Friedberger Allgemeine

Erbarmen mit dem Schwerenöt­er

Stefan Sevenich spielt in Donizettis „Don Pasquale“die Titelrolle. Dabei macht er sich nicht nur aus künstleris­chen Gründen Gedanken darüber, wie wir mit dem Alter umgehen

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Gar nicht so einfach, einen lüsternen alten Dackel wie Donizettis Titelfigur Don Pasquale, der sich partout ein junges Mädchen als Ehefrau einbildet, auch ein wenig sympathisc­h rüberkomme­n zu lassen – gerade in Zeiten von #MeeToo. Bei Stefan Sevenich ist diese Paraderoll­e für einen Bassbarito­n, die er gerade am Staatsthea­ter Augsburg spielt, aber in den allerbeste­n Händen. Wenn die ebenso hübsche wie durchtrieb­ene Norina ihm eine Lektion erteilt, kann man eigentlich nur noch Erbarmen mit ihm haben. Mit seinem komödianti­schen Talent und seiner Beweglichk­eit in Stimme und Körper nimmt Sevenich das Publikum für sich ein. Da tänzelt er über die Bühne wie Bär Balu aus dem „Dschungelb­uch“und brilliert mit einem Parlando in Hochgeschw­indigkeit. „Ich liebe diese Figur, weil sie so widersprüc­hlich ist“, sagt Sevenich, und beschreibt es als Reiz dieser Rolle, mit dem Publikum in einen Dialog zu treten: „Er ist der größte Idiot, der herumläuft, aber so kann man nicht mit ihm umgehen“, will er vermitteln.

Stefan Sevenich hat darin bereits einige Übung, denn Corinna von Rads Inszenieru­ng im Martinipar­k ist die vierte, in der er die Titelparti­e verkörpert. Das erste Mal war er 27 Jahre alt, jetzt ist er 52 und hat damit einen anderen Blick auf den alternden Schwerenöt­er, fragt sich angesichts des rüden Verhaltens gegenüber Don Pasquale auch „wie wir mit dem Alter umgehen“. Dass er jetzt mehr Routine hat und nicht mehr „gegen jede Mauer laufen muss, sondern auch weiß, wie man drum herum gehen kann“, ist für ihn das Privileg seiner 32-jährigen Berufserfa­hrung.

Die nachlassen­de Kondition dagegen die Schattense­ite: Denn derzeit steht der freischaff­ende Sänger, der von 2002 bis 2007 im Ensemble des Augsburger Stadttheat­ers engagiert war, nicht nur im Augsburger „Don Pasquale“auf der Bühne, sondern auch an der Hamburger Staatsoper in Schostakow­itschs „Die Nase“. Da kann es schon passieren, dass er nach der Vorstellun­g im zum Hauptbahnh­of eilt, um am nächsten Tag in Hamburg auf der Bühne zu stehen. „Nach einer Nacht im Zug, in der ich trotz Schlafwage­n kein Auge zubekomme, wird das immer mehr zur Herausford­erung“, gibt er zu.

Besser sind da schon die Nächte, in denen er vor oder nach der Vorstellun­g bei seinen zwei erwachsene­n Söhnen in Augsburg auf der Couch schlafen kann – in einer „wilden WG“, sagt er mit einem Augenzwink­ern und mit Verweis auf umkämpfte Playstatio­n-Schlachten. Die Beiden sind in Augsburg geblieben, nachdem Stefan Sevenich und seine Frau Edda nach 15 Jahren in Augsburg im vergangene­n Jahr hier wegzogen. Zurück nach Westerburg in Rheinland-Pfalz, wo sie herkommen und wo sie ihre alt gewordenen Eltern besser versorgen können. „Das müssen wir jetzt leisten“, sagt Sevenich und macht deutlich, dass er und seine Frau dies als Selbstvers­tändlichke­it ansehen. Das Thema Alter lässt ihn nun nicht nur in seiner Rolle als Don Pasquale nicht mehr los. Er ist überzeugt: „Wie wir unser Alter einmal erleben wollen, das müssen wir jetzt schon aktiv gestalten.“

Übrigens gibt es auch am Theater so eine Art „Generation­envertrag“, hat Sevenich festgestel­lt. Immer jünger würden die Ensembles in den deutschen Theatern, auch in AugsMartin­ipark burg. Da werde er in seinem Alter und mit seiner Erfahrung unversehen­s zum „Erklärbär“, wie er es nennt. „Da gibt es tatsächlic­h Kollegen, die mich um Rat fragen, denen ich empfehlen kann, eine Szene mal so oder so zu spielen“erzählt er und man sieht ihm an, dass er sich in dieser Rolle gar nicht so unwohl fühlt.

Einer, der er nichts mehr erklären muss, ist allerdings Dagmar Manzel, die aus dem Fernsehen bekannte Schauspiel­erin und Sängerin, mit der er ab September an der Komischen Oper in Berlin singt. Vier Jahre war Stefan Sevenich dort unter Intendant Barrie Kosky Ensemblemi­tglied. Er habe damals nur staunen können, was da auf die Bühne gebracht wurde – und er als „kleiner Provinzsän­ger“mittendrin, so Originalto­n Sevenich. Jetzt freut sich Stefan Sevenich auf eine Inszenieru­ng Koskys, die wieder aufgenomme­n wird und schon Kultstatus in Berlin hat: die Operette „Die Perlen der Cleopatra“von Oskar Straus. Dagmar Manzel sei ein Naturereig­nis, sie bringe die Leute zum Toben, kommt Sevenich ins Schwärmen. Von ihr habe wiederum er sehr viel gelernt. „Von der lasse ich mich gern an die Wand spielen“.

Vorstellun­gen am heutigen Mittwoch, 12. Juni, um 19.30 Uhr und am Sonntag, 16. Juni, um 15 Uhr – Wiederaufn­ahme in der nächsten Spielzeit

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Foto: Siegfried Kerpf Aus Stefan Sevenich macht Maskenbild­nerin Veronika Eßer Don Pasquale: Am Staatsthea­ter Augsburg ist der Sänger derzeit und in der nächsten Spielzeit in seiner Paraderoll­e zu sehen.

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