Vom Wind wehen lassen
Die Mühlen im Mindener Land entdecken
Wenn Gerhardt Laubmeyer morgens aus dem Schlafzimmerfenster schaut, sieht er sofort, woher der Wind weht. Die Windrose der Mühle direkt vor seiner Haustür zeigt es ihm an. Seit 1871 ist die Wind- und Wassermühle in PetershagenLahde, im äußersten Nordosten Nordrhein-Westfalens, in Familienbesitz. Getreide wird in der Holländermühle längst nicht mehr gemahlen – perfekt erhalten ist das Erbstück trotzdem.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie an der Westfälischen Mühlenstraße das Erbe der Müllerei aufrechterhalten wird. Mehr als 40 Wasser-, Wind- und Rossmühlen stehen im Kreis Minden-Lübbecke, in einem Gebiet rund um Weser und Wiehengebirge. Sie prägen das Landschaftsbild in einzigartiger Art und Weise.
Wer sich auf die Spuren der Mühlentradition begibt, findet in vielen kleinen Ortschaften gut erhaltene Zeugen jener Zeit, als die Müller und ihre Arbeit unentbehrlich waren für das tägliche Brot. Dass sich heute noch viele Mühlenflügel mit dem Wind drehen, ist dem Mühlenverein mit zu verdanken. Anfang der 1960er Jahre hatte im Mindener Land das große Mühlensterben begonnen. Der Verein, 1978 gegründet, konnte den Abriss diverser Bauwerke verhindern. An sogenannten Mahl- und Backtagen sind die Mühlen abwechselnd in Betrieb – die Saison geht vom Frühjahr bis in den Herbst hinein. An welcher Mühle und wann diese Veranstaltungen stattfinden, hat der Verein online aufgelistet, oder man fragt telefonisch an.
An der Storcks Mühle in HilleEickhorst gehen gerade die letzten Stücke des selbstgebackenen Hefe-Zuckerkuchens über die Theke. Der Verkauf von westfälischen Spezialitäten wie frischen Schmalzbroten aus dem Holzbackofen gehört an Mühlentagen traditionell dazu. Doch auch wenn gerade kein Mühlenund Backtag ansteht, lohnt sich eine Tour durch den Mühlenkreis. Am besten auf dem Rad. Entlang der Mühlenroute gibt es mehr als 300 Kilometer ausgeschilderte Radwege.
Die Tour nördlich von Petershagen beispielsweise führt in einem Rundkurs von 55 Kilometern durch die Auenlandschaft der Weser. Und immer wieder säumt eine Mühle den Weg.
Stopp in Neuenknick
Die Bockwindmühle von 1747 gehört zu den ältesten im Kreis. Als Bauweise waren Bockwindmühlen Stand der Technik, ehe sie langsam von Holländerwindmühlen verdrängt wurden. Das mit Holzschindeln verkleidete Haus steht auf einem dicken Pfahl, der senkrecht in einem Gestell unterhalb der Mühle steckt, wie Erwin Möhlenbrock bei einem Rundgang erklärt. Eigentlich ist heute kein Backtag, außerdem ist gerade Mittagszeit. Doch der 84-Jährige wirft sich schnell eine Jacke über und führt den Gast zu der Mühle auf der Wiese neben dem Haus. Im Nachbarort Döhren sieht die Mühle auf den ersten Blick kein bisschen aus wie ein typischer Vertreter ihrer Art. Ein schmuckes weiß-braunes Fachwerkgebäude mit einem weiß-grünen Giebel überrascht den Besucher: die Plaggen Mühle, eine alte Wassermühle. In Petershagen-Seelenfeld bietet die Königsmühle einen idyllischen Ausblick. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ sie 1731 erbauen – eine von drei Königsmühlen entlang der Mühlenroute.
Zum Ende der Radtour sticht auf der linken Weserseite das strahlende Weiß der Windmühle Großenheerse schon von weitem ins Auge. Ulrike Graba-Fleischer bewirtet hier ihre Gäste im Landgasthaus „Zur Mühlenwirtin“. Auch Übernachtungen sind möglich – diese nimmt man gerne in Anspruch, um am nächsten Tag eine neue Mühlen-Tour zu machen.