Prügelattacke: Richter sehen keinen Mordvorsatz
Sieben Bauarbeiter haben vor einer Bar mehrere Opfer übel verprügelt und teils schwer verletzt. Doch jetzt gibt es neue Erkenntnisse. Ganz so streng, wie zunächst angeklagt, werden die Männer deshalb wohl nicht bestraft
Es ist eine Prügelattacke im Augsburger Nachtleben, die für Entsetzen sorgt: Sieben rumänische Bauarbeiter haben im Februar vorigen Jahres drei Opfer brutal zusammengeschlagen und auch noch zugetreten, als sie bereits am Boden lagen. Die Staatsanwaltschaft klagte die Tat als Mordversuch an. Damit drohten allen angeklagten Männern langjährige Haftstrafen. Nun können die Angeklagten nach Informationen unserer Redaktion aber auf etwas niedrigere Strafen hoffen.
Denn nach drei Prozesstagen sind die Richter des Augsburger Landgerichts offensichtlich zu der Einschätzung gekommen, dass es sich bei der Prügelattacke nicht um einen Mordversuch gehandelt hat. Wie unsere Redaktion erfuhr, gehen die Richter inzwischen davon aus, dass die Rumänen ihre Kontrahenten nicht hinterrücks und damit heimtückisch überfallen haben, sondern dass sich die Auseinandersetzung aufschaukelte. Es bliebe dann ein versuchter Totschlag übrig.
Doch auch das sehen die Richter der Jugendkammer so nicht. Denn sie gehen davon aus, dass die sieben Angeklagten freiwillig wieder mit der Prügelattacke aufgehört haben. Dass die Polizei in einiger Entfernung im Anrücken war, spiele dabei keine Rolle. Zumal die Täter teils dennoch in der Nähe der Bar blieben. Rechtlich ist dieses Verhalten dann als sogenannter „Rücktritt vom Versuch“zu werten. Damit bleibt der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung übrig.
Nach Informationen unserer Redaktion signalisierte das Gericht in einer nichtöffentlichen Besprechung mit den Verteidigern und Staatsanwältin Kerstin Reitlinger, dass es Haftstrafen im Bereich zwischen vier und fünf Jahren für angemessen hält. Sofern die Angeklagten ein Geständnis ablegen. Bislang haben sich vier Angeklagte in dem Prozess geäußert und die Tat zumindest teilweise zugegeben. Drei Männer haben bis jetzt geschwiegen. Das Angebot des Gerichts zu einer Verfahrensabsprache könnte nun aller- dings dazu führen, dass auch sie noch eine Aussage machen. „Diese Wende im Prozess eröffnet den Angeklagten jetzt natürlich eine neue Perspektive“, sagt ein beteiligter Rechtsanwalt.
Murat C.*, 28, ist das Opfer, das bei der Attacke am schwersten verletzt worden ist. Er rechnete mit dem Tod, als er am Boden lag und von mehreren Männern geschlagen und zusammengetreten wurde. Die Tritte trafen ihn laut Anklageschrift unter anderem am Kopf, im Gesicht, am Rücken. Er verlor vorübergehend das Bewusstsein. Sein Nasenbein brach. Ebenso brachen die Böden seiner Augenhöhlen und die linke Augenhöhlenwand. Zwei Risswunden am Augenlid mussten operiert werden, er erlitt außerdem eine Quetsch-Riss-Wunde an der linken Wange. Er hatte Blutergüsse im Bereich der Schläfen, der Wangen, des Rückens und eines Schienbeins. Eine Entschuldigung eines Angeklagten lehnte er ab, als er vorige Woche vor Gericht aussagte. Diese Tat sei nicht zu entschuldigen, sagte Murat C.
Allerdings kann Murat C. nicht zuordnen, welcher der sieben Angeklagten auf welche Weise an der Tat beteiligt war. Das ist in dem Prozess generell ein Problem. Es gibt bislang keine Zeugen, die beschreiben können, was die einzelnen Angeklagten genau getan haben. Es gibt Bilder von Überwachungskameras aus der Bar, wo die Rumänen bereits zuvor mit anderen Gästen und den Türstehern aneinander geraten waren. Die Prügelattacke, die sich vor der Bar in der Theaterstraße abgespielt hat, ist nicht von den Kameras erfasst worden. Eine Videosequenz aus dem Eingangsbereich zeigt allerdings, dass Murat C. während einer Rangelei zwischen den Rumänen und den Türstehern auch mal zugeschlagen hat. Ein Zufallsopfer, wie in der Anklage angenommen, war er bei der darauf folgenden Prügelattacke also eher nicht. Damit entfallen nach Ansicht des Gerichts auch die möglichen Mordmerkmale Heimtücke und niedere Beweggründe.
Die Staatsanwaltschaft ging in der Anklage davon aus, dass die Bauarbeiter, die in jener Nacht den Geburtstag eines Kollegen gefeiert hatten, nur deshalb los prügelten, weil sie ihren Frust abreagieren wollten. Man hatte sie direkt zuvor aus der Bar rausgeworfen. Die Männer stammen alle aus derselben rumänischen Kleinstadt und sind teils auch miteinander verwandt. In Deutschland arbeiteten sie auf Baustellen als Trockenbauer. Sie wohnten zusammen in Gemeinschaftswohnungen, unter anderem in einem Mehrfamilienhaus im Augsburger Stadtteil Kriegshaber.
Der Prozess gegen die sieben Angeklagten wird erst am Montag kommender Woche fortgesetzt. Diese Woche ist Pause. Die Jugendkammer des Landgerichts hat sich mit Misshandlungsvorwürfen gegen ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme beschäftigt. Am kommenden Montag wird der Vorsitzende Richter Lenart Hoesch wohl die Einschätzung der Jugendkammer öffentlich machen und auch mitteilen, wie das Verfahren weiter ablaufen soll. *Name geändert