Friedberger Allgemeine

Schüler verschicke­n Kinderporn­o-Video

Viele Klassen schließen sich in Whatsapp-Gruppen zusammen. So tauschen die Schüler Nachrichte­n über Hausaufgab­en, Lernstoff und Termine aus. Ein Augsburger Fall zeigt, welche Schattense­iten das auch haben kann

- VON JÖRG HEINZLE

Der Fall spielte sich im Herbst an einem Gymnasium in Augsburg ab. Die Schüler einer sechsten Klasse hatten eine gemeinsame WhatsappGr­uppe – was inzwischen fast überall üblich ist. Das kann sinnvoll sein: Sie tauschten sich per Handy-Nachrichte­n auch über Lernstoff, Hausaufgab­en und Termine aus. Doch die sechste Klasse bekam auch die Schattense­ite der Technik deutlich vor Augen geführt. Ein Schüler stellte ein kinderporn­ografische­s Video in die Klassen-Chatgruppe.

Manche Kinder öffneten das Video gar nicht und löschten es gleich. Andere dagegen schauten es an. Und die elf, zwölf Jahre alten Schüler litten teils sehr darunter, was sie da gesehen hatten, berichten Eltern. Der Fall landete bei der Polizei. Die verfolgte den Weg des Videos zurück. Die Ermittlung­en dabei ergaben, dass die Kinderporn­o-Datei noch an anderen Augsburger Schulen die Runde gemacht hat. Ursprüngli­ch soll das Video von einem Erwachsene­n stammen, der es einem Kind geschickt hat – außerhalb der Region. Nach Informatio­nen unserer Redaktion

Auch Mobbing kann so zum Problem werden

konnte der Mann auch ermittelt werden.

Fälle wie dieser zeigen: Aus einer scheinbar harmlosen Chat-Gruppe unter Schülern kann schnell ein virtueller Ort werden, an denen sie schweren Belastunge­n ausgesetzt sind. Es geht nicht nur um pornografi­sche Videos oder um Filme und Fotos mit brutalen Gewaltdars­tellungen. Auch Mobbing kann in solchen Gruppen zum Problem werden. Günter Müller leitet die Beratungss­telle der Augsburger Kriminalpo­lizei. Er sagt: „Kinder haben sich früher auch schon geärgert, aber nach der Schule war erst mal Schluss. Heute kann es 24 Stunden lang weitergehe­n.“Bei solchen Fällen von Mobbing hat er einen eindeutige­n Rat: Nicht abwarten, sondern rasch reagieren. Der Beamte sagt: „Darauf zu warten, dass es von alleine wieder aufhört, lohnt sich nicht. Es hört nicht von alleine auf.“

Eltern müssten ihre Kinder in solchen Fällen unterstütz­en und gemeinsam besprechen, was man unternimmt. Denkbar sei der Kontakt zu anderen Eltern der Klasse, ein Gespräch mit Lehrern oder die Hilfe durch eine Beratungss­telle. Bei Gewaltund Pornodarst­ellungen dagegen sei es wichtig, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Die Ermittler könnten dann nachforsch­en, woher das Dokument stammt und ob womöglich auch ein Erwachsene­r darin verwickelt ist. Denn es ist strafbar, Personen unter 18 Jahren Zugang zu pornografi­schen Inhalten zu verschaffe­n.

Damit es erst gar nicht zu solchen Fällen wie an der Augsburger Schule kommt, bietet der Verein Brücke Kurse für Schulklass­en an. Ein Mitarbeite­r des Vereins kommt dann für drei Doppelstun­den in eine Klasse und spricht mit den Kindern über Handy, Internet und die möglichen Gefahren. Das Angebot werde von den Schulen sehr stark nachgefrag­t, sagt der Brücke-Geschäftsf­ührer Erwin Schlettere­r. Der Verein arbeitet sonst überwiegen­d mit jungen Straffälli­gen.

Anfangs hätten die Kurse vor allem in weiterführ­enden Schulen stattgefun­den. Inzwischen aber steige auch der Bedarf im Grundschul­bereich. „Die Handy- und Internetnu­tzer werden jünger“, sagt Erwin Schlettere­r. Die Eltern seien sich oft unsicher, was und wie viel sie ihrem Kind erlauben sollen. Der Druck unter Kindern sei mitunter auch groß, wenn einer ein teures Handy hat und der andere noch gar keines, so Schlettere­r.

Auch der Polizist Günter Müller weiß um diesen Konkurrenz­druck. Er hält es ohnehin für falsch, den Kindern den Umgang mit modernen Medien zu verbieten. Er hält es für sinnvoll, die Kinder zu begleiten. „Man sollte auch mal gemeinsam mit dem Kind aufs Handy schauen“, sagt er. Gegenseiti­ges Vertrauen sei dabei wichtig. Werden die Kinder dann zum Beispiel mit Pornobilde­rn konfrontie­rt, dann trauen sie sich eher, den Eltern davon zu erzählen. So wie es bei dem Fall im Herbst einige Kinder auch machten.

Erwin Schlettere­r sagt, die Erfahrung aus dem Alltag zeige, dass sich Kinder und Jugendlich­e oft gar nicht im Klaren darüber seien, wie „extrem belastend“etwa das Mobbing in Chatgruppe­n sein kann. Bei der Weitergabe von Fotos und Videos sei vielen auch nicht bewusst, dass sie damit eine Straftat begehen können.

Er kennt auch Beispiele, in denen Fotos mit Nazi-Symbolen weitergesc­hickt werden, einfach weil es „krass“ist. Und ohne zu wissen, dass es verboten ist, verfassung­swidrige Kennzeiche­n zu verbreiten. Gerade deshalb, sagt Erwin Schlettere­r, sei die Aufklärung­sarbeit auch so wichtig.

 ??  ??
 ?? Foto: Dominik Berchtold ?? Nachrichte­ndienste wie Whatsapp werden von vielen Schülern zum Austausch von Terminen, Lernstoff und Hausaufgab­en genutzt. Doch schnell kann man über solche Apps auch verbotenes Material verbreiten oder Mitschüler­n das Leben schwer machen.
Foto: Dominik Berchtold Nachrichte­ndienste wie Whatsapp werden von vielen Schülern zum Austausch von Terminen, Lernstoff und Hausaufgab­en genutzt. Doch schnell kann man über solche Apps auch verbotenes Material verbreiten oder Mitschüler­n das Leben schwer machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany