So sieht die Zukunft unserer Wälder aus
Peter Wohlleben ist der bekannteste Förster Deutschlands. Was er über den vergangenen Dürresommer und den Borkenkäfer denkt. Und was Waldbesucher in diesem Frühjahr erwartet
Herr Wohlleben, im vergangenen Sommer fiel über sechs Monate fast kein Tropfen Regen. Sie schrieben, dass Bäume bei starkem Wassermangel anfangen zu „schreien“. 2018 müssen Sie viele Schreie vernommen haben … Peter Wohlleben: Da dieses Phänomen im Ultraschallbereich auftritt, ist es für unsere Ohren nicht zu hören. Die Dürre betraf vor allem Fichten und Kiefern, also Nadelbäume. Sie kommen ursprünglich aus dem hohen Norden, aus Gebirgslagen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden sie dann in Tieflagen gepflanzt. Ihnen ist es bei uns immer schon zu warm und zu trocken gewesen, sie leiden nicht erst seit dem letzten Sommer. Mit dem Klimawandel verschärft sich das Dilemma jetzt aber noch mal. Nadelbäume passen hier einfach nicht hin. Laubwald dagegen hat im vergangenen Sommer nicht gelitten.
Das heißt, Laubbäume waren weniger gestresst?
Wohlleben: Genau, aber nur, wenn die Wälder halbwegs intakt waren. In stark durchforsteten Wäldern, wo sehr viel Holz geerntet wurde und schwere Maschinen die Böden verdichtet haben, da haben auch die Laubbäume gelitten.
Hat der Dürresommer unseren Wald verändert? Wohlleben: Positiv gesehen wird der Dürresommer den Wald endlich mehr in Richtung Ökologie schieben. Vor rund 30 Jahren hatten wir eine ähnliche Entwicklung: 1990 gab es schwere Stürme. Sie waren Auslöser für eine ökologische Wende im Wald. Damals entschied man, mehr heimische Laubbäume zu pflanzen, weil sie viel robuster und resistenter sind. Wenige Jahre später hatte man das allerdings wieder vergessen und pflanzte wieder Nadelbäume. Jetzt werden definitiv verstärkt Laubbäume gesetzt werden – und ich hoffe, es bleibt dabei.
Jeder Waldbesucher kann also bald sehen, dass es mehr Laubbäume geben wird?
Wohlleben: Genau. Das ist für die Natur ein echter Gewinn. Im Sommer 2018 ist ja kein echter Wald geschädigt worden, sondern Nadelholzplantagen, die ökologisch eine Katastrophe sind. Wenn man sich nun von denen verabschiedet, dann ist das zumindest eine positive Begleiterscheinung. Dann kann man dem Sommer 2018 immerhin noch etwas Gutes abgewinnen.
Gibt es irgendetwas, das Waldbesuchern in diesem Frühjahr im Vergleich zu früheren Jahren auffallen wird? Wohlleben: Es stehen noch überall vom Borkenkäfer befallene Fichten und Kiefern, erkennbar an ihren braunen Wipfeln. Viele Waldbesitzer haben noch gar nicht angefangen, diese Bäume zu fällen. Es ist momentan so viel Holz auf dem Markt, das will kein Mensch mehr haben. Durch den Borkenkäferbefall werden derzeit riesige Flächen abgeholzt. Das ist eigentlich eine Katastrophe, weil dann der Boden in der heißen Sommersonne liegt und dann der ganze Humus abgebaut wird. Dabei ist er ein wichtiger Wasserspeicher für den Boden.
Stichwort Borkenkäfer – geht der nur an Nadelbäume oder geht er auch an Laubbäume?
Wohlleben: Es gibt eine große Vielfalt von Borkenkäfern. Man hört immer nur von dem Borkenkäfer, der Fichten befällt. Jede Baumart – die Buche, die Eiche, die Esche – hat auf sie spezialisierte Borkenkäfer. Das sind Schwächeparasiten, sie können einen gesunden Baum überhaupt nicht schädigen.
Das heißt?
Wohlleben: Er geht nur an Bäume, die sich nicht richtig wehren können. Etwa Nadelbäume, die an Orten angepflanzt wurden, wo sie eigentlich nicht hingehören. Die Fichte etwa kämpft schon mit ungewohnten Lebensbedingungen, und wenn es dann einen Sommer mit ein paar Grad mehr gibt, dann ist endgültig Feierabend. Unseren heimischen Buchen und Eichen, die in den allermeisten Fällen völlig gesund sind, kann der Käfer dagegen nichts anhaben.
Gibt es etwas, das jeder Einzelne tun kann, damit es dem Wald besser geht? Wohlleben: Ich gebe nur ungern Ratschläge. Wenn man die Zeitungen aufschlägt, liest man überall Horrorbotschaften, auch wenn sie durchaus berechtigt sind. Das hält man auf Dauer nicht aus.
Wie lautet Ihr Rezept?
Wohlleben: Ich versuche es andersrum. Ich möchte die Liebe der Menschen zur Natur und zu den Bäumen entfachen. Beim Elefanten fragt sich auch niemand, warum wir ihn erhalten sollen und was er fürs Klima tut – man mag ihn einfach. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass man Bäume schön findet und liebt. Wenn wir das erreichen, dann macht man automatisch das Richtige und schützt ihre Heimat, den Wald.
Interview: Angelika Prauß, kna