Reisen ohne Flugscham?
Wer den Kohlendioxid-Ausstoß seiner Reise ausgleichen will, kann einem CO2-Kompensationsanbieter Geld für ein Klimaschutzprojekt spenden. Doch nicht alle Anbieter sind gleich gut. Das müssen Urlauber beachten
Im Sommer nach Mallorca, im Winter in die Karibik: Flugurlaub ist heute für viele Menschen selbstverständlicher als mit der Bahn zu fahren. Ein schlechtes Gewissen bleibt aber – nicht erst seit Fridays-forFuture. Denn Fliegen ist nicht klimafreundlich. Die Luftfahrt belastet die Atmosphäre mit Kohlendioxid. Durch CO2-Kompensation lässt sich der Schaden wenigstens zahlenmäßig etwas ausgleichen. Wie funktioniert das? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Welche Idee steckt CO2-Kompensation? hinter der
Kohlendioxid ist ein Klimakiller: Das Gas bildet eine Hülle um die Atmosphäre und lässt zwar Sonnenstrahlen herein, Wärme aber nicht wieder ins Weltall entweichen. Dadurch heizt sich die Erde auf. Beim Fliegen wird sehr viel CO2 freigesetzt: Ein Flug von Frankfurt nach Madrid verursacht hin und zurück etwa eine Tonne davon – pro Passagier. Wer fliegen muss und trotzdem kein Umweltfrevler sein will, kann einen Ausgleich schaffen: Er unterstützt Projekte, die an anderer Stelle auf der Welt entsprechend viel CO2 einsparen.
Welche Anbieter gibt es?
Die Stiftung Warentest hat 2018 sechs Organisationen unter die Lupe genommen: Atmosfair, Klima-Kollekte, Primaklima, Myclimate, Klimamanufaktur und Arktik. Sie alle wenden sich an Privatkunden, das heißt, nicht nur Fluggesellschaften, sondern auch einzelne Reisende können über sie CO2 kompensieren.
Wie funktioniert das konkret?
Der Reisende gibt z.B. auf der Webseite eines Kompensationsanbieters seine Reisestrecke an und erfährt dort, wie viele Tonnen CO2 der Flug verursacht. Er kann dann an Ort und Stelle für die Kompensation bezahlen. Der Kompensationsanbieter erwirbt daraufhin für die Summe abzüglich seines Verwaltungsaufwandes Zertifikate eines Klimaschutz-Projektentwicklers. Alle Beteiligten werden über die Zertifikate vom WWF und anderen Umweltverbänden kontrolliert.
Welcher ist der Beste?
Die besten Klimaschutzprojekte bieten laut Stiftung Warentest Atmosfair, Klima-Kollekte und Primaklima. Alle drei erhielten in der Gesamtnote ein „sehr gut“. Myclimate wurde mit „gut“bewertet, Klimamanufaktur und Arktik nur mit „ausreichend“. In die Beurteilung flossen dabei außer der Qualität der eigentlichen Kompensation auch die Transparenz von Projekten und Zahlungsströmen, die Kontrollmöglichkeit und die Höhe der Verwaltungskosten ein.
Was geschieht mit dem Geld?
Marktführer Atmosfair versorgt zum Beispiel in Afrika Familien mit effizienten Solaröfen, so dass dort weniger Feuerholz verbrannt und weniger Wald vernichtet wird. In Nepal verarbeiten Minibiogasanlagen Kuhdung zu Gas, mit dem dann ebenfalls gekocht werden kann. Die Klima-Kollekte ersetzt in Indien Kerosinlampen durch Solarlampen. Andere Unternehmen wie Primaklima forsten mit dem Geld Wald auf. Das Problem ist nur: Wenn der Baum verrottet oder verheizt wird, wird das CO2 wieder freigesetzt. Insofern gelten Waldprojekte unter vielen Klimaschützern als Kompensation zweiter Wahl. Allerdings haben Wälder auch positive Nebeneffekte als Wasserspeicher und Lebensraum für Tiere und Pflanzen.
Was ist mit der Qualität?
Wie überall auf der Welt gilt: Nicht alle Projekte sind gleich seriös. Verbraucher können sich immerhin nach einem Gütesiegel richten. Den „Gold Standard CER“erhalten nur Projekte, die der Klimabilanz wirklich nutzen und darüber hinaus sozial und ökologisch verträglich sind.
Was kostet es?
Die Preise für die Kompensation sind recht unterschiedlich: Sie reichen von fünf bis 25 Euro pro Tonne CO2. Das hängt vor allem von der Art der Projekte ab. In die Bewertung der Stiftung Warentest sind die Preise nicht eingeflossen. Unter den „sehr guten“Anbietern berechnen Atmosfair und Klimakollekte 23 Euro pro Tonne CO2; Primaklima, das ausschließlich über Waldprojekte kompensiert, kommt auf 15 Euro. Bei 0,1 Tonnen CO2-Ausstoß pro Passagier auf einem Flug von Frankfurt nach Berlin und 23 Euro pro Tonne werden also 2,30 Euro für die Kompensation fällig. Bei fünf Tonnen für einen Flug von Frankfurt nach Sydney sind es 115 Euro (gerechnet jeweils für die einfache Strecke).
Differenzen beim CO2-Verbrauch
Wer seinen Flug bei den einzelnen Anbietern eingibt, erhält ganz unterschiedliche Belastungen mitgeteilt. Ein Flug von Deutschland nach New York verursacht je nach Klimakompensator zwischen 2,3 und 3,8 Tonnen CO2 pro Passagier. Die Differenzen rühren aus unterschiedlichen Rechenmethoden. Wichtigster Faktor ist, um wieviel höher der Treibhauseffekt in der Flughöhe gegenüber dem Erdboden eingeschätzt wird. Dieser sogenannte RFI (Radiative Forcing Index) reicht von eins (gar kein Unterschied) bis drei (dreifache Belastung). Der Weltklimarat empfiehlt einen Faktor von 2,7.
Wo kann man kompensieren?
Alle genannten Anbieter bieten die Kompensation direkt auf ihrer Webseite an. Unternehmen wie Lufthansa oder Tui und auch Reisebüros ermöglichen die Kompensation zusätzlich direkt während des Buchungsprozesses. Lufthansa kalkuliert dabei allerdings nur mit einem RFI-Faktor von eins und kompensiert dadurch nur zum Teil.
Ist die Kompensation steuerlich absetzbar?
Ja. Ausgleichszahlungen an Anbieter von CO2-Kompensation kann man in Deutschland als Spende von der Steuer absetzen. Bei Arktik und Klimamanufaktur geht das nicht, weil beide Organisationen nicht als gemeinnützig anerkannt sind.