Eine Studentin führt den Integrationsbeirat
Erstmals leitet eine Frau die Interessenvertretung für Augsburger mit Einwanderungs- und Fluchtbiografien. Die 29-Jährige hat es gelernt, sich durchzusetzen. Was ihre Ziele sind
Die turnusmäßige Wahl zum Vorsitz des Integrationsbeirats fiel überraschend aus. Mit 14 zu 13 Stimmen konnte sich die Studentin Didem Laçin Karabulut knapp gegen den bisherigen ersten Vorsitzenden Husain Mahmoud durchsetzen. Damit leitet erstmals seit seiner Gründung 1974 eine Frau die Interessenvertretung für Augsburger mit Einwanderungsoder Fluchtbiografien. Die 29-jährige Studentin ist gebürtige Augsburgerin, ihre Eltern flohen nach dem türkischen Militärputsch von 1980 nach Deutschland.
Ihre Familie lebte ein Jahrzehnt lang mit Kettenduldungen in Augsburg. Karabulut weiß, was das im Alltag heißt. Die Koffer für die jederzeit mögliche Ausweisung standen lange gepackt an der Wand, erinnert sie sich. Auch die Schule legte ihr eher Steine in den Weg. „In der Grundschule schon wollte ich wegen unserer rechtlichen Situation unbedingt Richterin werden. Ich wollte uns retten und wusste, dass man dafür studieren muss“, erzählt sie. Doch die Lehrerin verweigerte ihr das Übertrittszeugnis. „Dabei hatte ich einen Schnitt von 1,3. Das Gymnasium würde mich überfordern, war ihre Erklärung.“Karabulut gerät noch heute in Rage: „Die Noten waren objektiv gut. Was nicht gut war, waren meine Herkunft und mein Name.“Sie suchte den Direktor auf, überzeugte ihn, und auch den Leiter des Fugger-Gymnasiums, das sie unbedingt besuchen wollte. Der Richterwunsch erledigte sich, als die Familie einen geregelten Aufenthaltsstatus bekommen hatte. Jetzt studiert sie Gymnasiallehramt Englisch und Geschichte und steht kurz vor dem Abschluss.
Neben dem Vorsitz sind jetzt auch die beiden Stellvertreter des Gremiums aus dem akademischen Milieu: Der deutsch-französische Informatiker Frédéric Zucco, 60, lebt seit 32 Jahren in Augsburg und der aus Eritrea stammende Politikwissenschaftler Temeshgen Kubrom studierte in Asmara und Tübingen. Er arbeitet seit 2010 als Berater im Integrationszentrum Tür an Tür. Karabulut, die zuvor bereits stellvertretende Vorsitzende war und bundesweit als gut vernetzt gilt, möchte vor allem die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat verstetigen, die Situation von Geflohenen im Beirat stärker berücksichtigen und sich für ein neues Miteinander der türkischen Vereine einsetzen.