Jahrelanges Wegsehen rächt sich in den Schulen
Augsburg hat gerade begonnen, den Sanierungsstau an den 70 Schulen der Stadt zu beheben. Die größten Brocken sind noch nicht erledigt, aber die nächste große Herausforderung steht schon an
Dziss@augsburger-allgemeine.de
ie Augsburger Schullandschaft ist im Umbruch. 70 Schulen werden von der Stadt als betreut. Es gibt kaum eine Schule, an der nicht gerade eine Sanierungsmaßnahme abgeschlossen wurde, eine Baumaßnahme bald ansteht oder für die kommenden Jahre geplant ist.
Es sind nicht nur bauliche Mängel, die behoben werden müssen. Die Ganztagsbetreuung stellt Schulen vor besondere Herausforderungen und erfordert den Bau von Mensen und das Bereitstellen von Räumen zur Hausaufgabenbetreuung. Die fortschreitende Digitalisierung wird Schule für Schule umgesetzt. Anschlüsse ans Glasfasernetz müssen gelegt, Klassenzimmer vernetzt und ausgestattet werden. Verschärfte Brandschutzverordnungen machen an vielen Schulen einen Umbau nötig – im Fall der Haunstetter Johann-StraußVolksschule einen Abriss samt Neubau.
Mit diesem drastischen Ausgang endet nicht jede Bauplanung. Doch in einigen Fällen hilft bei Augsburger Schulen nur noch eine Generalsanierung. Das Rudolf-Diesel-Gymnasium erhält derzeit für über 30 Millionen Euro einen Erweiterungsbau und wird modernisiert, die Schüler der Oberhauser Löweneck-Grundschule dürfen ab kommenden September für zwei Jahre das Gymnasium bei St. Anna besuchen, weil ihr Schulgebäude grundlegend saniert wird. Sie sind während dieser Zeit ausgelagert.
Die Liste lässt sich gefühlt endlos fortsetzen: Das Peutinger-Gymnasium müsste für über 40 Millionen Euro saniert, wenn nicht gleich – wie in dieser Woche im Bildungsausschuss angestoßen – in Kriegshaber neu gebaut werden.
Das Schulzentrum mit Fachoberschule (FOS), Berufsoberschule (BOS) und Reischlescher Wirtschaftsschule muss ebenfalls dringend generalsaniert werden. Dabei wird sich allein der Eigenanteil der Stadt auf mindestens 50 Millionen Euro belaufen. Angesichts dieser vielen, großen Baumaßnahmen muss die Frage gestellt werden, warum es so weit kommen musste?
Der derzeitigen Stadtregierung kann diese Misere nicht angelastet werden. Im Gegenteil. Sie geht die Probleme endlich an. Schule für Schule wird genau überprüft, die Mängel in eine schier endlose Liste aufgenommen. Jahrzehntelang ist dagegen weggesehen worden. Modernisierungsmaßnahmen wurden schlichtweg nicht im großen Umfang angegangen. Das rächt sich. Das ist beim Großen Haus des Theaters so, bei den Hallenbädern und eben auch bei den Schulen.
Gerade bei den Schulen sind dieses Wegsehen und die offensichtliche Handlungsunfähigkeit besonders fragwürdig. Schließlich ist es der Arbeitsplatz zahlreicher Lehrer, der montags bis freitags von ihnen angesteuert wird, um dort – wenn möglich – engagiert und motiviert zu unterrichten. Es ist der Ort, an dem die Augsburger Schüler ihre Schulbildung durchlaufen, das Umfeld, in dem der Grundstock ihrer späteren beruflichen Karriere gelegt wird. Doch auch am technischen Standard hinken die Augsburger Schulen hinterher. 29 Grund- und Mittelschulen können bislang nur „offline“mit Computern und anderen modernen Hilfsmitteln arbeiten. 34 Schulen, die schon am Netz sind, verfügen über keine Anbindung an das schnelle Glasfasernetz. Das lange Wegsehen rächt sich hier doppelt und dreifach. Denn neben den baulichen Herausforderungen, die die Stadt mit den alten und sanierungsbedürftigen Schulen zu meistern hat, wird sie von den Entwicklungen im Schulalltag überholt. Während die Ganztagsbetreuung in vielen Schulen schon möglich gemacht wurde, hinkt die Stadt in Sachen Digitalisierung noch hinterher.
Freilich macht es auch wenig Sinn, eine Schule ans Netz zu nehmen, die in wenigen Monaten oder Jahren generalsaniert wird. So wird die Vernetzung bei fünf Schulen – Luitpold-Grundschule, Wittelsbacher Grundschule, LöweneckGrundschule, St.-Anna-Grundschule und Werner-Egk-Grundschule – im Zuge der anstehenden Baumaßnahmen erledigt. Daneben stehen noch Fördermittel des Bundes aus, der sich mit den Ländern nicht einigen kann, und es bleibt die Frage offen, wer am Ende die Instandhaltung der ganzen Technik und die Modernisierung von Geräten und Programmen bezahlen mag. Klar ist das immer eine Frage des Geldes. Diese Frage, was dem Bund, dem Freistaat und der Kommune die schulische Bildung ihrer Bürger Wert sein will, ist aber keine Frage, die auf die lange Bank geschoben gehört. So weit sollte es nicht noch einmal kommen.
Was am Ende dabei rauskommt, wenn man einfach abwartet und nicht reagiert, kann jetzt in Augsburg beobachtet werden: Schulhäuser, bei denen der Putz von der Decke fällt und Zimmer aus statischen Gründen geschlossen werden. Klassenzimmer, in denen nicht mit Beamer, Dokumentenkamera oder dem Zugriff auf das Internet unterrichtet wird, sondern wie vor Jahrzehnten mit einem OverheadProjektor. Am Gymnasium bei St. Stephan hat die Schulfamilie beschlossen, egal wie rasant die technische Entwicklung voranschreiten mag: Auf ein Unterrichtsmittel wollen Schüler und Lehrer nicht verzichten – auf die grüne Tafel. Zeitgemäß wäre es, die Wahl zu haben.