Überdosis Mutterliebe
Charlotte Gainsbourg spielt grandios eine ehrgeizige Mama
Die Hutmacherin Nina (Charlotte Gainsbourg) kam in Moskau zur Welt und lebt Anfang der 1930er mit ihrem Sohn Romain (als Erwachsener dargestellt von Pierre Niney) im polnischen Wilna. Die alleinerziehende Mutter prophezeit dem Jungen eine Zukunft als Botschafter, Autor und Ritter der Ehrenlegion. Und sie prustet es auch in aller Öffentlichkeit heraus. Als Nina dafür Lachsalven erntet, ist ihr Ehrgeiz nur noch stärker angefacht.
Sie inszeniert die Eröffnung ihres eigenen Modesalons durch den berühmtesten französischen Couturier, gedoubelt von einem abgehalfterten Schauspieler. Tatsächlich kleidet Nina bald die ganze Hautevolee von Wilna ein. Das ermöglicht ihr, Romain alle möglichen und unmöglichen Ausbildungen angedeihen zu lassen und natürlich stets edel einzukleiden. Manchmal hasst das Kind seine Mutter abgrundtief. Aber seine Liebe ist größer. Und die Überdosis Mutterliebe wird Romain eines Tages das Leben retten.
Die spätere Frau des französischen Autors Romain Gary erfährt all diese Details aus einem autobiografischen Manuskript, das ihr exzentrischer Gemahl bislang vor ihr verbarg. Im vermeintlichen Angesicht des Todes erlaubt der Schriftsteller seiner Partnerin die Lektüre. Staunend und bewegt taucht sie in Romains Lebensgeschichte ein.
Die Zuneigung zwischen Eltern und Kindern scheint im Kino wohl zu selbstverständlich zu sein, um interessanten Stoff zu liefern. Anders in dem Film „Frühes Versprechen“von Eric Barbier. Was den real existierenden Autor Romain Gary mit seiner Mutter verband, hatte schon pathologische Züge. Der Zuschauer bleibt deshalb trotz etlicher schöner Szenen, einer liebevollen Ausstattung und eingängiger Musik auf Distanz zu den Figuren – auch oder gerade weil Charlotte Gainsbourg so grandios aufspielt.
» Frühes Versprechen (2 Std. 11 Min.), Biografie, Frankreich 2017
Wertung ★★★★✩