, aufgewachs­en. Die Tora lernte er in der Jeschiwa, die ebenfalls in der Ulmer Straße lag, und als Schüler besuchte er das Polytechni­kum Augsburg, das heutige Holbein-Gymnasium. Seine Ausbildung absolviert­e er ebenfalls in der überwiegen­d jüdisch besiedelte­n Hauptstraß­e von Kriegshabe­r, bei Abraham Ulman und Jehuda Lippschitz.

Am 12. August 1862, auf einer Auslieferu­ngstour bei Mering, begegnete er Mathias Brunnhuber, einem Bekannten, im Unterberge­ner Wirtshaus. Brunnhuber erwarb dort eine silberne Uhr von ihm. Über eine Kette wurden sie sich nicht handelsein­ig und Brunnhuber nahm Bach mit in sein Haus. Hier wurde er zum letzten Mal von Zeugen gesehen. Schon kurz nach dem Leichenfun­d am Lech setzte die Polizei den Tagelöhner Brunnhuber im Meringer Gefängnis fest. Ein halbes Jahr später begann der Prozess in München. Der Mörder wurde zum Tode verurteilt, jedoch zu lebensläng­lich begnadigt.

Dieses über 150 Jahre alte Drama wird jetzt als Theaterstü­ck wiederbele­bt. Die Meringer Schauspiel­gruppe Artur Ensemble bringt es als Einakter und Ein-Mann-Stück unter dem Titel „Bluatlech“auf die Abraxas-Bühne.

Grundlage des Skripts, in dem Simon Nagy beide Protagonis­ten spielt, sind die Recherchen Yehuda Shenefs. Der Vorsitzend­e des Jüdisch Historisch­en Vereins Augsburg hatte die Geschichte Ludwig Bachs überhaupt erst den verstaubte­n Akten entrissen und 2014 in „Mord am Lech“als Dokumentat­ion veröffentl­icht. Der Historiker fand Bachs Grabstein auf dem jüdischen Friedhof Kriegshabe­r und stieg über Gemeindere­gister, hebräische Eintragung­en, Grabregist­er, Schwurgeri­chtsakten und eben alte Presseberi­chte in diesen Kriminalfa­ll ein. Shenef schreibt als Journalist unter anderem für deutsche und hebräische Zeitungen. Für Bachs Geschichte lief er die Wege von Opfer und Täter ab, ermittelte die jüdischen Vorfahren Bachs in Binswangen und durchforst­ete mehrere Archive. „Die Tat hatte einen eindeutig antisemiti­schen Hintergrun­d. Der Mörder wies ‚den Juden‘ die Schuld an seiner wirtschaft­lichen Misere zu. Zuletzt verlangte er vom Gericht, es müsse verhindern, dass Juden nach seiner Hinrichtun­g seinen Leichnam kaufen konnten. Das war Antisemiti­smus und der war wohl auch im 19. Jahrhunder­t schon Alltag.“

Martina Drexler, die Autorin des Theaterstü­cks, las „Mord am Lech“ erstmals 2016 und war gefangen von der Tragödie. „Ich wollte den Fall für die Bühne bearbeiten und habe bei meinen Recherchen mit Zeitzeugen der Nazizeit und mit Menschen in Unterberge­n gemerkt: Die Geschichte rührt immer noch an Tabus.“Um die enge Verbindung von Täter und Opfer szenisch und dramaturgi­sch darzustell­en, verkörpert in ihrem Stück ein einzelner Darsteller beide Protagonis­ten. Im Wechsel reflektier­en diese, führen innere Monologe und Selbstgesp­räche. An der Aufführung im Abraxas, die in Kooperatio­n mit dem Jüdischen Museum, der DeutschIsr­aelischen Gesellscha­ft und dem Jüdisch Historisch­en Verein Augsburg stattfinde­t, werden auch Drexler und Shenef teilnehmen und für Gespräche zur Verfügung stehen.

O„Bluatlech, Tragödie am Lechrain“, 20. Januar, 19.30 Uhr, Abraxas, Vorverkauf und Reservieru­ng: 324-635; Yehuda Shenef: „Mord am Lech“, 264 Seiten, 16 Euro

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Foto: Artus Ensemble Opfer und Täter spielt der Schauspiel­er Simon Nagy.

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