Mord auf dem Lechfeld
Vor 156 Jahren wurde der jüdische Goldschmied Ludwig Bach getötet. Der Fall kommt jetzt auf die Bühne
Die Medien bezeichneten ihn als „Israelit, Uhrmacher und Sohn einer Witwe“. Der Goldschmied Ludwig Bach aus Kriegshaber war erst 19, als er am 12. August 1862 in Unterberg erstochen und gleich am nächsten Tag in einem Getreidesack auf einer Sandbank im Lech gefunden wurde. Er hatte in Kriegshaber gelebt und war in der Ulmer Straße 228, direkt neben der Synagoge, aufgewachsen. Die Tora lernte er in der Jeschiwa, die ebenfalls in der Ulmer Straße lag, und als Schüler besuchte er das Polytechnikum Augsburg, das heutige Holbein-Gymnasium. Seine Ausbildung absolvierte er ebenfalls in der überwiegend jüdisch besiedelten Hauptstraße von Kriegshaber, bei Abraham Ulman und Jehuda Lippschitz.
Am 12. August 1862, auf einer Auslieferungstour bei Mering, begegnete er Mathias Brunnhuber, einem Bekannten, im Unterbergener Wirtshaus. Brunnhuber erwarb dort eine silberne Uhr von ihm. Über eine Kette wurden sie sich nicht handelseinig und Brunnhuber nahm Bach mit in sein Haus. Hier wurde er zum letzten Mal von Zeugen gesehen. Schon kurz nach dem Leichenfund am Lech setzte die Polizei den Tagelöhner Brunnhuber im Meringer Gefängnis fest. Ein halbes Jahr später begann der Prozess in München. Der Mörder wurde zum Tode verurteilt, jedoch zu lebenslänglich begnadigt.
Dieses über 150 Jahre alte Drama wird jetzt als Theaterstück wiederbelebt. Die Meringer Schauspielgruppe Artur Ensemble bringt es als Einakter und Ein-Mann-Stück unter dem Titel „Bluatlech“auf die Abraxas-Bühne.
Grundlage des Skripts, in dem Simon Nagy beide Protagonisten spielt, sind die Recherchen Yehuda Shenefs. Der Vorsitzende des Jüdisch Historischen Vereins Augsburg hatte die Geschichte Ludwig Bachs überhaupt erst den verstaubten Akten entrissen und 2014 in „Mord am Lech“als Dokumentation veröffentlicht. Der Historiker fand Bachs Grabstein auf dem jüdischen Friedhof Kriegshaber und stieg über Gemeinderegister, hebräische Eintragungen, Grabregister, Schwurgerichtsakten und eben alte Presseberichte in diesen Kriminalfall ein. Shenef schreibt als Journalist unter anderem für deutsche und hebräische Zeitungen. Für Bachs Geschichte lief er die Wege von Opfer und Täter ab, ermittelte die jüdischen Vorfahren Bachs in Binswangen und durchforstete mehrere Archive. „Die Tat hatte einen eindeutig antisemitischen Hintergrund. Der Mörder wies ‚den Juden‘ die Schuld an seiner wirtschaftlichen Misere zu. Zuletzt verlangte er vom Gericht, es müsse verhindern, dass Juden nach seiner Hinrichtung seinen Leichnam kaufen konnten. Das war Antisemitismus und der war wohl auch im 19. Jahrhundert schon Alltag.“
Martina Drexler, die Autorin des Theaterstücks, las „Mord am Lech“ erstmals 2016 und war gefangen von der Tragödie. „Ich wollte den Fall für die Bühne bearbeiten und habe bei meinen Recherchen mit Zeitzeugen der Nazizeit und mit Menschen in Unterbergen gemerkt: Die Geschichte rührt immer noch an Tabus.“Um die enge Verbindung von Täter und Opfer szenisch und dramaturgisch darzustellen, verkörpert in ihrem Stück ein einzelner Darsteller beide Protagonisten. Im Wechsel reflektieren diese, führen innere Monologe und Selbstgespräche. An der Aufführung im Abraxas, die in Kooperation mit dem Jüdischen Museum, der DeutschIsraelischen Gesellschaft und dem Jüdisch Historischen Verein Augsburg stattfindet, werden auch Drexler und Shenef teilnehmen und für Gespräche zur Verfügung stehen.
O„Bluatlech, Tragödie am Lechrain“, 20. Januar, 19.30 Uhr, Abraxas, Vorverkauf und Reservierung: 324-635; Yehuda Shenef: „Mord am Lech“, 264 Seiten, 16 Euro