Ein großer Architekt
Zwischen Neuem Bauen und Postmoderne: Das Architekturmuseum Schwaben würdigt den Doyen der bayerischen Baukunst: eine Jubiläumsschau zum 100. Geburtstag von Alexander von Branca
Alexander von Branca war eine der großen Architektenpersönlichkeiten, die Bayern geprägt haben – mit einem riesigen baukünstlerischen Werk, aber auch mit streitbaren Interventionen als Heimatpfleger. 2011 starb der Doyen der bayerischen Baukunst im hohen Alter von 92 Jahren, heuer ist sein 100. Geburtstag zu feiern, und das Architekturmuseum Schwaben richtet ihm dazu eine kompakte Werkschau aus.
Schier unglaublich, wie umfangreich das Werkverzeichnis in dem schmalen Katalog ist, der trotz seiner Konzentration auf wenige ausführlich dargestellte Objekte das Zeug hat, zum (vorläufigen) Standardwerk zu werden, denn viel Literatur über Alexander von Branca gibt es noch nicht. Wohn-, Verkehrsund Schulbauten, Krankenhäuser, Industrie- und Kulturgebäude sind in Fülle seit den 1950er Jahren in seinem Münchner Büro entstanden, dazu beteiligte er sich an vielen, vielen Wettbewerben. Als Brancas Hauptwerk gilt die Neue Pinakothek in München, die peinlicherweise gerade in seinem Jubiläumsjahr wegen Sanierung geschlossen ist.
Für dieses Museum erhielt ihr Schöpfer viel Lob, aber noch mehr Kritik, und man kann an ihr wohl exemplarisch seine Stellung in der Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts skizzieren. Das offene Foyer mit seinen fließenden Räumen spricht von Brancas Bezug zum Neuen Bauen der Zwischenkriegszeit, von der architektonischen Moderne also. Die lichten Kunstsäle mit ihrer gleichmäßig ruhigen Belichtung durch Oberlichter erweist seine Kenntnis der Klassiker, hier speziell des Leo von Klenze. Die Fassade mit ihrem Naturstein und den Rundbogenfenstern sowie die burgartige Anlage greift zurück aufs ganz Alte, und man warf Branca vor, hier dem Trend der Postmoderne erlegen zu sein.
Ihn wird das Dazwischenstehen zwischen Moderne und deren Wiederauflage nicht gestört haben, denn er war ein Individualist mit Selbstbewusstsein. Wegen dieser Haltung musste der Sohn eines Diplomaten und einer Malerin in seiner Jugend eine Zeit lang in Gestapohaft sitzen, weil er gegen Hitler geredet hatte. Schon damals, vor seinem Einsatz als Soldat der Wehrmacht, lernte er Zeichnen und Malen und später, nach Kriegsende und dem Studium der Architektur in München und Zürich, nach vielen realisierten Bauten, sollte er sagen, er habe mit sei- ner Architektur eigentlich immer ein Bild malen wollen.
Branca war ein Ästhet im besten Sinne, er wollte den Stadtbewohnern etwas Schönes, Sinnhaftes geben. Gebäude sollten eine „beseelte Gestalt“haben, sie sollten die Menschen berühren in ihrer „Eigentlichkeit“, so beschrieb er seine Architekturauffassung. Klar, dass er sich so gegen den Funktionalismus der Moderne stellte. Für seine Auffas- sung von der schönen, wohnlichen Stadt stritt Branca 16 Jahre lang mit großem Einsatz als Münchner Heimatpfleger. Er erreichte beispielsweise, dass Nikolaiplatz, Maximilianstraße und Hofgarten baulich nicht übernutzt werden durften.
Man kann seine Haltung an vielen Gebäuden studieren – in München im noblen Residenztheater oder im farbkräftigen U-Bahnhof Marienplatz, in Regensburg an der ebenso großzügigen wie massigen Universitätsbibliothek, in Rom an der mit Zinnen und Turm bewehrten Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, und mehrfach auch in Augsburg. Da schuf Branca in den 1970er Jahren das Haus St. Ulrich als breite, horizontal strukturierte Anlage zu Füßen der Ulrichsbasilika. In den 1980er Jahren folgten dann das Priesterseminar St. Hieronymus westlich des Siebentischwalds als kleine Stadt in der Stadt und die Raiffeisen-Zentralbank an der Schießgrabenstraße mit ihren gerundeten, weiß verputzten Kuben – ein Werk, das sich außergewöhnlich stark auf das Neue Bauen bezieht.
In Neusäß hatte Branca schon 1970 das Kirchenzentrum St. Thomas Morus gebaut – ein Ensemble in lockerer Wabenstruktur ohne jeden Fassadenschmuck, introvertiert und beschützend. Kirchen, das war überhaupt die Bauaufgabe, die dem Architekten am meisten bedeutete. Der gläubige Katholik, vom Protestantismus konvertiert, schuf mehr als zwei Dutzend Sakralbauten nach seinem Erstling, dem Herz-JesuKloster mit Kirche in München, das er zusammen mit Herbert Groethuysen 1953 entwarf. Die Klosterkirche mit ihrem kupfergedeckten Bogendach und der aus Beton gegossenen Deckenkonstruktion bietet ein großartiges Raumerlebnis und gilt als erste völlig in Stahlbeton ausgeführte Kirche.
Man findet ihre Beschreibung in dem Katalog (25 Euro, mit Beiträgen von Barbara Wolf, Maria Hennl, Christian Schaller, Gregor Nagler und Franz Graf von Stillfried) und auf großen Fahnen in den
Die Fassade greift zurück aufs ganz Alte
Der Architekt war ein glänzender Aquarellist
Museumsräumen (Gestaltung Alexandra Rauch). Neben Fotos sind da auch schöne Architekturzeichnungen von Brancas Hand ausgestellt, teilweise fast impressionistische Bilder. Man hätte sich zudem noch einige Aquarelle gewünscht, denn der Architekt war auch ein glänzender Aquarellist.
Wieso findet diese JubiläumsAusstellung in Augsburg statt und nicht in München, wo Branca Zeit seines Lebens wohnte und arbeitete, wo sein Nachlass im Archiv der Technischen Universität und deren Architekturmuseum verwahrt wird? Sicher, es gibt da diese vier Werke in und um Augsburg. Aber vielleicht ist die Entscheidung von Andres Lepik, Brancas Werk im schwäbischen Zweigmuseum seines großen Münchner Architekturmuseums zu zeigen, auch Ausdruck seines Interesses an dem kleinen Ausstellungshaus im Thelottviertel (dieses Interesse war ihm ja in der Vergangenheit abgesprochen worden) und damit ein Signal an die Geldgeberin, die Buchegger-Stiftung, die noch überlegt, ob sie sich trennen soll vom Münchner „Mutterhaus“. Jedenfalls wertet die wichtige Schau über Alexander von Branca das Augsburger Haus durchaus auf – endlich mal wieder ein großer Name in der Buchegger-Villa. Laufzeit bis 5. Mai, geöffnet Donnerstag bis Sonntag 14 – 18 Uhr.