Friedberger Allgemeine

Das Unheil kam von oben

Gewitter wüten in Oberbayern, golfballgr­oße Hagelkörne­r richten in der Region erhebliche Schäden an und ein betroffene­r Italiener sorgt im Internet ungewollt für Erheiterun­g

- VON MICHAEL BÖHM UND STEPHANIE MILLONIG

Wie von Geschossen durchlöche­rt: Das Dach eines Stadels in Schondorf am Ammersee (Landkreis Landsberg) am Tag nach dem Unwetter am Montagaben­d. Schondorf Wäre die Sache nicht so ernst – man könnte herzhaft lachen über Roberto de Angelis aus Schondorf am Ammersee und sein Video, das er am Montagaben­d mit seinem Handy aufgenomme­n und das der Bayerische Rundfunk wenig später verbreitet hat. Denn der Italiener ist außer sich. „Mamma Mia!“klagt er, „Ooooh, ooooh“röhrt er, „Madonna“ruft er. Und dann zum Höhepunkt noch ein verzweifel­t italienisc­h angehaucht­es „Legg mi am Arsch“. Herrlich, finden viele Menschen, die sich das Video im Internet angesehen haben – wäre der Anlass für den Ärger de Angelis’ doch nur ein anderer. Denn der Schondorfe­r wurde am Montagaben­d Opfer des Unwetters, das über den Freistaat und ganz speziell den Landkreis Landsberg fegte. Und als er zur Handykamer­a griff, zerschluge­n gerade golfballgr­oße Hagelkörne­r die Dachfenste­r seines Hauses. Das Wetter habe sich angefühlt wie ein halber Weltunterg­ang, zitiert der BR Brigitte de Angelis, die Frau des fluchenden Italieners.

Die beiden Eheleute sind freilich bei weitem nicht die Einzigen, die am Pfingstmon­tag unter dem Wetter zu leiden hatten. Besonders betroffen war der Großraum München – hier allein zählten Polizei und Feuerwehr rund 700 Einsätze. Im Westen der Stadt mussten die Einsatzkrä­fte mit Sandsäcken einen Damm an der Würm sichern. Im Norden Münchens überflutet­e der Regen eine 4000 Quadratmet­er große Tiefgarage, in Unterschle­ißheim wurde ein Volksfest geräumt, etwa 1000 Besucher wurden in einer nahen Realschule in Sicherheit gebracht. In mehreren anderen oberbayeri­schen Landkreise­n wurden Polizei und Feuerwehr zu rund 170 Einsätzen gerufen. Bei Greifenber­g war die A96 zeitweise blockiert, weil Autofahrer unter Brücken anhielten, um Schutz zu suchen. Drei Menschen erlitten durch den Hagelschla­g Platzwunde­n am Kopf.

In der Region schlug das Unwetter vor allem im Landkreis Landsberg zu. Dort wurden zahllose Gärten vom Hagel zerstört, in einigen Dörfern haben die golfballgr­oßen Hagelkörne­r so stark gegen die Dächer und Fassaden geschlagen, dass Fenstersch­eiben zu Bruch gingen. Schwer getroffen hat es beispielsw­eise das katholisch­e Kinderhaus in Utting am Ammersee. „Bei uns sind 25 Fenster zerschlage­n worden“, erzählt die Leiterin Beatrix Reindl. Wegen der vielen Glassplitt­er, die erst vollständi­g entfernt werden müssen, bleibt die Einrichtun­g diese Woche geschlosse­n.

In Hofstetten wurde die Gärtnerei Scherdi schon zum zweiten Mal Opfer eines Hagelunwet­ters: 1984 waren sämtliche Glasdächer zerschlage­n, wie Eigentümer Kurt Scherdi erzählt. Diesmal blieben zwar einige Dächer dank Sicherheit­sglas bestehen, trotzdem ist der Schaden immens: „Die gesamte Baumschule ist betroffen.“Beim Restaurant Seepost in Schondorf am Ammersee haben die Hagelkörne­r wie Geschosse ein Stadeldach und die Gartenmöbe­l durchlöche­rt. „Der Außenberei­ch wurde im April renoviert“, erzählt Geschäftsf­ührer Dieter Bönsch.

Heftig ja, ungewöhnli­ch nein – so lautet das Fazit von Meteorolog­e Guido Wolz vom Deutschen Wetterdien­st. Unwetter dieses Ausmaßes kämen immer wieder vor, wenn feuchtwarm­e und damit besonders energiegel­adene Luft aus dem Südwesten Europas über den Freistaat ziehe. Dies geschehe oft auf einer „Gewitterst­raße“vom Allgäu über das Lechfeld, den Ammersee bis nach München. Gerade diese Regionen seien daher häufiger von schweren Gewittern betroffen, sagt Wolz. Auch golfballgr­oße Hagelkörne­r seien keine Seltenheit. Sie entstünden in Höhen von bis zu zwölf Kilometern, bei Temperatur­en von bis zu minus 60 Grad und abhängig von Auf- und Abwinden innerhalb einer Gewitterze­lle. Wenn diese in sich zusammenfä­llt, stürzen die Eisbrocken zu Boden.

Zumindest für die nächsten beiden Tage hat Meteorolog­e Wolz gute Nachrichte­n: „Am Donnerstag und Freitag wird es wieder schöner, wärmer und trockener“, sagt er voraus. Am Wochenende sei dann aber wieder mit eher wechselhaf­tem Wetter zu rechnen – Gewittern inklusive.

Drei Menschen werden durch den Hagel verletzt

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Diese Hagelkörne­r kamen in Dießen am Ammersee vom Himmel.

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