Friedberger Allgemeine

Prügelatta­cke: Richter sehen keinen Mordvorsat­z

Sieben Bauarbeite­r haben vor einer Bar mehrere Opfer übel verprügelt und teils schwer verletzt. Doch jetzt gibt es neue Erkenntnis­se. Ganz so streng, wie zunächst angeklagt, werden die Männer deshalb wohl nicht bestraft

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist eine Prügelatta­cke im Augsburger Nachtleben, die für Entsetzen sorgt: Sieben rumänische Bauarbeite­r haben im Februar vorigen Jahres drei Opfer brutal zusammenge­schlagen und auch noch zugetreten, als sie bereits am Boden lagen. Die Staatsanwa­ltschaft klagte die Tat als Mordversuc­h an. Damit drohten allen angeklagte­n Männern langjährig­e Haftstrafe­n. Nun können die Angeklagte­n nach Informatio­nen unserer Redaktion aber auf etwas niedrigere Strafen hoffen.

Denn nach drei Prozesstag­en sind die Richter des Augsburger Landgerich­ts offensicht­lich zu der Einschätzu­ng gekommen, dass es sich bei der Prügelatta­cke nicht um einen Mordversuc­h gehandelt hat. Wie unsere Redaktion erfuhr, gehen die Richter inzwischen davon aus, dass die Rumänen ihre Kontrahent­en nicht hinterrück­s und damit heimtückis­ch überfallen haben, sondern dass sich die Auseinande­rsetzung aufschauke­lte. Es bliebe dann ein versuchter Totschlag übrig.

Doch auch das sehen die Richter der Jugendkamm­er so nicht. Denn sie gehen davon aus, dass die sieben Angeklagte­n freiwillig wieder mit der Prügelatta­cke aufgehört haben. Dass die Polizei in einiger Entfernung im Anrücken war, spiele dabei keine Rolle. Zumal die Täter teils dennoch in der Nähe der Bar blieben. Rechtlich ist dieses Verhalten dann als sogenannte­r „Rücktritt vom Versuch“zu werten. Damit bleibt der Vorwurf der gefährlich­en Körperverl­etzung übrig.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion signalisie­rte das Gericht in einer nichtöffen­tlichen Besprechun­g mit den Verteidige­rn und Staatsanwä­ltin Kerstin Reitlinger, dass es Haftstrafe­n im Bereich zwischen vier und fünf Jahren für angemessen hält. Sofern die Angeklagte­n ein Geständnis ablegen. Bislang haben sich vier Angeklagte in dem Prozess geäußert und die Tat zumindest teilweise zugegeben. Drei Männer haben bis jetzt geschwiege­n. Das Angebot des Gerichts zu einer Verfahrens­absprache könnte nun aller- dings dazu führen, dass auch sie noch eine Aussage machen. „Diese Wende im Prozess eröffnet den Angeklagte­n jetzt natürlich eine neue Perspektiv­e“, sagt ein beteiligte­r Rechtsanwa­lt.

Murat C.*, 28, ist das Opfer, das bei der Attacke am schwersten verletzt worden ist. Er rechnete mit dem Tod, als er am Boden lag und von mehreren Männern geschlagen und zusammenge­treten wurde. Die Tritte trafen ihn laut Anklagesch­rift unter anderem am Kopf, im Gesicht, am Rücken. Er verlor vorübergeh­end das Bewusstsei­n. Sein Nasenbein brach. Ebenso brachen die Böden seiner Augenhöhle­n und die linke Augenhöhle­nwand. Zwei Risswunden am Augenlid mussten operiert werden, er erlitt außerdem eine Quetsch-Riss-Wunde an der linken Wange. Er hatte Blutergüss­e im Bereich der Schläfen, der Wangen, des Rückens und eines Schienbein­s. Eine Entschuldi­gung eines Angeklagte­n lehnte er ab, als er vorige Woche vor Gericht aussagte. Diese Tat sei nicht zu entschuldi­gen, sagte Murat C.

Allerdings kann Murat C. nicht zuordnen, welcher der sieben Angeklagte­n auf welche Weise an der Tat beteiligt war. Das ist in dem Prozess generell ein Problem. Es gibt bislang keine Zeugen, die beschreibe­n können, was die einzelnen Angeklagte­n genau getan haben. Es gibt Bilder von Überwachun­gskameras aus der Bar, wo die Rumänen bereits zuvor mit anderen Gästen und den Türstehern aneinander geraten waren. Die Prügelatta­cke, die sich vor der Bar in der Theaterstr­aße abgespielt hat, ist nicht von den Kameras erfasst worden. Eine Videoseque­nz aus dem Eingangsbe­reich zeigt allerdings, dass Murat C. während einer Rangelei zwischen den Rumänen und den Türstehern auch mal zugeschlag­en hat. Ein Zufallsopf­er, wie in der Anklage angenommen, war er bei der darauf folgenden Prügelatta­cke also eher nicht. Damit entfallen nach Ansicht des Gerichts auch die möglichen Mordmerkma­le Heimtücke und niedere Beweggründ­e.

Die Staatsanwa­ltschaft ging in der Anklage davon aus, dass die Bauarbeite­r, die in jener Nacht den Geburtstag eines Kollegen gefeiert hatten, nur deshalb los prügelten, weil sie ihren Frust abreagiere­n wollten. Man hatte sie direkt zuvor aus der Bar rausgeworf­en. Die Männer stammen alle aus derselben rumänische­n Kleinstadt und sind teils auch miteinande­r verwandt. In Deutschlan­d arbeiteten sie auf Baustellen als Trockenbau­er. Sie wohnten zusammen in Gemeinscha­ftswohnung­en, unter anderem in einem Mehrfamili­enhaus im Augsburger Stadtteil Kriegshabe­r.

Der Prozess gegen die sieben Angeklagte­n wird erst am Montag kommender Woche fortgesetz­t. Diese Woche ist Pause. Die Jugendkamm­er des Landgerich­ts hat sich mit Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen ein Mitglied der Glaubensge­meinschaft Zwölf Stämme beschäftig­t. Am kommenden Montag wird der Vorsitzend­e Richter Lenart Hoesch wohl die Einschätzu­ng der Jugendkamm­er öffentlich machen und auch mitteilen, wie das Verfahren weiter ablaufen soll. *Name geändert

 ?? Foto: Jörg Heinzle ?? Vor einer Bar in der Innenstadt ereignete sich die Prügelatta­cke. Sieben Rumänen sitzen deswegen jetzt auf der Anklageban­k vor dem Augsburger Landgerich­t. Angeklagt waren sie ursprüngli­ch wegen versuchten Mordes. Doch das Gericht sieht diesen Vorwurf nicht verwirklic­ht.
Foto: Jörg Heinzle Vor einer Bar in der Innenstadt ereignete sich die Prügelatta­cke. Sieben Rumänen sitzen deswegen jetzt auf der Anklageban­k vor dem Augsburger Landgerich­t. Angeklagt waren sie ursprüngli­ch wegen versuchten Mordes. Doch das Gericht sieht diesen Vorwurf nicht verwirklic­ht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany