Das Verbot führt zum Neuanfang
150 Jahre Alpenverein Ende des Krieges löst die US-Militärregierung die nationalsozialistisch orientierte Sektion auf – ein notwendiger Schritt für die komplett neue Ausrichtung des Vereins. Im Sommer 1950 gibt es schon wieder ein umfangreiches Tourenprog
Der Einmarsch der Amerikaner am 28. April 1945 in der Fuggerstadt markiert auch für den Alpenverein die „Stunde Null“. Die Sektion hat schwer am Erbe der Nazizeit zu tragen. „Der Krieg ist auch an unserem Verein nicht vorüber gegangen, ohne seine Spuren zu hinterlassen“, heißt es in einer Kurzmitteilung der Sektion unmittelbar nach der Befreiung durch die US-Truppen.
„Viele Mitglieder, Jungmannen und Angehörige der Jugendgruppe sind im Felde gefallen, bleiben vermisst oder haben durch Fliegerangriffe ihr Leben verloren“, bedauert der Schreiber der Zeilen. Weil der Verein als Unterorganisation des „Reichsbundes für Leibesübungen“stramm nationalsozialistisch orientiert war, wird er am 8. Mai 1945 von der US-Militärregierung verboten und aufgelöst. Im Zuge der Entnazifizierung gilt die Mitgliedschaft im Verein als belastender Tatbestand. Die Amerikaner lassen allerdings die Möglichkeit zur Gründung neuer Vereine offen.
Politisch unbelastete Mitglieder der Sektion arbeiten an einem Neuaufbau. Am 3. April 1946 genehmigt die Militärregierung die Neugründung. Offenbar aus Sorge über das Auftreten alter NS-Seilschaften im Alpenverein wird die Genehmigung Wochen später wieder zurückgenommen, die Sektion wird erneut aufgelöst. Der Arbeitsvorstand schaut nun genauer hin bei der Aufnahme von Mitgliedern. Die Militärregierung goutiert dies und genehmigt einen Neuanfang, allerdings unter dem Namen „Alpenclub Augsburg e. V.“.
Die Sektion zählt nun, stark reduziert, 900 Mitglieder. Erst 1949 darf sie sich wieder „Alpenverein“nennen. Der neue Vorstand steht wahrlich vor einem Berg von Problemen. Die beiden in Österreich liegenden Hütten – die Augsburger Hütte im Lechtal und die Otto-Mayr-Hütte bei Reutte in Tirol – sind enteignet, die Grenze ist geschlossen. Der Kontakt zu den Hüttenwirten kann nur durch illegale, also heimliche, Grenzübertritte aufrecht erhalten werden. Erst 1956 werden die Hütten, die vom Alpenverein Österreich treuhänderisch verwaltet wurden, wieder zurückgegeben.
Angerhütte und Schwarzbergalpe im Gunzesrieder Tal, für die Sektion bis dahin die einzigen Stützpunkte, sind bald überfüllt. Im Winter 1946/47 pachtet der Verein für die Skifahrer die Obere Ochsenbergalpe bei Hindelang. Bereits für den Bergsommer 1950 wird ein umfangreiches Tourenprogramm aufgelegt. Bei den Alpinisten herrschte Aufbruchstimmung. „Wir, die jungen Burschen, hatten großen Nachholbedarf. So verbrachten wir unsere freie Zeit immer in den Bergen“, erinnert sich Benno Helf, 90, Jahrzehnte lang Vorsitzender der Sektion.
Bei einem Eiskurs auf der Rappenseehütte macht er die Bekanntschaft des berühmten Eigernordwand-Erstbezwingers Anderl Heckmair, mit dem er sich anfreundet und der ihm am Ende ein großes Lob zollt: „Aus dir wird noch mal ein richtiger Alpinist“. Weil das Geld nach dem Krieg knapp ist, fährt man mit dem Fahrrad in die Berge, mit Rucksack, Seil und Verpflegung. „Wir haben entweder bei einem Bauern im Stadel übernachtet oder gezeltet“, beschreibt Helf das spartanische Leben der Bergsteiger in den Jahren nach dem Krieg. Im Winter nutzen die Skifahrer aus Augsburg den Sportzug nach Oberstdorf, steigen in Blaichach aus und laufen hoch auf die Hörner oder ins Gunzesrieder Tal.
Eine preisgünstige Möglichkeit bietet Jakob Hörmann, ab 1945 Chef des gleichnamigen Fuhrunternehmens aus Rehling (heute Busreisen Hörmann). Er organisiert den Umbau alter Lastwagen, mit dem die Bergfreunde für wenig Geld ins Allgäu touren.
Zwischen 1946 und 1949 verdoppelt sich die Mitgliederzahl auf fast 1800. Unter den Neuaufnahmen sind nun auch viele Frauen, darunter Skirennläuferinnen und aktive Alpinistinnen.
Die beiden Hütten sind zunächst enteignet