Unter Medizinern nimmt die Vernunft zu
Zur Berichterstattung über die drohende Schließung der Geburtshilfe in Friedberg:
Ursache des Mangels an Geburtshelfern, nicht nur in Friedberg und Aichach, ist der gesellschaftliche Wandel. In früheren Jahren war die Medizin männlich dominiert, sowohl zahlen- wie auch wertemäßig. Der Arzt opferte sich für seinen Patienten und seine Karriere auf. Dabei opferte er nicht selten auch seine Gesundheit und seine Familie. Parallel zum zunehmenden Frauenanteil in der Medizin nahm auch die Vernunft zu. Die jüngere Generation erkennt immer mehr, dass es auch ein Leben neben der Arbeit gibt. Freizeit und Familie gewinnen an Bedeutung. Teilzeittätigkeiten nehmen zu. Die wachsende Zahl an Gemeinschaftspraxen, in der sich mehrere Ärzte die Arbeit teilen, sind ein weiterer deutlicher Hinweis auf den Wandel. Ein (Frauen-)Arzt, der täglich von früh bis spät Patienten in der eigenen Praxis versorgt und zusätzlich zehn oder mehr Bereitschaftsdienste pro Monat mit häufig gestörter Nachtruhe leistet, wirkt anachronistisch. Angestellten Ärzten sind solche Arbeitszeiten gesetzlich untersagt.
Neben der Personalsituation bringen auch die immer schärferen Vorgaben zu Struktur und Organisation von Fachabteilungen kleine Kliniken an ihre Grenzen. Geburtshilfliche Abteilungen werden ohne eine hinreichende Größe mit entsprechender Personalausstattung nicht überleben. Welcher Weg vor Ort beschritten wird, eigenständige Hauptabteilung oder Kooperation mit anderen Kliniken, das muss der Landkreis als Finanzier entscheiden. Beides erfordert einen hohen Aufwand. Zukunftsfähiger erscheint mir die Kooperation.
Dr. Norbert Schneider, Friedberg