Sind die Kröten in Gefahr?
Die Amphibienwanderung beginnt. Zäune sollen die Tiere vor dem Verkehr retten. Naturschützer befürchten jedoch einen generellen Rückgang. Denn Kröten haben es immer schwerer
Region Es ist wieder so weit, die Kröten begeben sich auf Wanderschaft. Dabei kann von einem friedlichen Waldspaziergang nicht die Rede sein. Auf dem Weg zu ihren Laichplätzen sterben viele Amphibien auf den Straßen. Allerdings ist dies nicht die einzige Sorge der ehrenamtlichen Helfer. Sie befürchten, dass die Zahl der Tiere von Jahr zu Jahr abnimmt.
Nicola Zimmermann, Mitglied der Ortsgruppe Augsburg im Bund Naturschutz, organisiert die Amphibienschutzzäune bei Wellenburg. Vor allem Erdkröten sind dort unterwegs. In den vergangenen Jahren sei ein leichter Rückgang festzustellen, so die Naturschützerin. Hatten die Helfer 2015 noch 336 Kröten gefunden, waren es 2018 nur 165 Tiere. Um so tragischer für die Fortpflanzung ist es, wenn nur wenige Weibchen zu den Laichgewässern gelangen. Ihre Zahl sank von 77 auf 54.
Ob es sich bei Wellenburg um eine Tendenz oder nur um Schwankungen handelt, kann Zimmermann nicht beurteilen. Sie geht jedoch davon aus, dass es insgesamt immer weniger Amphibien gibt. Ein Grund dafür seien Pestizide, die in der Landwirtschaft und in privaten Gärten eingesetzt werden. Weil die kleinen Wanderer teilweise auch in den Äckern leben und über die Haut atmen, sind sie dagegen besonders anfällig. Erkrankungen, Missbildungen und Unfruchtbarkeit können die Folge sein.
Einen Rückgang der Amphibien stellte auch Claudia Thomamüller vom Bund Naturschutz auf der Strecke zwischen Mering und Altkissing fest. Im Jahr 2010 wurden 789 Frösche, Kröten und Molche gezählt, 2011 sogar 1017. Seitdem schwankt die Zahl laut Thomamüller zwischen 400 und 500 Tieren. „Im vergangenen Jahr hatten wir den niedrigsten Wert seit 2006“, sagt die Naturschützerin. Nur 332 Tiere tauchten in der Statistik auf. Vor allem Grasfrösche sind gefährdet: 2018 brachten die Helfer 35 von ihnen über die Straße, in den Jahren zuvor waren es meist über 100 Tiere.
„Der Rückgang der Bestände ist durchweg dramatisch“, sagt auch Petra Hofberger. Bei ihr als Geschäftsstellenleiterin der Kreisgruppe Aichach-Friedberg gehen die Sammellisten aus dem gesamten Landkreis ein. Denn der Bund Naturschutz beantragt bei der Regierung von Schwaben die unter dem
Begriff „Landschaftspflegemaßnahme“laufende Amphibiensammlung. „Wegen der Fördergelder führen wir sehr exakte Sammellisten und geben die Ergebnisse an die Regierung von Schwaben und die Untere Naturschutzbehörde weiter“, erklärt die Kissingerin. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt elf unter BN-Regie laufende Fangzäune im Landkreis von BN-Mitgliedern und weiteren Helfern betreut. In diesem Jahr sind es neun, was auch mit dem allgemeinen Amphibienrückgang zu tun habe, wie Hofberger sagt.
Viele Amphibien können vor dem Tod auf der Straße gerettet werden. Aber der Rückgang der Insekten macht nach Angaben der BN-Expertin auch ihnen schwer zu schaffen, denn diese sind die Hauptnahrung der Amphibien. Die Abnahme von blüten- und insektenreichen
trage ebenso zum allmählichen Verschwinden der Kröten, Frösche und Molche bei. Auch darum sei es den BN-Mitgliedern wichtig, dass die Inhalte des Volksbegehrens zur Artenvielfalt unter dem Schlagwort „Rettet die Bienen“ihren Weg in das bayerische Naturschutzgesetz finden.
Es gibt aber auch andere Entwicklungen, so am Krötenübergang über die Kreisstraße A12 zwischen Welden-Reutern und Wörleschwang. Dort verzeichnet Irmgard Delpino von der BN-Ortsgruppe Welden fast eine Verdreifachung der hinwandernden Amphibien. Die Zahl der Erdkröten und Molche kletterte zwischen 2010 und 2018 von 720 auf 1962. Für eine weitere Überraschung sorgten die 97 Grasfrösche, zu denen sowohl Hin- wie auch Rückwanderer gehören. Ein
Vergleich: Der letzte Höchststand war 2008 mit 78 Grasfröschen, in den nächsten neun Jahren wurden weniger als 40 Tiere beobachtet.
Das hänge allerdings vom Zeitpunkt ab, an dem die Auffangzäune errichtet und kontrolliert werden, erläutert Delpino. Denn Grasfrösche brechen früher auf. Ihrer Ansicht nach gibt es zwei Gründe für die Zunahme: Erstens staute eine Biberfamilie den Weihermahdbach. Die Folge sei ein fischfreies Laichgewässer, wodurch die Population ungestört wachsen kann. Außerdem genießen die Kröten in der Nähe ihres Winterquartiers die Vorteile einer Grüngutdeponie, die ihnen Futter und Wärme spendet.
Nach Ansicht der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Augsburg kann durch Zähllisten der Helfer keine Aussage über die AmWiesen
phibienpopulation getroffen werden. Im Landkreis Augsburg seien aber Arten wie die Gelbbauchunke und die Kreuzkröte stark gefährdet, die Wechselkröte drohe sogar zu verschwinden.
Die Ursachen für den Rückgang sind vielfältig: Die Zerschneidung von Lebensräumen – etwa durch Straßen – ist ein großes Problem. Der Verlust von Laichgewässern, Winterquartieren und Sommerlebensräumen stellt ebenfalls eine existenzielle Gefahr für sie dar. Nach Ansicht der Naturschützer und der Naturschutzbehörde wären ein Rückgang des Flächenverbrauchs, der Bau von Amphibiendurchlässen mit stationären Leiteinrichtungen an Straßen, die Reduzierung von Pestiziden und Mineraldünger sowie die Schaffung neuer Lebensräume notwendig.