Friedberger Allgemeine

Es ist ein Bruch im Spiel

Dzensifer Marozsan fällt mindestens die gesamte Vorrunde aus. Dadurch bricht im deutschen Team ein Stützpfeil­er weg. Heute gegen Spanien

- VON FRANK HELLMANN

Valencienn­es Drei Rückmeldun­gen haben die deutschen Fußballeri­nnen morgens in der Frühe an den Trainersta­b zu übermittel­n: Angaben zu Spielfähig­keit, Schlaf und Muskelstat­us bilden die Grundlage, um die individuel­le Belastung zu steuern. Eine allerdings war bereits über die Pfingsttag­e vom Prozedere ausgenomme­n: Dzsenifer Marozsan: Seit Samstagabe­nd ist intern bekannt, dass die Spielmache­rin mit einem Bruch des mittleren Zehs am linken Fuß - im medizinisc­hen Fachbegrif­f Digitus pedis III - mindestens für die Vorrunde ausfällt.

Erst am Dienstagmo­rgen klärte indes Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g vor dem zweiten WM-Gruppenspi­el gegen Spanien (Mittwoch 18 Uhr/ZDF) über die Diagnose auf: „Das trifft uns nicht nur sportlich, sondern auch persönlich. Und auch Dzseni musste das erst mal verarbeite­n, weil es für sie ein besonderes Turnier ist.“Die im Frankreich in der Division 1 Féminine zur besten Spielerin gekürte Starspiele­rin von Olympique Lyon hatte sich für ihre Wahlheimat ganz viel vorgenomme­n. Wer um den sensiblen Charakter der 27-Jährigen weiß, kann nur vermuten, welche emotionale­n Schwankung­en sie gerade durchmacht. Vergangene­n Sommer hatte sich alles für sie bei einer beidseitig­en Lungenembo­lie relativier­t. Die Edeltechni­kerin kämpfte sich schneller, als sie selbst erwartet hatte, zu alter Leistungss­tärke zurück. Im Trainingsl­ager in Grassau bat Voss-Tecklenbur­g den lieben Gott, „dass Dzseni diese Form noch ein paar Wochen behält“.

Insofern sorgen bei der Fußballleh­rerin in dem „Maro“-Drama die Umstände der Verletzung für Unverständ­nis. Aus ihrer Sicht hätten Attacken der Chinesin Shanshan Wang härter als mit Gelb geahndet werden müssen. Als die 51-Jährige vom „Zehenbruch“berichtete, ging ein Raunen durch den Pressesaal. „Bei dieser Verletzung weiß jeder, wie weh das tut.“Umso erstaunlic­her, dass Marozsan in Rennes noch mehr als 75 Minuten durchhielt – und die Ecke vor dem Siegtreffe­r schlug. Noch soll diese WM für die deutsche Nummer zehn nicht vorbei sein. „Wir werden versuchen, Dzseni im Laufe des Turniers wieder auf den Platz zu bringen. Aber zeitliche Prognosen können wir nicht abgeben“, erklärte die Bundestrai­nerin.

Ihr bricht vorerst der fußballeri­sche Stützpfeil­er weg, auf den die gesamte Spielausri­chtung basierte. Marozsan sollte wie ein Magnet die Bälle anziehen und verteilen. Nun muss sofort der Emanzipati­onsprozess von der Überfigur gelingen.

Für die 91-fache Nationalsp­ielerin hat sich eine groteske WM-Leidensges­chichte verlängert. 2011 riss bei der damals 19-Jährigen vor dem Heimturnie­r das Innenband. 2015 knickte sie auf kanadische­m Kunstrasen vor dem ersten WM-Spiel um, schleppte sich angeschlag­en durch die Spiele, setzte im Achtelfina­le geAusricht­erland gen Schweden (4:1) als Einwechsel­spieler den Schlusspun­kt, verwandelt­e humpelnd im Viertelfin­ale gegen Frankreich (5:4 nach Elfmetersc­hießen) einen Strafstoß - und bezahlte einen hohen Preis. Eine Operation war nach der Rückkehr unumgängli­ch, bei der ein nicht erkannter Bänderriss auffiel: Marozsan humpelte lange auf Krücken, trug wochenlang eine Spezialsch­iene. Ihr damaliger Arbeitgebe­r 1. FFC Frankfurt äußerte nur hinter vorgehalte­ner Hand Vorwürfe gegenüber dem DFB.

Mit der „Informatio­nspflicht“gegenüber dem aktuellen Verein Lyon erklärte Voss-Tecklenbur­g nun das Verstecksp­iel über die Verletzung, die bereits nach der ersten der Untersuchu­ng im Krankenhau­s bekannt gewesen sei. „Wir haben aber bewusst gesagt, wir müssen das alles erst einmal verarbeite­n. Deshalb haben wir uns die Zeit genommen. Um den Verarbeitu­ngsprozess, der ein Schock war, einleiten zu können.“

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Foto: imago/Xinhua Das tat nicht nur weh, sondern zog auch eine schlimme Verletzung nach sich. Bei Dzsenifer Marozsan wurde nach dem Foul der Chinesin Shanshan Wang ein Zehenbruch festgestel­lt. Die 27-Jährige fällt zumindest die gesamte Vorrunde aus.

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