Das Tagesinternat St. Joseph schließt
Die Benediktinerabtei St. Stephan stellt im Sommer 2020 ihr Angebot für Schüler ein – damit geht eine Tradition des Ordens zu Ende. Enttäuschte Eltern haben eine Online-Petition gestartet
102 Schüler besuchen derzeit nach ihrem Schulalltag am Gymnasium bei St. Stephan das Tagesinternat St. Joseph in der nebenanliegenden Benediktinerabtei. Dort werden die Schüler aller Jahrgangsstufen bis 16.30 oder 17 Uhr betreut. Sie erhalten ein Mittagessen, haben ihren festen Arbeitsplatz und werden in der Gruppe oder individuell gefördert, erklärt Abt Theodor Hausmann. Daneben gibt es achtmal im Jahr an Samstagen ein besonderes Angebot. „Da finden dann besondere Seminare oder Förderprogramme statt, aber auch Ausflüge wie eine Kanufahrt auf der Altmühl oder eine Skifahrt“, erklärt Bernhard Stegmann, Schulleiter des Gymnasiums bei St. Stephan. Mit diesem Angebot ist es bald vorbei: Kürzlich informierte Schulleiter Stegmann die Eltern, dass das Tagesinternat Ende des kommenden Schuljahrs, also im Sommer 2020, schließen werde. Warum?
Bei allen Ordensgemeinschaften im deutschsprachigen Raum sei eine Abnahme der Ordensleute zu beobachten, so Abt Theodor Hausmann. Das hat Folgen im personellen und wirtschaftlichen Sektor. In den 70er-Jahren arbeiteten noch etwa 15 bis 20 Benediktiner im Schuldienst im Gymnasium bei St. Stephan. Durch den Verdienst konnte die Abtei das Tagesinternat finanzieren. Allein durch das erhobene Schulgeld sei das nicht möglich, so Stegmann. „Derzeit kostet das Tagesinternat 250 Euro pro Person und Monat. Wenn man alle Kosten auf die Anzahl der Schüler umlegen würde, dann könnte sich niemand mehr das Angebot leisten“, erklärt der Schulleiter. Derzeit sind allerdings nur noch drei Benediktiner im Schuldienst und eine weitere Querfinanzierung der Abtei somit nicht mehr möglich. „In den vergangenen Jahren haben sie selber Jahr für Jahr einen mittleren bis höheren fünfstelligen Betrag in das Angebot reingesteckt. Das geht nicht mehr“, betont Schulleiter Stegmann. Die Benediktiner sind eine Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts. Sie sind autonom und müssen laut Abt Theodor Hausmann ihre wirtschaftliche Situation ohne finanzielle Zuwendungen von außen – etwa durch die Kir- chensteuer – bewerkstelligen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Internatsschüler in den vergangenen Jahren auch rückläufig gewesen sei.
In den 2000er-Jahren besuchten noch etwa 250 Schülerinnen und Schüler das Tagesinternat bei St. Stephan. „Nachdem der Freistaat die Ganztagsbetreuung neu geregelt hatte, stand das Tagesinternat mehr und mehr in Konkurrenz mit dem Modell der offenen Ganztagsschule des Staates“, so Stegmann. Das könne nicht nur flexibler genutzt werden, sondern sei auch noch, mal von der Verpflegung abgesehen, kostenlos. Viele Eltern würden das vorziehen.
Dennoch gab es Eltern, die die Nachricht von der Schließung des Tagesinternats St. Joseph, das „Semex“genannt wird, enttäuscht zur Kenntnis nahmen. Es wurde auch von Schülern und Eltern eine On- eingerichtet. Auf der Plattform „OpenPetition“fordern sie eine Weiterführung. Seit 28. Januar haben sich bislang 55 Unterstützer registriert. Innerhalb von sieben Wochen müsste die Petition ein Quorum von 2300 Unterstützern erreichen, um als erfolgreich zu gelten. Auch dann würde die Entscheidung wegen der wirtschaftlichen Hintergründe aber wohl nicht geändert.
Gegenüber des Schulleiters hätten die Eltern ihren Unmut kundgetan. „Das Tagesinternat ist natürlich konfessionell orientiert. Die Benediktiner haben die Schüler durch das Kirchenjahr begleitet. Es gibt Feiern an Nikolaus, Weihnachten und Ostern und natürlich wird auch der Josephstag gefeiert.“In Zeiten, in denen Werte verloren gingen, hätten die Eltern diese Betreuung besonders geschätzt. Daneben steht das Semex Schülern bis einschließlich der zwölften Klasse offen. „Viele Schüler haben das in der Oberstufe als Abiturvorbereitung genutzt. Die offene Ganztagsbetreuung wird nur bis zur Mittelstufe angeboten“, so Stegmann. Er wird dafür sorgen, dass es nach dem Aus des Tagesinternats im Sommer 2020 ein alternatives Angebot gibt. Eines, das kostenfrei ist und flexibler gestaltet werden kann. Stegmann: „Damit können wir auch unser staatliches Profil schärfen. Wir werden oft noch als Klosterschule oder kirchliche Schule wahrgenommen.“
Das ist der langen Tradition geschuldet: Das Tagesinternat St. Joseph geht auf eine Stiftung zurück, die 1661 am Jesuitengymnasium St. Salvator für zwölf arme Schüler errichtet wurde. Bei der Eröffnung der Katholischen Studienanstalten bei St. Stephan wurde diese angeline-Petition schlossen. Zunächst bestanden auf Wunsch des Königs das Seminar St. Joseph für bürgerliche Kinder und das Ludwigsinstitut für Kinder des bayerischen Beamten- und Militäradels. Letzteres wurde wegen der gesellschaftlichen Veränderungen und nach der Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg nicht mehr weitergeführt, so Abt Theodor Hausmann. An seiner Stelle steht heute das Gymnasium.
Das Vollinternat wurde von 1945 bis zu seiner Schließung 2006 von der Abtei geführt. Bis in die 60erJahre waren ausschließlich Benediktiner die Erzieher. Die Abtei hat seit 1945 die zerstörten Gebäude widererrichtet und die bestehenden ausschließlich aus eigenen Mitteln und Spenden der Altstephaner grundlegend saniert. Das Tagesinternat besteht seit dem Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg.