Schüler verschicken Kinderporno-Video
Viele Klassen schließen sich in Whatsapp-Gruppen zusammen. So tauschen die Schüler Nachrichten über Hausaufgaben, Lernstoff und Termine aus. Ein Augsburger Fall zeigt, welche Schattenseiten das auch haben kann
Der Fall spielte sich im Herbst an einem Gymnasium in Augsburg ab. Die Schüler einer sechsten Klasse hatten eine gemeinsame WhatsappGruppe – was inzwischen fast überall üblich ist. Das kann sinnvoll sein: Sie tauschten sich per Handy-Nachrichten auch über Lernstoff, Hausaufgaben und Termine aus. Doch die sechste Klasse bekam auch die Schattenseite der Technik deutlich vor Augen geführt. Ein Schüler stellte ein kinderpornografisches Video in die Klassen-Chatgruppe.
Manche Kinder öffneten das Video gar nicht und löschten es gleich. Andere dagegen schauten es an. Und die elf, zwölf Jahre alten Schüler litten teils sehr darunter, was sie da gesehen hatten, berichten Eltern. Der Fall landete bei der Polizei. Die verfolgte den Weg des Videos zurück. Die Ermittlungen dabei ergaben, dass die Kinderporno-Datei noch an anderen Augsburger Schulen die Runde gemacht hat. Ursprünglich soll das Video von einem Erwachsenen stammen, der es einem Kind geschickt hat – außerhalb der Region. Nach Informationen unserer Redaktion
Auch Mobbing kann so zum Problem werden
konnte der Mann auch ermittelt werden.
Fälle wie dieser zeigen: Aus einer scheinbar harmlosen Chat-Gruppe unter Schülern kann schnell ein virtueller Ort werden, an denen sie schweren Belastungen ausgesetzt sind. Es geht nicht nur um pornografische Videos oder um Filme und Fotos mit brutalen Gewaltdarstellungen. Auch Mobbing kann in solchen Gruppen zum Problem werden. Günter Müller leitet die Beratungsstelle der Augsburger Kriminalpolizei. Er sagt: „Kinder haben sich früher auch schon geärgert, aber nach der Schule war erst mal Schluss. Heute kann es 24 Stunden lang weitergehen.“Bei solchen Fällen von Mobbing hat er einen eindeutigen Rat: Nicht abwarten, sondern rasch reagieren. Der Beamte sagt: „Darauf zu warten, dass es von alleine wieder aufhört, lohnt sich nicht. Es hört nicht von alleine auf.“
Eltern müssten ihre Kinder in solchen Fällen unterstützen und gemeinsam besprechen, was man unternimmt. Denkbar sei der Kontakt zu anderen Eltern der Klasse, ein Gespräch mit Lehrern oder die Hilfe durch eine Beratungsstelle. Bei Gewaltund Pornodarstellungen dagegen sei es wichtig, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Die Ermittler könnten dann nachforschen, woher das Dokument stammt und ob womöglich auch ein Erwachsener darin verwickelt ist. Denn es ist strafbar, Personen unter 18 Jahren Zugang zu pornografischen Inhalten zu verschaffen.
Damit es erst gar nicht zu solchen Fällen wie an der Augsburger Schule kommt, bietet der Verein Brücke Kurse für Schulklassen an. Ein Mitarbeiter des Vereins kommt dann für drei Doppelstunden in eine Klasse und spricht mit den Kindern über Handy, Internet und die möglichen Gefahren. Das Angebot werde von den Schulen sehr stark nachgefragt, sagt der Brücke-Geschäftsführer Erwin Schletterer. Der Verein arbeitet sonst überwiegend mit jungen Straffälligen.
Anfangs hätten die Kurse vor allem in weiterführenden Schulen stattgefunden. Inzwischen aber steige auch der Bedarf im Grundschulbereich. „Die Handy- und Internetnutzer werden jünger“, sagt Erwin Schletterer. Die Eltern seien sich oft unsicher, was und wie viel sie ihrem Kind erlauben sollen. Der Druck unter Kindern sei mitunter auch groß, wenn einer ein teures Handy hat und der andere noch gar keines, so Schletterer.
Auch der Polizist Günter Müller weiß um diesen Konkurrenzdruck. Er hält es ohnehin für falsch, den Kindern den Umgang mit modernen Medien zu verbieten. Er hält es für sinnvoll, die Kinder zu begleiten. „Man sollte auch mal gemeinsam mit dem Kind aufs Handy schauen“, sagt er. Gegenseitiges Vertrauen sei dabei wichtig. Werden die Kinder dann zum Beispiel mit Pornobildern konfrontiert, dann trauen sie sich eher, den Eltern davon zu erzählen. So wie es bei dem Fall im Herbst einige Kinder auch machten.
Erwin Schletterer sagt, die Erfahrung aus dem Alltag zeige, dass sich Kinder und Jugendliche oft gar nicht im Klaren darüber seien, wie „extrem belastend“etwa das Mobbing in Chatgruppen sein kann. Bei der Weitergabe von Fotos und Videos sei vielen auch nicht bewusst, dass sie damit eine Straftat begehen können.
Er kennt auch Beispiele, in denen Fotos mit Nazi-Symbolen weitergeschickt werden, einfach weil es „krass“ist. Und ohne zu wissen, dass es verboten ist, verfassungswidrige Kennzeichen zu verbreiten. Gerade deshalb, sagt Erwin Schletterer, sei die Aufklärungsarbeit auch so wichtig.