China plötzlich bescheiden
Die Führung räumt Probleme ein
Peking Eins fiel in diesen zwei Wochen auf in Peking: Im Vergleich zu den Vorjahren ging es dieses Mal rund um den Nationalen Volkskongress sehr viel ruhiger zu. Nur wenige Propaganda-Banner waren auf den Straßen zu sehen. In den letzten Jahren hatte die Führung diese zweiwöchige Plenarsitzung noch dafür genutzt, mit lautem Getöse ihr Land und vor allem sich selbst zu feiern. Stattdessen trug der chinesische Premierminister Li Keqiang nun nüchtern die Probleme vor: ein geringeres Wirtschaftswachstum, die Überschuldung der Staatsunternehmen, die wachsende Stimmung gegen China im Ausland. Unternehmer sind verunsichert, sie investieren weniger. Die Industrie wächst so langsam wie seit Jahren nicht. Vor allem aber der Handelskonflikt mit den USA setzt China stärker zu als erwartet. „Wir müssen sicherlich starke Maßnahmen ergreifen, um mit den steigenden Unsicherheiten fertig zu werden“, gab der chinesische Premier zu.
Als konkrete Schritte nannte Li niedrigere Abgaben für Unternehmen und eine Senkung der Sozialabgaben. Zudem will er mit einem neuen Investitionsgesetz auch wieder mehr ausländische Investoren ins Land locken. Auch das fiel an diesem Volkskongress auf: Hatten ausländische Unternehmen in China in den vergangenen Jahren zunehmend das Gefühl, in der Volksrepublik nicht mehr willkommen zu sein, sind sie nun wieder explizit erwünscht. „Wenn wir Öffnung versprechen, werden wir mit Sicherheit liefern“, versicherte Li. Das neue Gesetz habe die Führung entworfen, „um die Rechte und Interessen ausländischer Investoren zu schützen“. Zudem soll mit dem Gesetz der Schutz von geistigem Eigentum gestärkt und ein staatlich verordneter Technologietransfer unterbunden werden – beides ein Entgegenkommen im Handelskonflikt mit den USA.
Vielen ausländischen Unternehmern geht das neue Gesetz dennoch nicht weit genug. Es gebe weiterhin Negativlisten von Wirtschaftsbereichen, in denen ausländische Investitionen oder Unternehmen nicht oder nur eingeschränkt tätig werden dürfen, kritisiert etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie. Die US-Regierung und die EUStaaten fordern nicht nur besseren Marktzugang in China, sondern stoßen sich auch an der staatlichen Förderung chinesischer Firmen, die aus ihrer Sicht weltweit den Wettbewerb verzerrt. Der Handelskrieg kommt der chinesischen Führung auch deswegen ungelegen, weil sie eigentlich ihre hausgemachten Probleme angehen wollte. Vor allem die massiv gestiegenen Schulden der Staatsunternehmen sind eine große Gefahr für Chinas Finanzsystem.
Trotz dieser Probleme zeigte sich der Premierminister zuversichtlich, dass China das beschlossene Wachstumsziel von 6 bis 6,5 Prozent in diesem Jahr erreichen werde. Es wäre dennoch Chinas langsamstes Wachstum seit 30 Jahren.