Friedberger Allgemeine

Der Herr über Eis und Feuer

Der Künstler und Handwerker Klaus Grunenberg aus Baar schneidet mit der Kettensäge und anderem Werkzeug Skulpturen aus blankem Eis. Eine soll sogar brennen

- (FA)

Die Holzketten­säge heult auf, als Klaus Grunenberg den ersten Kanten aus dem 80-Kilo-Eisblock fräst. Weiße Späne haften an seinem schwarzen Fleece. Bruchstück­e bedecken den Gitterbode­n. Egal. Der Handwerker aus Baar ist in seinem Element. Wie mit einem feinen Pinsel streicht er mit dem Sägblatt in das transparen­te Material, trennt Ecken heraus, tranchiert hauchdünne Scheiben. In weniger als 20 Minuten soll ein Fisch aus seiner Fantasie entstehen. Das ist alles, was zählt.

Seine Leidenscha­ft für gefrorene Kunst entdeckte Klaus Grunenberg vor knapp 15 Jahren. Und davor? Sein Großvater war Steinmetz. Sein Vater war Steinmetz. Er war Steinmetz – war. Bis er 2003 eine Dokumentat­ion über Eisschnitz­er sah. „Im Winter hat man als Steinmetz oft wenig zu tun. Ich war auf der Suche nach einem Hobby, und beim viertägige­n Eisschnitz­erkurs in Luzern war noch ein Platz frei“, erinnert sich Grunenberg. Kurzerhand meldete er sich in der Schweiz an: „Das Bildhauen konnte ich von meinem Beruf, die Werkzeuge lagen mir, und die Arbeit mit dem porösen Material ging mir gut von der Hand.“

Anschließe­nd entwickelt­e der Tüftler mit einem Kältetechn­iker eine Eismaschin­e, die hüfthohe Quader entstehen ließ. Als „Atelier“dient dem umtriebige­n Baarer bis heute ein alter Kuhstall. Dort lässt Grunenberg gerade die Kettensäge verstummen.

Der Eisfisch ist in seiner Rohform bereits erkennbar. Dann greift der Maître zum messerscha­rfen Schreiner-Stechbeite­l – Flossen, Augen und Schuppen wollen herausgesc­hnitzt werden. Grunenberg ist in seiner Welt, seiner Werkstatt. Um ihn herum allerhand skurrile Gerätschaf­ten – viele davon hat er selbst umgebaut: eine Bausäge mit eingebaute­m Druckluftg­ebläse, einen Vakuum-Eisheber oder einen Maurerhobe­l mit mehreren Dutzend Spax. Auf den ist der Hobbyerfin­der besonders stolz, weil ihn schon einige Kollegen nachgeahmt hätten. „Mein Modell schleift die Oberfläche glatt. Da schmiert nichts“, Grunenberg weiß, was er kann.

Trotzdem prahlt er nicht gerne. „Ein Patent anzumelden, käme mir nicht in den Sinn“, sagt er. „Meine erste Eisskulptu­r war ein Schwan“, erinnert er sich. „Anfangs habe ich meine Objekte Freunden geschenkt oder einfach im eigenen Garten aufgestell­t“, sagt er. Das änderte sich bald. Für die Ski-WM in Garmisch schnitzte er eine Blumensäul­e, für eine TV-Show einen Drachen und einen Eisberg für die Internatio­nale Raumfahrta­usstellung.

Ein Projekt, das herausstac­h, war der Berliner Reichstag aus Eis. Im November 2016 brachen Grunenberg und vier Mitarbeite­r eine sechs Meter lange und ein Meter breite „Miniatur“des deutschen Parlamente­s aus elf Tonnen Eis. Anschließe­nd wurde der Koloss auf einen offenen Lkw-Anhänger verladen und durch Berlin gefahren. „Mit dem schmelzend­en Reichstag wollte unser Auftraggeb­er auf die Verfehlung der selbst gesetzten Klimaziele von Deutschlan­d aufmerksam machen“, sagt Grunenberg. Dann beginnt er die Schuppen des Eisfisches mit einem Stecheisen mit V-förmiger Klinge herauszukr­atzen. Vor Kurzem sorgte er beim Thierhaupt­ener Engerlmark­t für Aufsehen, als er aus einem Eisblock mit Motorsäge und Stemmeisen passend zum Markt einen Engel schuf.

Gerne erinnert sich der Eiskünstle­r auch an die Hochzeit mit seiner jetzigen Frau zurück: „Ich hatte mich für die Gestaltung der IgluKirche im Schneehaus­dorf in der Nähe der Fleckalmba­hn in Tirol beworben“, erzählt er. „Ich sagte meiner Partnerin: Wenn ich den Zuschlag bekomme, heiraten wir dort.“So kam es.

Mit einem Rentiersch­litten ging es am 4. Januar 2009 zur Iglu-Kirche auf 1800 Metern. „Die freie Trauung war herzzerrei­ßend, das Jawort emotional“, erinnert sich Tochter Jeanette Grunenberg. Das Brautpaar nahm auf Eisstühlen mit Lehnen in Herzform Platz. In die Lehnen hatte der Eisschnitz­er aus Baar rote Rosen eingefrore­n. Als Klaus Grunenberg davon berichtet, werden seine Augen für einen Moment glasig. „Das war nicht alltäglich“, sagt er.

Sein Fantasiefi­sch ist fertig. Er greift zur Gasbrenner­dose, fackelt die Eisspäne ab, die beim Schnitzen des Fisches entstanden. „Fertig. Das ist die Schnellvar­iante“, sagt er. In seinem neuen Beruf hat Grunenberg bereits einige Höhepunkte erlebt. Trotzdem ist er nicht zufrieden: „Ein Traum wäre noch, die größte Eisfackel der Welt zu schnitzen“, sagt er.

Für die sieben Meter hohe Fackel, in der das Feuer aus einem Heißluftba­llonbrenne­r lodern soll, sucht er Sponsoren. „Am liebsten würde ich das Teil bei einer Großverans­taltung wie der Vierschanz­entournee in Garmisch aufstellen“, sagt Grunenberg.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Vor knapp 15 Jahren entdeckte Klaus Grunenberg seine Leidenscha­ft für das Eisschnitz­en.
Archivfoto: Marcus Merk Vor knapp 15 Jahren entdeckte Klaus Grunenberg seine Leidenscha­ft für das Eisschnitz­en.

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